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Artikel „Arletius, Johann Kaspar“ von Adolf Schimmelpfennig in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 1 (1875), S. 530–532, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Arletius,_Johann_Kaspar&oldid=- (Version vom 3. Oktober 2024, 17:19 Uhr UTC)
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Arletius: M. Johann Kaspar A., schlesischer Polyhistor, geb. 1. Oct. 1707 in Breslau, † 20. Jan. 1784, begann seine Studien auf dem Elisabethan, an welchem sein Vater Lehrer war, und bezog 1728 die Universität Leipzig, um sich der Theologie zu widmen. In Jena, wohin er 1729 ging, zog er Geschichte, Naturwissenschaften und, um die gelehrten Arbeiten des Auslandes [531] für sich ausnutzen zu können, auch neue Sprachen in den Kreis seiner Studien. Das Hebräische mit den Dialekten war ihm von der Schule her geläufig; arabisch lernte er später ohne Lehrer. Trotz seiner nach der Rückkehr in die Heimath glänzend bestandnen Prüfung entsagte A. der Theologie, als er in einer Breslauer Kirche predigend „propter satanicas suggestiones“, wie er es beschrieb, zum Concept hatte greifen und lesen müssen, und wurde vor der Hand Erzieher der Söhne des Landesältesten von Fürst und Kupferberg, dessen ausgesuchte Bibliothek ihn zu Studien über die schlesischen Dichter veranlaßte. Ohne eigene Bewerbung, nur durch die Bemühungen seiner Freunde und Verwandten, wurde der grundgelehrte Candidat der Theologie 1743 zweiter College am Magdalenengymnasium, rückte bald in die höhern Stellen, wurde 1755 Rector und 1761, wiederum ohne seine Bewerbung, Rector des Elisabethans und Bibliothekar der Rhediger’schen Bibliothek, deren Schätze zu würdigen und für sich nutzbar zu machen er ganz der Mann war. Durch die immerwährenden Kriege waren die classischen Studien in Verfall gerathen und die realistische Richtung der Zeit bedrohte sie mit völligem Ruin; ihn von der seiner Leitung untergebenen Schule abzuwehren, reichte seine Kraft wol aus, aber um auf weite Kreise bestimmenden Einfluß zu üben, war A. zu specifisch gelehrt. Da fügte es ein glücklicher Zufall, daß er Friedrich dem Großen, welcher wegen des bairischen Erbfolgekrieges den Winter von 1778 zu 1779 in Breslau residirte, persönlich bekannt wurde. Sich mit schlesischer Geschichte beschäftigend, war der König auf die Vermuthung gerathen, Carnovia (Jägerndorf in Schlesien) könne wol mit dem Carnuntum der Römer identisch sein. A., an welchen sich der Minister v. Hoym deswegen wendete, schrieb eine kleine gelehrte Abhandlung, in welcher er seine abweichende Meinung motivirte. Die Arbeit hatte des Königs Beifall; der greise Gelehrte mußte trotz seiner Schwerhörigkeit und seines Hustens im Mai 1779 vor dem Könige erscheinen. Friedrich unterhielt sich mit ihm über Carnuntum, über Schlesien unter den deutschen Kaisern, über Latein und Griechisch, Cicero und Demosthenes. A. hatte unter den fürchterlichen Augen des Königs, wie er sie nannte, unbefangen wie auf seinem Katheder über den ganzen Schatz seiner Gelehrsamkeit verfügend gesprochen und dabei die Gelegenheit wahrgenommen, die Noth der Schule und namentlich die schlechten Besoldungen der Lehrer dem König freimüthig zu klagen. „Schade, daß diese Race jetzt ausstirbt“, äußerte Friedrich nach der Audienz zu Herzberg und dem Fürsten Repnin über A. Diese Unterredung trug für das preußische Schulwesen die wohlthätigsten Früchte. Denn in Folge derselben, wie Graf Herzberg einem Freunde in Breslau mittheilte, beschied der König später den Minister Zedlitz zu sich nach Potsdam und „dictirte ihm eine Vorschrift in die Schreibtafel, wie man künftig in allen Schulen mehr darauf sehen soll, den jungen Leuten das Lesen und Studiren der Alten beizubringen“. A. aber wurde von ihm 1780 beglückwünscht: „Sie haben gewiß das Verdienst, daß Sie durch die Unterredung, die Sie mit dem König zu Breslau gehabt, seinen Eifer für die griechische und lateinische Sprache angefeuert und dadurch Gelegenheit gegeben haben, daß er solche dem Herrn v. Zedlitz empfohlen und dieses Studium nunmehr so fleißig betrieben wird“.

A. war nicht verheirathet; zwei in seinem Nachlasse gefundene Gedichte bezeugen, daß er in seinen Mannsjahren ernst und tief geliebt hat; das Fehlschlagen seiner Hoffnungen war ihm ein Wink von oben gewesen, auf eheliches Glück zu verzichten. Er lebte blos für seine Studien und sein Amt. Die Freundschaft und Hochachtung der Besten, ein ausgebreiteter Briefwechsel, in den letzten Jahren besonders mit Heyne in Göttingen und neben der Rhediger’schen eine eigene von ihm gesammelte Bibliothek von mehr als 12000 Bänden ließen [532] ihn im Alter nicht einsam. Außer einigen Aufsätzen im „Neuen Büchersaal der schönen Wissenschaften“, Jahrg. 1748 und 1750, einer „Nachlese zu Günther’s Gedichten“, 1741 in Breslau ohne Namen erschienen, und einer Anzahl zu Schulaufführungen als Gelegenheitsschriften verfaßter lateinischer und deutscher Dramen ist von ihm nichts gedruckt. Ueber Martin Opitz hat er lebenslang gesammelt. Als ihn sein Neffe zur endlichen Herausgabe dieser Arbeit einst aufforderte, fertigte er ihn mit den Worten ab: „Es ist mir noch nicht druckerlich“. Seinen gesammelten Geistesschatz hat A. in die Ewigkeit mitgenommen, dagegen was er an irdischem Gut im Schulstaube gespart, der Schule hinterlassen, welcher er 22 Jahre als Rector vorgestanden. Die von ihm für das Elisabethan gemachten Stiftungen in Höhe von mehr als 13000 Thlrn., jetzt auf das Doppelte angewachsen, haben die Lage der damals so ärmlich dotirten Lehrer und ihrer Angehörigen erheblich gebessert und fleißigen Schülern den Weg zum Studiren geebnet. Seine Münzsammlung hinterließ er der Rhediger’schen Bibliothek.

Joh. Ephr. Scheibel, Lebenslauf des weil. Herrn Joh. Casp. Arletius. Breslau 1789. – Dr. Jul. Schmidt, Joh. Caspar Arletius. Beitrag zur Litteraturgesch. Schlesiens. Breslau 1841.– Dr. Carl Rud. Fickert: Der Rector zu St. Elisabeth Joh. Casp. Arletius und seine Stiftungen (in der Sammlung der Jubelschriften für 300jähr. Jubelfeier des Elisabethgymnas., Breslau 1862.)