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Artikel „Theodahad, Amaler“ von Felix Dahn in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 37 (1894), S. 684–686, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Theodahad&oldid=- (Version vom 24. November 2024, 19:09 Uhr UTC)
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Theodahad: Amaler, König der Ostgothen (a. 534–536), Sohn von Theoderich’s des Großen Schwester Amalafrida und eines Ungenannten (nicht des Vandalenkönigs Thrasamund [s. den Artikel], dem jene in zweiter Ehe vermählt ward; vgl. den Stammbaum der Amaler bei Theoderich dem Großen), vermählt mit Gudelina, beider Tochter, Theodenanthis war vermählt mit Ebrimuth (beider Sohn hieß Theodigisel); er war nach Procop in der Wissenschaft jener Verfallzeit wohl bewandert, zumal in der damaligen Lehre der platonischen Philosophie, aber auch in biblischer Theologie; dabei aber unkriegerisch, schwach, abergläubisch und von der äußersten Habsucht: ein trauriger Zeuge der Entartung, welche die angefaulte Cultur des Römerthums über gar viele Ostgothen gebracht hatte. In seiner Gier nach Reichthum hatte er – zum Theil mit den schlimmsten Mitteln: durch Gewalt und durch ungerechte Processe – den größten Theil von Tuscien bereits an sich gerissen und unermüdlich trachtete er, das noch Uebrige den Eigenthümern zu entwinden. Theoderich hatte schwere Mühe gehabt, diese Habsucht zu zügeln: Cassiodor hat uns zwei scharf verweisende Befehle des großen Königs an den schlimmen Neffen erhalten (Variarum IV. 39. V. 12) und ebenso später seine Tochter, die Regentin Amalaswintha (s. den Artikel). Dafür haßte Th. sie gründlich und bei den Wirren und Ränken, die nach Theoderich’s Tod den Hof von Ravenna erfüllten, trachtete er zu seinem eignen Vortheil und auf eigene Faust im Trüben zu fischen; er verhandelte insgeheim mit Justinian, diesem ganz Tuscien, das er thatsächlich beherrschte, ohne Schwertstreich in die Hände zu spielen, um dann mit großen Reichthümern und einem Sitz im Senat belohnt in Byzanz zu leben: er erörterte diese Pläne mit katholischen Bischöfen, die der Imperator an den neuen Papst Johannes II. (seit 533) abgesandt hatte. Aber alsbald kam Th. in die Lage, Byzanz noch größere Vortheile in Aussicht zu stellen. Amalaswintha’s Herrschaft war – durch eigene Schuld zum Theil – so stark gefährdet, daß sie selbst zu ihrer Stütze den nächsten Schwertmagen ihres dahin siechenden Sohnes, des jungen Königs Athalarich (s. den Artikel) und daher nach germanischem Königsrecht den thatsächlich dem Thronrecht nächsten, als Stütze heranzog: zwar nicht um sich ihm zu vermählen, wie man immer noch erzählt – er war vermählt – wohl aber, um ihm nach Athalarich’s Tod den Königsnamen zu sichern, wobei er jedoch mit schweren Eiden geloben mußte sich mit dem Königsnamen zu begnügen, der herrschgierigen und ehrgeizigen Frau thatsächlich die volle Gewalt zu überlassen. Th. schwor mit falscher Seele: war doch gerade jetzt seine Wuth gegen die Regentin auf das höchste gestiegen, weil sie ihn gezwungen hatte, auf die Klagen aller Einwohner von Tuscien hin, die ihn schlagend des Landraubs, der Erpressung an allen seinen Nachbarn – „denn Nachbarn zu haben schien Th. ein Unglück“, sagt Procop – zumal auch an den dortigen Krongütern überführt hatten, seine Beute herauszugeben. Sie suchte ihn nun zu beschwichtigen durch die Erklärung, sie habe den nun (Frühjahr a. 534) erfolgten Tod ihres Sohnes – nach dem Ausspruch der Aerzte – vorausgesehen und Th. die Nachfolge dadurch sichern wollen, daß sie seinen Leumund im Volke von jenen Flecken reinigte. So erhob sie ihn denn auf den Thron: es war eine zwiefache Abweichung von germanischem Folgerecht, daß ein Weib so verfügte und zwar ohne Befragung des Volksheeres. Th. aber verband sich sofort auf das engste mit den