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Artikel „Veith, Johann Emanuel“ von Franz Heinrich Reusch in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 39 (1895), S. 553–555, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Veith,_Johann_Emanuel&oldid=- (Version vom 22. Dezember 2024, 11:05 Uhr UTC)
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Veith: Johann Emanuel V., katholischer Theologe und berühmter Kanzelredner, geboren zu Kuttenplan in Böhmen am 10. Juli 1787, † zu Wien am 6. November 1876. Er erhielt den ersten Unterricht zu Klattau, wohin seine Eltern, als er sechs Jahre alt war, verzogen, vorzugsweise von dem dortigen israelitischen Lehrer, da ihn sein Vater, Baruch V., zum Rabbiner bestimmt hatte, wurde aber auch von dem Director der Normalschule in den Gymnasialfächern unterrichtet. Im Herbst 1801 kam er auf das akademische Gymnasium zu Prag und nachdem er dasselbe absolvirt hatte, machte er von 1803 an den dreijährigen philosophischen Lehrcurs an der dortigen Universität durch. Anton Günther, mit dem er später so enge verbunden war, war dort sein Mitschüler, ohne ihm näher zu treten, 1807 begann er zu Prag das Studium der Medicin, das er von Herbst 1808 an auf der Universität zu Wien fortsetzte, wo er zugleich die Vorlesungen an dem Thierarznei-Institut besuchte, dessen Pensionär er 1811 wurde. 1812 wurde er Doctor der Medicin, 1813 Correpetitor an dem mittlerweile mit der Universität verbundenen Thierarznei-Institut, 1816 provisorischer Director und erster Professor, 1819 wirklicher Director desselben, 1814 veröffentlichte er den ersten Band eines „Grundrisses der allgemeinen Pathologie und Therapie“ (1815), eine deutsche Bearbeitung seiner Doctordissertation über die in Oesterreich wachsenden Arzneigewächse, 1817 ein „Handbuch der Veterinärkunde“, von dem 1840 die vierte Auflage erschien. Auch als Geistlicher setzte V. seine botanischen und medicinischen Studien und die ärztliche Praxis fort, seit 1823 als Homöopath. 1832 erschien von ihm ein Aufsatz über die „Heilung und Prophylaxis der asiatischen Cholera“ und 1834 ein „Abriß der Kräuterkunde für Thierärzte und Oekonomen“.

Am 4. Mai 1816 ließ sich V. taufen und entschloß sich nun unter dem Einflusse des Redemptoristen Clemens Maria Hoffbauer (s. A. D. B. XII, 565) Geistlicher zu werden. Er hörte von 1817 an theologische Vorlesungen, erhielt am 8. September 1820 die erbetene Entlassung als Director des Thierarzneiinstituts, wurde am 26. August 1821 zum Priester geweiht und erhielt am 17. September 1821 von der Regierung die Erlaubniß zum Eintritt in den Redemptoristenorden. Er wirkte als Redemptorist als Prediger und Missionar in Wien und Steiermark, trat aber am 10. April 1830 aus dem Orden wieder aus und wurde nun zunächst Cooperator an der Pfarrkirche zu den neun Engelchören am Hof. – 1819 bis 1828 arbeitete V. fleißig für die von ihm und seinem Ordensgenossen Anton Passy (s. A. D. B. XXV, 216) begründete erbauliche [554] Zeitschrift „Oelzweige“, gab 1823 mit Zacharias Werner das Taschenbuch „Balsaminen“ heraus, 1828 mit J. P. Silbert (s. A. D. B. XXXIV, 316) den „Boten von Jericho“ und 1823 das „Denkbüchlein vom Leiden Christi“, 1826 „Beherzigung des Wissenswerthesten vom Ablaß und Jubiläum“, 1829 das Gebetbuch „Jesus meine Liebe“, 1832 ein anderes, „Erkenntniß und Liebe“.

Von 1826 an bis 1844 hielt V. regelmäßig in verschiedenen Kirchen Wiens Fastenpredigten, die er später in einer Serie von 15 Bänden veröffentlichte. 1826 behandelte er „Die Leidenswerkzeuge Christi“, 1830 das „Vaterunser“, 1831 „Die heiligen Berge“ u. s. w. Im September 1831 hielt V. eine Predigt über „die Cholera im Lichte der Vorsehung“. In demselben Monate wurde er zum zweiten Domprediger ernannt und hatte nun abwechselnd mit dem ersten Domprediger ein Jahr an den Sonntagen, ein Jahr an den Festtagen zu predigen. Um diese Zeit trat er in ein inniges Verhältniß zu Anton Günther, dessen theologische und philosophische Anschauungen nun auch vielfach in seinen Predigten zum Ausdruck kamen. Im Februar 1845 wurde V. wegen Kränklichkeit von dem Amte eines Dompredigers entbunden; die Regierung bewilligte ihm eine Pension von 800 Gulden. V. fuhr aber auch nach 1845 fort, fleißig zu predigen, hielt namentlich fast jedes Jahr in einer Wiener Kirche die Fastenpredigen.

