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Artikel „Tribbechow, Johannes“ von Albert Schumann in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 38 (1894), S. 598–601, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Tribbechow,_Johannes&oldid=- (Version vom 24. April 2024, 14:04 Uhr UTC)
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Tribbechow: Johannes T., latinisirt Tribbechovius, geistlicher Liederdichter, geb. am 4. October 1677 in Gotha, das zweite von neun Kindern und der älteste Sohn des dortigen Generalsuperintendenten Adam T. (s. o.) und der Sophie Elisabeth geb. Gießbach, mit der sich sein Vater nach dem Tode ihres ersten Gatten, des Landkircheninspectors Thomas v. Aussen, am 10. August 1675 vermählt hatte, wuchs seit dem zehnten Altersjahre unter der sorglichen Leitung der Mutter auf und genoß in dem heimathlichen Gymnasium den Unterricht vorzüglicher Lehrer, wie des Historikers Wilh. Ernst Tenzel, der Kirchenliederdichter Cyriacus Günther und Joh. Heinr. Rumpel, des Rectors Georg Heß und zuletzt noch des neuberufenen Professors und nachherigen Rectors Gottfr. Vockerodt (s. d.). Wie vordem sein Vater ein frühreifer Knabe („ingenium [599] praecox“), durchlief er die acht Classen der Landesschule in schneller Folge: am 23. April 1683 als Fünfjähriger in die Septima aufgenommen, befand er sich am 13. Juli des nämlichen Jahres schon in der Sexta, übersprang die Quarta und ging im Herbst 1694 aus der Selecta ab, um die Universität Halle zu beziehen, wo er, am 19. October 1694 immatriculirt, philosophische und theologische Vorlesungen hörte und unter dem Einflusse der Professoren P. Anton, J. J. Breithaupt und A. H. Francke sich dauernd der pietistischen Richtung zuwandte. Seit dem 19. Juli 1698 setzte er seine Studien in Jena fort, erwarb sich die Magisterwürde, ward 1699 Adjunct der philosophischen Facultät und entwickelte überdies eine eifrige litterarische Thätigkeit. Er schrieb und vertheidigte die Dissertationen „de Rechabitis“ (1698), „de lectione fontium, ut vulgo appellatur, cursoria“ (1699) und die „Summa Naturalismi“ (30. Sept. 1699), durch welche er sich die Berechtigung zu Vorlesungen erwirkte und zudem die bevorstehende Herausgabe der „Historia Naturalismi“ aus dem väterlichen Nachlasse ankündigte (1700 erschienen). Nachdem er noch in Jena die von vier sachbezüglichen Beilagen begleiteten „Brevia linguae ῥωμαϊϰῆς seu graecae linguae vulgaris Elementa“ (1705; Vorrede vom 20. Oct. 1704) veröffentlicht hatte, schloß er dann in Halle auf einmal seine gelehrte schriftstellerische Thätigkeit mit den drei Dissertationen „de vita et scriptis Clementis Alexandrini“ (1706). Dorthin hatte man ihn am 27. April 1705 zum außerordentlichen Professor der Philosophie und zum Adjuncten der theologischen Facultät berufen. Als Nachfolger des älteren Thomas sollte er vornehmlich Logik und Metaphysik lehren, sah sich aber durch Kränklichkeit in seinem Wirken vielfach gehemmt und übernahm wohl darum im J. 1707 – nach den Quellen von Hiob Ludolf empfohlen, der doch bereits am 8. April 1704 gestorben war! – das Amt eines Hofpredigers und Beichtvaters beim Prinzen Georg von Dänemark, dem Gemahle der Königin Anna von Großbritannien, und