ADB:Thurn-Valsassina, Georg von

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Artikel „Thurn und Valsassina, Georg von“ von Carl von Duncker in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 38 (1894), S. 224–226, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Thurn-Valsassina,_Georg_von&oldid=- (Version vom 15. November 2024, 10:20 Uhr UTC)
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Thurn: Georg v. Th. und Valsassina, kais. österr. Feldzeugmeister, Großkreuz des Leopolds-, Commandeurkreuz des Militär-Maria-Theresien-Ordens, geboren am 3. Januar 1788, † am 9. Februar 1866. Ein Sohn des am 8. Juni 1790 vor Giurgewo gefallenen Generalmajors Graf Franz Joseph Thurn, begann er im J. 1808 seine Militärlaufbahn beim Klagenfurter Landwehrbataillon, machte den Feldzug 1809 als Hauptmann mit, verließ aber nach dem Frieden den Dienst und trat 1813, als Oesterreich wieder waffnete, neuerdings, und zwar als Oberlieutenant bei dem 4. Jägerbataillon ein, ward jedoch bald darauf in das neu organisirte Fenner’sche Jägercorps eingetheilt. Er kämpfte im J. 1814 in Italien und erhielt für seine vorzügliche Verwendung das Ritterkreuz des Leopoldordens.

Im Feldzuge 1815 stand er beim Stabe des Neipperg’schen Corps in Verwendung und zeichnete sich an der Spitze der Avantgarde, welche aus zwei Zügen Lichtenstein- (Nr. 7) und einem Zuge Prinz Regent-Husaren (Nr. 5) bestand, bei Pesaro durch hervorragende Kühnheit derart aus, daß er in der Nacht vom 28. zum 29. April in die vom Feinde besetzte Stadt eindrang, 400 Gefangene machte und außerdem eine in der Nähe lagernde 10000 Mann starke feindliche Armeeabtheilung durch dies Wagestück in Verwirrung brachte und zum Rückzuge [225] nöthigte. Diese tapfere That brachte dem Hauptmanne Grafen Thurn das Ritterkreuz des Maria-Theresien-Ordens.

Nach dem Friedensschlusse ward Th. zum Major beim Infanterieregimente König Wilhelm der Niederlande (Nr. 26) befördert und als erster Legationssecretär der k. k. Gesandtschaft zu St. Petersburg beigegeben; später versah er länger als ein Jahr die Functionen eines kaiserlichen Geschäftsträgers an diesem Hofe.

Im J. 1820 zum außerordentlichen Gesandten am königlich württembergischen Hofe ernannt, rückte er 1825 wieder zum activen Militärdienst ein, wurde dem General-Quartiermeisterstabe zugetheilt und vorerst in der kriegsgeschichtlichen Abtheilung, im Sommer 1828 aber als Director der Militär-Landesbeschreibung in Ungarn verwendet. Im October 1829 wurde er Oberstlieutenant im General-Quartiermeisterstabe und im folgenden Jahre Oberst und Commandant des Infanterieregiments Nr. 49. – Im Februar 1836 zum Generalmajor vorgerückt, kam Th. als Brigadier nach Tirol, 1838 nach Graz, wo er bis zu seiner Ernennung zum Feldmarschall-Lieutenant und Divisionär in Pest (1845) blieb, schon im darauffolgenden Jahre zum zweiten Inhaber des Infanterieregiments Nr. 34 (gegenwärtig Wilhelm II., deutscher Kaiser und König von Preußen) ernannt und im J. 1847 wieder nach Graz als Commandant einer Division übersetzt wurde.

