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Artikel „Voge, Otto“ von Theodor Pyl in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 40 (1896), S. 92–94, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Voge,_Otto&oldid=- (Version vom 3. Dezember 2024, 18:30 Uhr UTC)
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Voge: Otto V., Bürgermeister von Stralsund, aus einem alten ritterschaftlichen Geschlecht, dessen Angehörige schon seit 1313 im Stralsunder Rathe vorkommen, war ein Sohn des Bürgermeisters Nicolaus V. († 1416), und seit 1432 selbst Mitglied des Rathes, in welchem er im J. 1443 gleichfalls die Bürgermeisterwürde empfing. In diesen Aemtern erwarb er sich namhafte Verdienste um die Verwaltung und Befestigung der Stadt, und gelangte dadurch bald zu großem Einfluß bei den Ständen und bei dem Herzog Barnim VIII. von Pom. Barth, in dessen Bezirk Stralsund lag. Auch suchte er in den Streitigkeiten, die nach dessen Tode (1451) zwischen seinem Nachfolger Wartislaw IX. und Mecklenburg über die Mitgift von Barnim’s Nichte und Erbin, Katharina, v. m. Ulrich II. von Meckl.-Stargard, ausbrachen, gütlich zu vermitteln, zog sich jedoch dadurch, und weil der wider seinen Rath vom Herzog unternommene Krieg [93] (1452) für Pommern einen ungünstigen Ausgang nahm, sowie durch den Eifer, mit welchem er nach dem von Wartislaw IX. erlangten goldenen Privilegium (1452) die Rechte Stralsunds theils bewahrte, theils erweiterte, den erbitterten Haß des letzteren zu. Infolge dessen vereinigte sich der Herzog mit einer gegen V. wegen neuer Steuerausschreibung feindlich gesonnenen Partei dahin, daß man ihm während des Landtages (1453) die Thore öffnen und mit seiner Hülfe den Bürgermeister des Amtes entsetzen sollte. V. erhielt jedoch Kenntniß von dieser Verschwörung, und beschuldigte vor den zum Landtage versammelten Ständen Wartislaw und dessen vertrauten Anwalt, den Rügischen Landvogt Raven Barnekow, des Verrathes, daß er die Stadt Stralsund und deren Obrigkeit vergewaltigen wolle. Als nun der herzogliche Bevollmächtigte, sei es im Bewußtsein des Rechtes, oder zur Abwehr der gegnerischen Anklage, diese Beschuldigung bestritt, und vielmehr V. des Landesverrathes bezüchtigte, insofern er das Land Barth und die Stadt Stralsund unter die Oberlehnsherrschaft Mecklenburgs stellen wolle – wozu V. nach dem Privilegium des Herzogs Wartislaw IV. vom 3. December 1325, sobald dessen Nachfolger Gewaltthaten gegen die Stadt ausübte, berechtigt war, – ließ der Bürgermeister den Landvogt Raven Barnekow, nebst seinen Anhängern, durch die Rathsherrn Joh. Vorwerk und Rotg. Stenweg, als Beisitzer des Stadtgerichtes, verhaften und wegen Verraths in Anklage versetzen; der Herzog aber, welcher vor der Stadt auf das Oeffnen der Thore wartete, wurde durch einen Boten gewarnt, und stand fürs erste von einer offenen Fehde gegen V. und seine Anhänger ab. Jedoch verwandte er sich mit Eifer für seinen Vertrauten, und suchte ihn, wiewol vergeblich, der städtischen Justiz zu entziehen, und nur den fürstlichen Richterspruch für jenen als berechtigt darzustellen. V. hingegen, welcher Wartislaw als Barnekow’s Mitschuldigen betrachtete, hielt an dem Privilegium fest, daß der Stadt über die auf ihrem Gebiet begangenen Vergehen die Gerichtsbarkeit zustehe, und ließ an dem Landvogt, nachdem ihn die