verblieb nach dessen Tode (1708) noch ferner im Dienste der Witwe. In ihrem Auftrage bearbeitete er ein Gebetbuch für die zerstreuten Pfälzer und versah es mit einer ausführlichen Vorrede. Obwohl 1710 in Magdeburg als Klosterpropst zu Unserer Lieben Frauen gewählt und vom preußischen König Friedrich I. als solcher bestätigt, vermochte er die neue Würde doch niemals anzutreten; denn als er aus England vorerst nach Halle zurückgekehrt war, befiel ihn eine nicht mehr weichende Gemüthskrankheit. Sie begann mit dem Gefühle großer Angst und äußerte sich zudem hin und wieder in Paroxysmen. Die Zeitgenossen schreiben sie einem Liebestranke (philtrum) zu, den man ihm vor seinem Weggange von London gereicht haben soll, und nennen als Thäterin eine ihm leidenschaftlich ergebene Kaufmannstochter, in deren Hause er gewohnt und der er wiederholt erklärt hatte, daß er unvermählt zu bleiben gedenke. Sieht man von dem abenteuerlichen Liebestranke ab, so ergeben sich als natürliche Ursachen seines Leidens: eine unbezwingliche Sehnsucht und der Widerstreit zwischen Neigung und bestimmt ausgesprochenem Vorsatze. Fortan lebte er unter frommen Betrachtungen und häufigem Gebete noch etwa zwei Jahre in Halle, spendete den Armen öfters Geld und ließ für sie, auch wenn er selber fastete, Speisen zurichten. Er verfaßte damals fünf geistliche Lieder – das dritte am 4. October 1710, seinem 34. Geburtstage –, welche das u. a. „Liebes- und Ehren-Gedächtniß“ in nachstehender Reihenfolge zuerst mitgetheilt hat: 1. Vom Geheimnis des Creutzes und geistlichen Kampf („O du Hüter Israels, Willtu dich nicht lassen finden“: 14 achtzeilige Strophen), von Zinzendorf sehr geschätzt und in der Vorrede zum Herrnhuter Gesangbuch „ein erstaunliches Lied“ genannt; 2. Abend-Lied („Ein köstlich Ding ist singen: 8 sechszeil. Str. nach der Melodie: „Nun ruhen alle Wälder“); 3. Lied auf Seinen Geburts-Tag („Gott, du bist’s, der mich erschaffen“: [600] 11 achtzeil. Str.); 4. Morgen-Lied ( „Herr, ich will dir frühe singen“: 7 neunzeil. Str.) und 5. Wider böse Sorgen und Gedancken („Seele, warum plagst du dich“: 10 sechszeil. Str.). Mit Uebergehung des zweiten wiederholte sie dann J. A. Freylinghausen in seinem „Neuen Geist-reichen Gesang-Buch (1714), worauf sie sich, namentlich das erste und dritte, allmählich in andere Liedersammlungen verbreiteten. – Ein mit T. begonnener Heilversuch, dessen glücklichen Fortgang man von der Pflege seiner Mutter erhoffte, veranlaßte im März 1712 seine Ueberführung nach deren Wohnorte, dem kursächsischen Tennstädt. Dort erfreute er sich noch an dem vom Thurme geblasenen Choral: „Herzliebster Jesu, was hast du verbrochen“, endete aber bereits am folgenden 31. März, nachdem er zuvor noch Hände und Füße kreuzweise übereinander gelegt hatte. Hallische Freunde und Verehrer stifteten seinem Andenken das erwähnte und sonst immer nur mit Berufung auf Wetzel angeführte litterarische Denkmal. Es enthält (Bl. 2 a–9 a) folgende Beiträge: ein lateinisches Gedicht biographischen Inhalts in 20 Distichen von J. J. Breithaupt, eine prosaische Zuschrift des Professors Paul Anton an den Glauchaer Diaconus Joh. Hieron. Wiegleb, ein „Christliches Trost-Schreiben“ des letzteren an die trauernde