Im J. 1848 erhielt Th. zuerst das Commando einer Division bei der am Isonzo concentrirten Reservearmee unter Feldzeugmeister Graf Nugent. Nach der Einnahme von Udine und der Ueberschreitung des Tagliamento beabsichtigte Nugent, den dringenden Weisungen des Feldmarschalls Graf Radetzky, sich mit ihm so rasch als möglich zu vereinigen, Folge zu leisten, erkrankte jedoch am 17. Mai und übergab das Commando an Feldmarschall-Lieutenant Graf Th., welcher sogleich die Einleitungen traf, um am 18. mit allen irgend verfügbaren Truppen den Marsch nach Verona antreten zu können. Die zum Marsche dorthin bestimmten Truppen erhielten am genannten Tage die Bezeichnung als 3. Armeecorps. Am 22. Mai schon, also 4 Tage nach dem Ausmarsche, erfolgte unter nicht gewöhnlichen Anstrengungen und ohne Verlust, die ersehnte Vereinigung mit der Hauptarmee bei Villanuova und San Bonifacio. Von hier mußte Th. schon am folgenden Tage gegen Vicenza zurückmarschiren, um sich wo möglich dieser Stadt durch einen Handstreich zu bemächtigen. Die bedeutend verstärkte feindliche Besatzung des Platzes hinderte das Gelingen des Versuches, zu welchem ihm nur drei Tage Zeit gegeben worden waren. Am 25. Mai rückte Th. mit seinem Armeecorps wieder in Verona ein. Er übernahm sodann das Commando einer Division beim 1. Reservecorps und erhielt am 29. Juli das Commando über das neu zusammengesetzte 4. Armeecorps, mit dem er am 1. August die Adda passirte. Für die Verdienste im Feldzuge des Jahres 1848 ward Th. durch die Verleihung des Ordens der Eisernen Krone I. Classe ausgezeichnet. Im Feldzuge des folgenden Jahres behielt Th. das Commando des 4. Corps. In der Schlacht bei Novara zeigte sich die Wirkung des raschen Vorgehens des Thurn’schen Corps über die Agogna bis unter die Mauern der Stadt Novara dadurch, daß der Feind durch die Stellung des Corps gezwungen ward, den Rückzug durch die engen Gassen Novaras auszuführen. Th. hatte ihm die Möglichkeit benommen, den außerhalb der Stadt führenden Circumvallationsweg zu benützen, und veranlaßte dadurch die Auflösung in den feindlichen Reihen. Der mit so großer Energie ausgeführte Angriff in des Feindes rechte Flanke hatte in der Schlacht von Novara wesentlich zum Siege beigetragen, und Feldmarschall-Lieutenant Graf Th. erhielt für diese schöne Waffenthat das Commandeurkreuz [226] des Maria-Theresien-Ordens. Thurn’s Corps blieb nach dem Abmarsche der Armee aus Piemont zur Besetzung von Alessandria zurück. Er selbst erhielt im Mai 1849 das Commando des 2. Reservecorps, traf am 16. im Hauptquartier Casa Papadopoli ein, um die Belagerung von Venedig bei Haynau’s Abgang zur Armee nach Ungarn zu übernehmen.

Th. ward dann zum Commandanten des 8. Corps, später zum Landes-Militärcommandanten in Innerösterreich, 1851 zum Feldzeugmeister ernannt. Bald danach wurde er Präsident des obersten Militär-Justizsenates und trat am 16. Juni 1860 in den Ruhestand. Bei dieser Gelegenheit ward ihm das Großkreuz des Leopold-Ordens verliehen. Er starb zu Wien am 9. Februar 1866; seine Leiche ward in der Familiengruft zu Bleiburg in Kärnten beigesetzt. Seine Antheilnahme an dem Feldzuge in Italien 1848 ist von ihm selbst in den „Beiträgen zur Geschichte des Feldzuges im Jahre 1848 in Italien“ (Wien 1850) geschildert. Th. war mit einer geborenen Gräfin Chorinsky vermählt (1833), welcher Ehe ein Sohn und vier Töchter entstammten.

Hervorragend als Diplomat und Militär bleiben Thurn’s Verdienste in den Jahren 1848/49 in dankbarer Erinnerung. Wer ihm ins Auge blickte, in das klare, milde und doch so feste, ernste Auge, wer den gütigen Mund zu Worten voll Feinheit und doch tiefer Gründlichkeit sich öffnen sah, wer den bis zum Ende festen Schritt des mittelgroßen zartgebauten, aber ausdauernden Körpers und seine in den schwersten Stunden unerschütterliche Geistesruhe beobachtete, der erkannte in ihm den willensstarken, thatkräftigen Mann und fand den Erfolg erklärlich, welcher im allgemeinen alle seine Unternehmungen begleitete. Das rechtsseitige Basrelief des Radetzkydenkmals in Wien stellt Th. an den ihm gebührenden Platz unter die Paladine des greisen Heldenmarschalls. Er erscheint dort neben den Generalen Heß, Schönhals, d’Aspre und Wratislaw, um den Feldherrn zu einer Berathung versammelt.

Acten des k. u. k. Kriegsarchivs. – Duncker, Das Buch vom Vater Radetzky. Wien 1891. – Wurzbach, Biogr. Lexikon des Kaiserth. Oesterr. 45. Bd. (worin Genealogie, Stammtafeln und Familienverhältnisse erschöpfend angegeben).