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Artikel „Erich II.“ von Gottfried von Bülow in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 6 (1877), S. 207–211, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Erich_II.&oldid=- (Version vom 22. Dezember 2024, 14:38 Uhr UTC)
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Erich II., Herzog von Pommern-Wolgast, dessen Geburtsjahr unbekannt ist, † 1474. war der älteste Sohn Herzogs Wartislav IX. († 17. April 1457) und der Sophia von Braunschweig († 1462). Schon zu Lebzeiten des [208] Vaters war er tief in die Händel verwickelt, welche dieses Fürsten Regierungszeit beunruhigten. Um bei dem bald zu erwartenden Tode des kinderlosen Herzogs Erich I., des vormaligen Beherrschers der drei skandinavischen Reiche, seinem Hause die Wolgaster Länder jenseit der Swine zu erhalten, heirathete E. II. durch väterliche Vermittlung 1451 dessen Erbin Sophia, die Tochter Herzog Bogislavs IX., und begab sich bald darauf selbst nach Hinterpommern, wo die preußisch-polnischen Händel Hoffnung auf große Gebietserweiterungen wach riefen. Dort hatte der alte König-Herzog Erich I. den dringenden Bitten des deutschen Ordens sein Ohr verschlossen, da er von einer Verbindung mit dem König Casimir von Polen sich größeren Vortheil versprach, und in der That genehmigte dieser gegen zu leistenden Beistand im Krieg mit dem Orden, daß am 3. Jan. 1455 die Schlösser Lauenburg und Bütow und das dazu gehörige Gebiet mit allen Rechten und Hebungen an E. II. auf Schloßglauben übergeben wurden, seit welcher Zeit dieselben mit Pommern und Deutschland verbunden geblieben sind. Die Aussicht, bei dieser Gelegenheit auch die Neumark für Pommern zu gewinnen, scheiterte zwar, aber auch den eingegangenen Bedingungen entzog sich E. II. und wurde, durch heimische Händel beschäftigt, der polnischen Sache bald ganz entfremdet. Diese Sinnesänderung mochte mit herbeigeführt sein durch einen Streit, in den die beiden Namensvettern miteinander gerathen waren. Entweder in der Meinung, daß es sich um ein Pfandgut handele, oder um dem jungen Herzoge Otto III. von Stettin für alle Fälle den Weg nach Hinterpommern zu verlegen, hatte E. II. die Herrschaft Massow in Besitz genommen und dadurch den alten Verwandten so erbittert, daß derselbe im Zorn ausrief: nicht E., sondern Otto solle sein Erbe sein. Es gelang zwar den Ständen, zwischen beiden Erichs am 16. Jan. 1457 zu Rügenwalde einen Vergleich herzustellen, aber die Ursache zu vielen späteren Wirren und verwandtschaftlichem Unfrieden ist in diesem unzeitigen Zufahren des noch nicht einmal zur Regierung gelangten E. II. zu suchen. – Nach des Vaters Tode theilte E. II. mit seinem jüngeren Bruder Wartislav X. das Erbe, indem er das eigentliche Herzogthum Wolgast mit den bisherigen Erwerbungen jenseit der Swine übernahm, während der Bruder mit Rügen und den Städten Stralsund, Barth, Triebsees und Grimmen abgefunden wurde. E. II. begann seine Regierung mit einer Unbesonnenheit; fremdes Recht nicht achtend jagte er auf der Feldmark Horst bei Greifswald und nahm sogar die Dienste der Bauern dabei in Anspruch, wurde aber von dem Pfandbesitzer, dem zeitigen Bürgermeister von Greifswald und Stifter der dortigen Universität, Heinrich Rubenow, der weit entfernt war, einen solchen Eingriff zu dulden und daher mit Greifswalder und Stralsunder Bürgern sich zusammenthat, am 5. August 1457 umstellt und entrann nur für seine Person mit Mühe der Gefangenschaft. Durch die daraus folgenden, für die herzoglichen Brüder wenig rühmlichen Streitigkeiten wurde zwar in den beiden Städten Greifswald und Stralsund ein häßliches Parteigetreibe wieder wach, dem wenn auch erst einige Jahre später der treffliche Rubenow zum Opfer fiel, E. II. gegenüber aber hielten die vier von Alters verbundenen vorpommer’schen Städte Greifswald, Stralsund, Anclam und Demmin fest zusammen, der Herzog