Im J. 1834 erhielt V. einen Ruf als Professor der Theologie nach München. Er lehnte ab. Ebenso 1846 eine Stelle im Domcapitel zu Freiburg, die ihm Staudenmaier anbot. Im Februar 1847 wurde er auf den Antrag des Cardinals Schwarzenberg zum Ehrendomherrn in Salzburg ernannt, 1848 in Prag und 1851 in Wien zum Ehrendoctor der Theologie. Im J. 1848 betheiligte sich V. lebhaft an den Bestrebungen des Katholikenvereins in Wien, gab auch von Juli bis October im Verein mit M. A. Becker und J. P. Kaltenbäck ein Wochenblatt „Aufwärts“ heraus. Im Herbst 1848 hielt er Predigten über „Die katholischen Grundwahrheiten“, gegen die Deutschkatholiken, und 1849 die „politischen Passionspredigten“. Am 21. October 1848 überreichte Sebastian Brunner an der Spitze einer Deputation der Wiener Geistlichen V. einen silbernen Pocal, mit der Inschrift: Praeconi verbi divini … clerus Viennensis dedicat 1848. Im August 1850 siedelte V. auf eine Einladung des Cardinals Schwarzenberg nach Prag über, wo er bis 1855 seinen Wohnsitz behielt. Auch in diesen Jahren hielt er viele Predigten und Vorträge, seit 1853 auch Exercitien in vielen Mannes- und Frauenklöstern und geistlichen Lehranstalten.

Durch ein Decret vom 20. Februar 1857 wurden neun Werke A. Günther’s, darunter die fünf 1849 bis 1854 erschienenen Bände von „Lydia. Philosophisches Taschenbuch als Seitenstück zu A. Ruge’s Akademie, herausgegeben von A. Günther und J. E. Veith“ in den Index gesetzt, das Decret wurde vor der Publication Günther mitgetheilt. Er richtete unter dem 10. Februar ein von Veith redigirtes Schreiben an den Papst, welches zur Folge hatte, das dem Decrete statt der stereotypen Formel: Auctor laudabiliter se subjecit et opera reprobavit, die andere beigefügt wurde: Auctor datis literis ad Pium IX. ingenue, religiose ac laudabiliter se subjecit (ohne et opera reprobavit). Vgl. Reusch, Index II, 1113.

Am 28. Juni 1863 hielt V. seine letzte Predigt. Durch befreundete Damen wurde es ihm, obschon er in den letzten Jahren fast blind und fast taub war, möglich gemacht, seine Studien und seine schriftstellerische Thätigkeit in einem beschränkten Maaße fortzusetzen. Am 3. September 1871 feierte er sein fünfzigjähriges Priesterjubiläum. Er erhielt bei dieser Gelegenheit von dem Kaiser das Comthurkreuz des Franz-Josefordens, von dem Wiener Stadtrathe das Ehrenbürgerrecht (von demselben 1875 die große goldene Salvatormedaille). Noch 1874 erschienen von V. „Dikaiosyne. Die Epistelreihe des Kirchenjahres [555] in ihrem Verhältnisse zu den Evangelien“, und „Wintergrün. Gedichte, Geschichten und Reime“, – eine ähnliche Sammlung war unter dem Titel „Stechpalmen“ in zwei Bänden, 1871 und 1873, erschienen, – und 1875 „Christus gestern, heute, ewig. Gebet- und Erbauungsbuch“. In den letzten Monaten arbeitete er an einer Uebersetzung und Erklärung der Bücher Koheleth und Hoheslied. Die Arbeit war fast vollendet, als V. am 6. November 1876 an Altersschwäche starb. Sie wurde von den Domherren Gruscha (dem jetzigen Cardinalerzbischof) und Zschokke herausgegeben. V. wurde auf dem Matzleinsdorfer Friedhofe neben seinen Freunden A. Günther und L. Greif bestattet.

Von den Schriften Veith’s, die noch nicht erwähnt wurden, sind zunächst drei Sammlungen zu nennen, die sich den Fastenpredigten anschließen: „Homiletische Vorträge für Sonn- und Festtage“, 7 Bände, 1845–55; „Homilienkranz für das katholische Kirchenjahr“, 5 Bände, 1837–44; „Homiletische Werke“, 16 Bände. Zu der dritten Sammlung gehören u. a.: „Zwölf Stufenpsalmen“, 1863; „Die Anfänge der Menschenwelt“, 1865; „Prophezie und Glaube“, 1865; „Meditationen über den 118. Psalm“, 1866; „Hundert Psalmen“, 1868. Neben den Erbauungsschriften ist noch zu erwähnen: „Die geistige Rose. Erläuternder Text zu den Federzeichnungen von Josef Führich“, 1844 (s. A. D. B. VIII, 185). Sehr interessante Auszüge aus Briefen von V., in denen er sich entschieden gegen die Beschlüsse des Vaticanischen Concils von 1870 ausspricht, sind von Professor P. Knoodt in dem „Deutschen Merkur“ 1877, Nr. 1 ff. veröffentlicht worden.

Lindemann charakterisirt in seiner Litteraturgeschichte V. als Prediger nur unvollkommen, wenn er sagt, er „vereinige in sich die gesunden Elemente eines Abraham a Sancta Clara in zeitgemäßer Erneuerung“. Christlieb sagt in der Geschichte der christlichen Predigt (in der Realencyklopädie für protestantische Theologie XVIII, 652) von V.: „Im Stil rhetorisch, aber nicht überladen, natürlich, klar, mit hübschen Vergleichen aus der Geschichte, überhaupt bilderreich, dabei gewandter Polemiker, in der Disposition immer einfach, ist dieser Redner, der oft sagte: Das Evangelium muß ganz neu gepredigt werden [V. führt dieses wiederholt als Ausspruch Hoffbauer’s an], vor vielen Neueren meist auch für uns Protestanten genießbar.“

J. H. Löwe, Johann Emanuel Veith. Eine Biographie. Wien 1879. – Wurzbach L, 81. – M. Brühl, Geschichte der kath. Literatur Deutschlands. S. 402.