grimmigsten Feinden der Fürstin – zu Blutrache verpflichteten [685] Adelsgeschlechtern –, tödtete einige ihrer Anhänger und ließ sie (am 30. April 534) gefangen auf eine kleine Insel im Bolsener See bringen. Justinian benutzte diese Wirren im Geschlecht der Amalungen mit gleich arglistiger Staatskunst wie früher die Zwiste im Hause der Asdingen in Karthago (s. den Art. Gelimer): er versicherte öffentlich durch seinen Gesandten Petrus vor allem Gothenvolk Amalaswintha seines Schutzes: derselbe Petrus hatte aber von der Kaiserin Theodora den geheimen Auftrag erhalten, die schöne Tochter Theoderich’s aus der Welt zu schaffen, da sie deren geplante Uebersiedelung nach Byzanz mit Eifersucht befürchtete. Als nun aber jene Bluträcher im Einvernehmen mit Th. die Gefangene im Bad erwürgt hatten (a. 534), erklärte sofort Petrus im Namen des Imperators Th. den Rachekrieg, obwohl er selbst vielleicht insgeheim im Sinne des Auftrages von Theodora an dem Untergang Amalaswintha’s mitgearbeitet hatte. Die Ermordung der Amalungentochter erregte das Gothenvolk gewaltig, während die Römer in ihr die eifrige Beschützerin beklagten und nunmehr Gewalt von den Barbaren besorgten. In Rom brachen Unruhen aus: gothischen Truppen, die Th. unter seinem Major domus zur Dämpfung der Bewegung absandte, versuchte die Stadt die Thore zu schließen: Th. mußte sich bequemen – unter allerlei Vorbehalten – eidlich Senat und Volk der Römer der bisherigen Rechte zu versichern. Der Feige bemühte sich vergeblich, mit den äußersten Opfern, ja zuletzt mit dem völligen Verrath an seinem Volke den Krieg abzuwenden: „denn er konnte von Krieg gar nicht einmal reden hören“. Er bewilligte die nachstehenden Forderungen des Petrus: Abtretung von Sicilien, jährliche Schatzung von dreihundert Pfund Gold in Gestalt eines goldenen Kranzes, Stellung von drei Tausendschaften gothischer Krieger auf jeweiliges Verlangen des Imperators, Verzicht auf das Recht, Senatoren oder Priester ohne Zustimmung Justinian’s mit dem Tod oder mit Vermögenseinziehung zu bestrafen, Verzicht auf die Verleihung des Patriciats mit der Senatorwürde, Vorrang des kaiserlichen Namens bei den begrüßenden Zurufen des Volkes in Theater und Hippodrom, Aufstellung eines Standbildes des Imperators – und zwar zur Rechten – bei Aufrichtung neuer Standbilder des Königs. Diese Forderungen sind bezeichnend; es sollte die unmittelbare Zugehörigkeit Italiens zum Imperium und die Unterordnung des Gothenkönigs als bloßen Statthalters des Kaisers auf das deutlichste ausgedrückt, die beiden Byzanz ergebensten Stände – Senatoren und katholische Priester – vor Bestrafung ihrer Gesinnung geschützt werden: Byzanz wollte nunmehr jene Abhängigkeit der gothischen Niederlassung in Italien herbeiführen, die schon Kaiser Zeno gewollt, aber Theoderich’s Herrschergeist nicht ertragen hatte.

Dabei ging aber Th. in Furcht vor dem Kriege noch weiter. Als Petrus erklärte, er wisse nicht, ob Justinian nicht doch auch jene Anerbietungen verwerfen und angreifen werde, meinte der feige Thor, Petrus möge in diesem Fall – aber nur in diesem! – des Königs völligen Verzicht auf die Herrschaft aussprechen: er erbitte nur soviel Landbesitz, daß er davon jährlich 1200 Pfund Gold einnehme, dann wolle er den Kaiser wie über die Italiener so auch über die Gothen herrschen lassen und dessen Bevollmächtigen den Palast und Alles, was zum Königthum gehöre, übergeben. Denn er sei zwar, am Hofe seines Oheims geboren und nach dem Adel seiner Abstammung erzogen, dem Hofleben nicht fremd, aber der Krieg sei ihm, der von Kind auf nur der musischen Bildung obgelegen, unbekannt und verhaßt und er werde nicht den Kampf aufnehmen um der ihm gleichfalls verdrießlichen Herrschaft willen. Selbstverständlich verwarf Justinian, durch Petrus von dem zweiten Anerbieten unterrichtet, das erste und unter