Gerichtsherren des Verrathes schuldig gesprochen hatten, die dafür übliche Strafe von Schleifung und Rad vollziehen; auch über seine Anhänger wurde theils der Tod, theils Gefängniß verhängt. Mochte aber V. diesen Spruch auch für ganz gerechtfertigt und für das Wohl seiner Vaterstadt nothwendig halten, so irrte er dennoch, namentlich weil er seine Macht und seinen Einfluß überschätzte. Er gerieth nämlich durch jenes Urtheil mit drei Gegnern in Kampf und Fehde: mit dem Herzog und dessen Räthen, mit der angesehenen Familie Barnekow, und mit einer ihm feindlich gesonnenen Partei in Stralsund. Auch die Vertreter der drei Städte Greifswald, Anklam und Demmin, welche Herzog Wartislaw, dem goldenen Privilegium gemäß, zur Vermittelung des Streites aufforderte, namentlich Bürgermeister Dr. Heinrich Rubenow (s. A. D. B. XXIX, 417), äußerten sich in dem betr. Zeugniß (17. August 1453) mißbilligend und abmahnend gegen Voge’s Plan, Stralsund von Pommern abzulösen, und einem anderen Herrn zu unterwerfen. Zugleich schädigten Barnekow’s Söhne Handel und Grundbesitz der Stadt durch Fehde, während die durch die Steuererhöhung erbitterten Bürger sich empörten, und nicht nur deren Abschaffung, sondern auch die Befreiung der von V. verhafteten Rathsherren Brand Ronnegarwe und Mathias Darne erlangten. Infolge dessen verließen V. und die beiden erwähnten Gerichtsherren die Stadt; letztere fielen dem herzogl. Vogt auf dem Dars in die Hände und wurden zur Sühne für Barnekow’s Tod auf gleiche Art hingerichtet; V. dagegen wurde vom Rathe verfestet, und suchte vergeblich, mit Hülfe des Königs Christian I. von Dänemark, dessen Gastfreundschaft er genoß, und des Kaisers Friedrich, die Wiedereinsetzung in seine Würden zu erlangen. Fürs erste war jedoch die Stimmung Stralsunds gegen ihn, vielmehr versöhnte sich der Rath mit dem Herzog und [94] unterstützte letzteren in einem neuen Kriege mit Mecklenburg; als dieser aber (1454) unglücklich ausfiel, und als dann gar in der Folge, nach Wartislaw’s IX. Tode, seine Söhne Erich II. und Wartislaw X. (5. October 1457) die vom Barther Markt heimkehrenden Stralsunder Kaufleute überfielen und plünderten, schlossen die vier Städte ein Bündniß (9. October) gegen die Herzoge, riefen am 11. März 1458 V. mit Ehren zurück und setzten ihn wieder in seine Bürgermeisterwürde ein. Während dessen dauerte die Fehde der Barnekows, sowie ihre Klage gegen Stralsund beim kaiserl. Kammergerichte fort, wurde jedoch, da der Stettiner Erbfolgekrieg (1464 ff.) mit Brandenburg alle Parteien milder stimmte, durch einen Vergleich (12. Juli 1470) beigelegt; demzufolge verzieh man auf allen Seiten die begangenen Gewaltthaten, jedoch wurde Barnekow’s Andenken durch ein ehrenvolles Begräbniß in der Nicolaikirche zu Greifswald und ein Kreuz auf der Richtstätte gesühnt; V. blieb im Amt und starb am 22. August 1475 im hohen Alter und allgemein geehrt, sein Haus gelangte an das Annenstift.

Dinnies, stem. Sund. – Pom. Gen. II, 80. – Grautoff, Lüb. Chron. II, 155 ff. – Strals. Chron. I, 197 ff. – Kantzow, h. v. Kos. II, 75 ff. – Bohlen, Bischofsroggen, 1850, S. 175 ff. – Fock, Rüg.-Pom. Gesch. IV, 152–196. – Pyl, Pom. Gesch. Denkm. III, 113; IV, 44–53. – Lisch, Urk. d. G. Behr, Nr. 212. – Poetisch ist O. Voge’s Leben dargestellt von Dr. Heinr. Kruse in dem Trauerspiel „Raven Barnekow“, 1880.