Mutter und sieben deutsche Gedichte, als deren Verfasser sich nennen: A. H. Francke, der Professor Joh. Heinr. Michaelis, J. A. Freylinghausen (sein bekanntes Kirchenlied über den 25. Psalm: „Mein Geist, o Herr, nach dir sich sehnet“), der Adjunct der philosophischen Facultät Chrn. Benedict Michaelis, der Glauchaer Inspector Hieron. Freyer, der Student der Theologie Simon Heinr. Kleimann und der Zögling des Glauchaer Pädagogiums Joh. Andreas Wiegleb. Dann folgen nach einer „Erinnerung an den Leser“ (Bl. 9 b) anhangsweise noch 22 lateinische Meditationen Tribbechow’s über Kirchenlieder und Stellen des Alten und Neuen Testamentes (Bl. 10 a–14 a; die 1. und 5. Meditation über „Meine Seele, willtu ruh’n“ und „Zeuch meinen Geist, triff meine Sinnen“ auch bei Wetzel abgedruckt) und endlich (Bl. 14 a–16 b) die genannten fünf Lieder des Verstorbenen. Außerdem widmete der Eisenberger Superintendent Elias Tömlich, der vormalige Gatte von Tribbechow’s ältester Schwester Anna Barbara († 1707), seiner Schwiegermutter noch ein Trauergedicht in dem Einzeldrucke: „GOttes Wohlmeynen unter dem Creutz“ (Eisenberg o. J.; 2 Bll. Fol.). Was die letztere betrifft, so hat sie, ohnehin durch den Verlust von fünf Töchtern schwer gebeugt, ihren Sohn nur bis zum 4. Juni 1713 überlebt. Sie starb in Gotha, 58 Jahre alt, und fand ihre Ruhestätte auf dem dortigen ältesten Friedhofe.

Christschuldiges Liebes- und Ehren-Gedächtniß, Dem weyland … Herrn Johann Tribbechoven … Nach Dessen zu Tännstädt in Thüringen am 31. Martii 1712. erfolgtem Seligen Absterben Mitleidend ausgerichtet Von Innen benandten Gönnern und Freunden. Halle o. J. (1712.) Fol. (Herzogl. Bibliothek zu Gotha.) – J. C. Wetzel, Lieder-Dichter, 3. Thl. (1724), S. 316–324. – Zedler’s Universal-Lexicon, 45. Bd. (1745), Sp. 581; von Jöcher, 4. Thl. (1751), Sp. 1312, mit geringen Aenderungen wiederholt. – Chrph. Sachse, Onomasticon literarium, Pars VI. (1788), S. 608. – G. L. Richter, Lexikon alter u. neuer geistl. Liederdichter (1804), S. 413 f. – E. E. Koch, Kirchenlied, 3. Aufl., 4. Bd. (1868), S. 377–380. – C. Kehr, Der christl. Religions-Unterricht in der Volksschule, 2. Thl., 2. Aufl., Gotha 1870, S. 359 f. – A. Fr. W. Fischer, Kirchenlieder-Lexicon, 2. Hälfte (1879), S. 479 b und unter den einzelnen Liederanfängen. – Vgl. auch: Joh. Chrn. Bachov, Tractatus juridico-historicus de sepulcris, coemeteriis aliisque rebus sacris, Gotha 1715, S. 285 (Grabschrift der Sophie Elisabeth T.). – (J. G. Brückner), Kirchen- u. Schulenstaat im Herzogth. Gotha, [601] II. Thl., 12. Stück, Gotha 1760, S. 68, Anmerk., u. S. 77. (Das unrichtige Geburtsjahr 1678 – ohne Tag –, zuerst von Zedler genannt, wiederholt sich in allen folgenden Quellen, während ihnen Brückner’s bestimmtes und zuverlässiges Datum entgangen ist.) – Fischer, a. a. O. II, 58 b (Freylinghausen’s o. a. Lied, doch ohne Hinweis auf den ersten Druck). – W. Schrader, Geschichte der Friedrichs-Universität Halle, Berlin 1894, 1. Bd., S. 142 u. 2. Bd., S. 561. – Außerdem gef. Mittheilungen der Herren: Prof. Dr. R. Ehwald u. Bibliothekar Dr. H. Georges in Gotha, Privatdocent Dr. F. Heuckenkamp in Halle u. Oberbibliothekar Dr. K. K. Müller in Jena. (In Goedeke’s Grundriß fehlt T.)