mußte noch vor Ende des Jahres ihrem Spruch sich fügen und allen Schaden ersetzen. Im Sommer 1429 starb der König-Herzog Erich I. zu Rügenwalde, seine aus besserer Zeit ihm gebliebenen ungeheuren Schätze an goldenen und silbernen Kleinodien und kostbaren Steinen, von denen noch der spätere Chronist Kantzow theils aus eigener Anschauung berichtet, erbte Erichs II. Gemahlin Sophia, dieser selbst aber eilte sofort nach Hinterpommern, um sich den Besitz des Landes zu sichern. Von den Ständen, die sich hier zum ersten Mal das Recht ausbedangen, vor Beginn eines Krieges um ihre Zustimmung befragt zu [209] werden, am 16. Juni zum Landesverweser erwählt, beleidigte er durch abermaliges vorschnelles Handeln den Bruder und mitberechtigten Gesammthänder Wartislav X. derartig, daß dieser, auch seinerseits das persönliche Interesse über das Wohl des Ganzen stellend, am 6. Sept. 1459 zu Angermünde mit den gemeinsamen Gegnern, dem Vetter Otto III. vom Hause Stettin und dessen Vormund, Kurfürst Friedrich II. von Brandenburg, zusammenkam und für des letzteren Hülfe seinen Antheil an Pasewalk und Torgelow verpfändete. Die schweren Kämpfe, die Pommern in den folgenden Jahrzehnten mit Brandenburg zu bestehen hatte, haben ihren Ursprung in dieser That, durch welche Wartislav X. dem alten Feinde seines Landes die Hand bot zum Bunde gegen den Bruder; die Verantwortung dafür aber trifft in höherem Grade doch E. II. Unterblieb nun zwar auch der offene Kampf zwischen den Gevettern, so war das Land von einem Ende zum anderen doch zwei Jahre lang in heilloser innerer Fehde, zu der sich noch von außen die Noth gesellte, daß König Casimir von Polen in die östlichen Grenzen einfiel. Da erst fügte sich E. II. dem durch den Kurfürsten 1461 zu Prenzlau gemachten Vermittlungsvorschlage, durch den der vordere westliche Theil von Hinterpommern, Stargard, Wollin und Cammin umfassend, an Otto III. fiel, während E. II. und Wartislav X. gemeinsam den östlichen Theil bis an die pomerellische Grenze erhielten. Bald sollten sich den durch gegenseitiges Mißtrauen auch jetzt noch getrennten Brüdern noch größere Aussichten eröffnen, als in der großen Pest des Jahres 1464 der junge Herzog Otto III. von Stettin als Letzling seines Stammes starb. Die Lage der Wolgaster Agnaten war zwar anfangs keine erfreuliche; die Frage, ob bei Veränderungen im Gesammthandsverhältniß die Zustimmung der Verwandten nothwendig sei oder nicht, war vom Kaiser zu wiederholten Malen je nach Umständen in widersprechender Weise beantwortet worden, und die verwandtschaftlichen Verhältnisse zum ausgestorbenen Hause waren durch mehrfache Heirathen in verbotenen Graden sehr verdunkelt. Hatte doch, von früheren Fällen dieser Art ganz abgesehen, E. II. die Tochter des Vetters seines Vaters, und Wartislav X. die Mutter des eben gestorbeuen Vetters und gleichzeitige Schwägerin des Kurfürsten Friedrich II. des Hohenzollern, zur Frau. Dieser letztere hatte in kluger Voraussehung die alten Ansprüche des Hauses Brandenburg noch durch eine im J. 1461 vom Kaiser erwirkte Anwartschaft auf das eröffnete Herzogthum vermehrt, und besaß namentlich in der Stadt Stettin selbst eine so mächtige Partei, daß bei der Bestattungsfeierlichkeit in der St. Ottokirche einer seiner Anhänger, der Stettiner Bürgermeister Albrecht Glinde, es wagen konnte, dem Verstorbenen Helm und Schild ins Grab nachzuwerfen zum Zeichen, daß kein Erbe da sei. Ein wolgastisch gesinnter Edler jedoch, v. Eickstedt, sprang alsbald hinab und holte beides mit den Worten wieder heraus: „Nicht also, wir haben noch eine geborene, erbliche Herrschaft, die Herzoge von Wolgast, ihnen gehört Schild und Helm!