höhnischem Lobe solch kluger Gesinnung versprach er ihm obenein die höchsten römischen Würden. Als nun aber Th. von einigen Vortheilen [686] erfuhr, die gothische Scharen in Dalmatien, wo der Krieg bereits begonnen, erfochten hatten, reute ihn sofort wieder seine Nachgiebigkeit: über alles Maaß aufgeblasen behandelte er die Gesandten geringschätzig und drohte Petrus auf dessen Vorwurf öffentlich, unter Umständen dürfe man auch Gesandte tödten. Allein die Byzantiner hatten sich gegen den Schwankenden wohl gesichert: Petrus erklärte, er habe auch Briefe des Kaisers an die gothischen Großen: diese wurden ihnen in Gegenwart des Königs verlesen: sie forderten zum Anschluß an Byzanz auf, offenbar um den Wankelmüthigen durch den Abfall seiner Vornehmen zu zwingen. Doch dieser Versuch scheiterte: Th. setzte die Gesandten gefangen und Justinian schickte neue Truppen nach Dalmatien, die bald alles Land bei Ravenna gewannen. Vergeblich zwang Th. die Senatoren von Rom unter Todesdrohungen gegen sie und die ihren den Imperator in einem Schreiben – sehr gegen ihre Herzensmeinung! – um Frieden für Italien anzuflehen, weil es sonst den Rachethaten der Gothen verfalle: der neue Papst Agapet mußte selbst diese Bitte überbringen (Februar a. 536). Aber Justinian ließ den Waffen Belisar’s, der schon im Herbst a. 535 Sicilien gewonnen hatte, freien Lauf. Dieser landete bei Regium (Februar a. 536), sofort fielen ihm alle Italier zu. Aber auch Theodahad’s Eidam, Ebrimuth, der mit einem Heere entgegen gesandt war, ging mit diesem Heere zu ihm über. Nun ward Neapel belagert und, weil von Th. trotz dringender Bitten um Hilfe, preisgegeben, nach tapferer dreiwöchiger Vertheidigung genommen. Der Fall Neapels, der dritten Stadt des Reiches, fachte endlich den lang schon glimmenden Argwohn der Gothen zu lodernden Flammen an: auf dem Blachfeld zu Regeta zwischen Anagni und Terracina an dem Flüßlein Urbicus hielt das Volksheer eine Tagung, setzte den verrätherischen König ab, verurtheilte ihn (wie es scheint: „tollatur de medio“, riefen sie) zum Tode und erhoben an seiner Statt den tapferen Vitigis zu ihrem König (s. den Artikel). Auf diese Nachricht floh Th. aus Rom, das sichere Ravenna zu erreichen. Allein Vitigis sandte ihm einen Verfolger nach, dessen Eifer eigne Rache beflügelte, den Gothen Optari, dem Th., durch Gold bestochen, eine schöne und reiche Braut gewaltsam entrissen und einem Andern vermählt hatte. Optari, dem Befehle, den Aechter todt oder lebend zur Stelle zu schaffen, wie dem eignen Hasse eifrigst folgend, setzte dem Fliehenden Tag und Nacht nach ohne Unterlaß, holte ihn auf diese Weise ein, warf ihn zu Boden und erstach ihn „wie ein Opferthier“ (December a. 536). Seinen Sohn Theodigisel setzte Vitigis gefangen, den Uebertritt zum Feind oder eine amalungische Erhebung zu verhindern.

Quellen: Procopius, de bello Gotico ed. Dindorf. Bonn 1833. I. 4–11. sequ.Procopius, historia arcane, eodem 1838 c. 16. – Cassiodori Variae ed. Theodor Mommsen. Monumenta Germaniae Historica. Auctor. antiquissimor. X. Berol. 1894. IV, 39; V, 12; IX, 19; XII, 20. 27; X, 1–6. 9. 10. 26; XI, 13. – Jordanis, Romana et Getica ed. idem eodem. Auctor. antiquiss. V 1. 1882. De regnorum successione c. 59–62. – Gregorius Turonensis, historia ecclesiastica Francorum ed. Arndt et Krusch eodem. Scriptorum rerum Merowingicarum I. Hannoverae 1884. III, 31.
Litteratur: Manso, Geschichte des ostgothischen Reiches in Italien. Hamburg 1824. – Dahn, die Könige der Germanen II. München 1862. S. 186–209, s. daselbst die Litteratur bis 1862, die neuere Litteratur bis 1894 Könige VII. 1. Leipzig 1894 p. I ff. – Hodgkin, Italy and her invaders III, Oxford 1885 p. 710 f. – Theodor Mommsen, ostgothische Studien. Neues Archiv XIV. 1893. – Ueber die Münzen Theodahad’s s. Friedländer, die Münzen der Ostgothen. Berlin 1844.