“ Die Gefahr ließ die Brüder allen Unfrieden unter sich und mit ihren Städten vergessen und vereinigte sie seit langer Zeit zum ersten Mal zu gemeinsamem Handeln in so wichtiger Sache; aber gleich ihnen sandte auch Kurfürst Friedrich II. nach Stettin mit der Mahnung, keinem Andern die Huldigung zu leisten. Pommer’sche Chronisten berichten auch hier von verrätherischem Treiben, so von der nächtlichen Zusammenkunft unter der Kirchhofslinde zu Schillersdorf, wobei die märkisch Gesinnten dem Kurfürsten nur scheinbaren Widerstand zu leisten und ihn schließlich in Stettin selbst einzulassen versprachen. Stettin sollte zum Lohn dafür zur freien Reichsstadt unter märkischem Schutze erhoben und mehrere der kleineren Städte ihm zum Eigenthum überwiesen werden. Ein nach heftigem Schriftwechsel am 21. Jan. 1466 zu Soldin getroffener [210] Vergleich, nach welchem die Stettiner Stände beiden Theilen huldigen und die Herzoge das Land vom Kurfürsten zu Lehn erhalten sollten, erhielt nicht die Billigung des Kaisers, und nach umfassenden Rüstungen von Seiten Friedrichs II., denen E. II. und Wartislav X. nichts gleiches entgegenzusetzen vermochten, denn 13 Reichsfürsten standen mit den Märkern ihnen gegenüber, begann im Sommer 1468 die offene Fehde damit, daß die Verbündeten von Süden und Westen her vorrückten. Die Mecklenburger zogen längs der Tollense nach Treptow zu, der Kurfürst übernahm von der Randowniederung aus den Angriff, gewann Vierraden und Löckenitz, die oft umworbenen Grenzfesten, während Garz ihm freiwillig die Thore öffnete und daher noch auf langehin in den Seestädten den Vorwurf hören mußte, daß seine Bürger „Eulen und Verräther“ seien. Stettin, das am 1. Mai 1467 beiden Herzogen die Erbhuldigung trotz ernster Abmahnungen Friedrichs geleistet hatte, suchte dieser durch nächtlichen Ueberfall zu gewinnen, wobei Glinde’s Name wiederum eine bedenkliche Rolle spielt. Der Anschlag mißlang jedoch, und auch im J. 1469 war das Glück ihm nicht hold, denn die mit einem ungewöhnlichen Aufgebot von Artillerie unternommene Belagerung von Uckermünde scheiterte an der muthigen Haltung der von seewärts her durch die Nachbarstädte kräftig unterstützten Bürger, von deren muthiger Vertheidigung die Sage erzählt. Damit ihm der Rückweg nicht verlegt würde, mußte Friedrich mit Verlust des größten Theiles der Steinbüchsen am 15. Aug. die Belagerung schleunigst aufheben und, von Wartislav X. hart verfolgt, in die Uckermark zurückeilen; E. II. aber führte während dessen einen fürchterlichen Verwüstungszug in die Neumark aus, und die pommersche Sache konnte sich großen Triumphes rühmen. Es haben denn auch die Kämpfe dieser Periode ihre Verherrlicher in Prosa und Poesie gefunden, und ihr Andenken hat sich dem Bewußtsein des Volkes für lange Zeit tief eingeprägt. E. II. und Wartislav X. sahen sich in diesem Kriege wirksam von ihren Städten, namentlich den Seestädten, unterstützt und belohnten dieselben durch Beseitigung alten Haders, so namentlich in Stralsund und Colberg; aber auch mit geistigen Waffen hatten sie ihr Recht durch die Juristen der jungen Greifswalder Universität, unter denen Matthias v. Wedel hier genannt werden muß, zur Verwunderung des Gegners nachdrücklich zu vertheidigen gewußt; endlich jedoch führte beiderseitige Ermattung zum Frieden. Kurfürst Friedrich II. hatte gebeugten Muthes die Regierung seinem Bruder Albrecht Achilles übergeben, und zwischen diesem und E. II. Verhandlungen anzuknüpfen, gelang nunmehr den Bemühungen des Königs von Polen. Am 31. Mai 1472 führten dieselben zum Frieden von Prenzlau, in welchem Brandenburg die ihm nach wenig Jahren schon wieder streitig gemachte Lehnshoheit zugesagt erhielt. Ein wirklicher Gewinn für die Gegenwart war dies kaum zu nennen, mehr nur eine Anweisung auf die Zukunft, die erst nach mehr als anderthalb Jahrhunderten fällig wurde. Für die Gegenwart blieb der Besitz den pommerschen Herzogen, in deren Händen jetzt das ganze Pommern von der mecklenburgischen bis zur preußischen Grenze vereinigt war. Noch wenige Jahre, und Erichs II. großer Sohn Bogislav X. vereinte alle Länder des Greifenstammes unter einem Herrscher.

E. II. starb am 5. Juli 1474 an einer pestartigen Krankheit und wurde im Kloster Eldena begraben. Er wird als ein schöner Mann von hohem Wuchs und einnehmenden Zügen geschildert, dem langes goldiges Haar in Locken bis auf die Hüften herabwallte. Sein Charakter war leidenschaftlich wild auffahrend, zu Gewaltthaten geneigt (der durch gebrochenes Geleit herbeigeführte sogenannte „Kauf auf dem schnellen Markte“ zu Barth 1457 war nichts anderes als Wegelagerei), und seine Regierungszeit gehört zu den unruhigsten, die Pommern erlebt hat. Es begann in derselben jener Zersetzungsproceß, dem die [211] mittelalterlichen Bildungen um diese Zeit überall anheimfielen, und den ein Herrscher von mehr Staatsklugheit als E. II. ganz anders zur Feststellung seiner Macht benutzt haben würde. Er aber wurde trotz seines gewaltthätigen Zufahrens namentlich der Städte nicht Herr; Colberg lag mit dem Adel in Fehde, Lauenburg wurde von den Bürgern Danzigs besetzt, Anclam kämpfte mit dem mächtigen Geschlecht der Schwerine, und „die Barnekow’schen Händel“ in Stralsund äußerten ihre Wirkung weit über die Grenzen der Stadt hinaus. – Zu seiner Vermählung mit Sophia, der Tochter Herzog Bogislavs IX. und der slavischen Prinzessin Maria, hatte politische Rücksicht ihn geleitet, das eheliche Verhältniß aber war ein höchst trauriges; Sophia war der polnischen Heimath innerlich zugeneigt und verletzte den Gatten durch ihre Herrschbegier, in der sie als Erbin Erichs I. sich als die eigentliche Herrin Pommerns betrachtete. Während E. II., wenn der Krieg ihm Ruhe gönnte, zu Wolgast residirte, lebte Sophia auf dem ererbten Schlosse zu Rügenwalde in Hinterpommern in verbotenem Umgang mit ihrem Hofmeister Hans v. Massow, im Haß gegen den Gemahl die eigenen Kinder vernachlässigend, wie Bogislavs X. Jugendgeschichte beweist. Sie überlebte den Gatten lang und starb erst im J. 1497. Von Erichs II. Kindern erreichten zwei Söhne das mannbare Alter nicht, die übrigen sind Bogislav X., den der Vater, um die polnische Freundschaft zu gewinnen, an den Hof König Casimirs gegeben zu haben scheint; Casimir VII.; Elisabeth, Priorin des Klosters Verchen († 1516); Sophia und Margaretha, die erstere mit Herzog Magnus II., die letztere mit Herzog Balthasar von Schwerin vermählt; Katharina, Gemahlin Herzog Heinrichs I. von Wolfenbüttel, und Maria, Aebtissin des Klosters Wollin († 1512).

Kantzow, Chronik von Pommern; Barthold, Geschichte von Rügen und Pommern; Fock, Rügensch-pommersche Geschichten; Hering, Das gestörte Jagdplaisir; Kgl. Archiv in Stettin.