ADB:Tandler von Tanningen, Joseph

Empfohlene Zitierweise:

Artikel „Tandler, Joseph“ von Ludwig Julius Fränkel in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 37 (1894), S. 365–370, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Tandler_von_Tanningen,_Joseph&oldid=- (Version vom 24. November 2024, 13:40 Uhr UTC)
Allgemeine Deutsche Biographie
>>>enthalten in<<<
[[ADB:{{{VERWEIS}}}|{{{VERWEIS}}}]]
<<<Vorheriger
Tanchelm
Nächster>>>
Tangel, Lukas
Band 37 (1894), S. 365–370 (Quelle).
[[| bei Wikisource]]
Kein Wikipedia-Artikel
(Stand Oktober 2018, suchen)
Joseph Tandler in Wikidata
GND-Nummer 117199710
Datensatz, Rohdaten, Werke, Deutsche Biographie, weitere Angebote
fertig
Fertig! Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle Korrektur gelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
Kopiervorlage  
* {{ADB|37|365|370|Tandler, Joseph|Ludwig Julius Fränkel|ADB:Tandler von Tanningen, Joseph}}    

{{Normdaten|TYP=p|GND=117199710}}    

Tandler: Joseph T., Ritter von Tanningen, österreichischer Verwaltungsbeamter und Schriftsteller, wurde am 11. (nach dem Taufschein am 12.) Januar 1807 zu Prag geboren und war neben zwei Schwestern der einzige Sohn des als Cameral-Hauptzahlamtsliquidator verstorbenen czechisch-nationalen Litteraten Josephus Jacobus Tandler (1765–1826), dessen böhmisch-particularistischer [366] Patriotismus sich aber ebensowenig auf ihn vererbte, wie die überzeugte Anhänglichkeit an das aufstrebende westslavische Volksthum. Dies fällt um so mehr auf, als T. bis zum Tode des Vaters ganz in dessen Umgebung und unter den Eindrücken von dessen starker Individualität aufgewachsen ist und nach dem im Elternhause genossenen Anfangsunterricht unter seinen Augen das Gymnasium der Geburtsstadt besuchte. Aus der Idylle des grünumsponnenen großväterlichen Hauses, das die Knabenzeit umschloß, nahm er den frischen Sinn, das herzliche Verständniß für die Wunder der Schöpfung mit ins Leben hinüber; dem Verkehr bei den Insassen der unmittelbar benachbarten Klöster – der Pfarrschule des angrenzenden Thomasklosters gehörte er auch als Extraneer an – dankt er vielleicht die Grundlage, aus der seine echte Herzensfrömmigkeit entsprießen konnte. Lebhaft wirkten die ernsten Ereignisse des kriegerischen Zeitalters auf ihn ein, ohne freilich seine idealistisch angelegte Natur irgendwie zu verdüstern. Daheim zollte man der Poesie und allem edlen geistigen Streben stets Thei1nahme, und auch anderwärts fand T. früh dichterische Anregung, z. B. als er nebenan als Gespiele des einzigen Töchterchens der Freifrau Heer von der Burg, geborenen Prinzessin von Hohenzollern-Hechingen öfters allegorische Festspiele schaute. Als tüchtiger Schüler vertrat er einmal bei einem plötzlichen Erscheinen der Kaiserin Karoline Auguste die Geschichtskenntnisse der Klasse; seitdem gehörte seine Sympathie der Habsburger Dynastie. Außer mannichfachen Prosaversuchen goß er eigene Gefühle in Verse. Ein Lied des Fünfzehnjährigen componirte sein Gesangslehrer und rückte es in die Zeitschrift „Hyllos“ ein. Seitdem er darauf, ermuntert durch eine Zusage (Januar 1823) des vielseitigen Professors W. A. Gerle, Herausgebers des Prager Unterhaltungsblattes „Der Kranz“, seine angebotenen Kleinigkeiten aufzunehmen, häufig anonyme, pseudonyme und unterzeichnete Beiträge gedruckt sah und auch Karoline von Woltmann, die seit 1824 die Redaction führte, ihn unter den Mitarbeitern willkommen hieß, begleitete das schriftstellerische Schaffen sein Tagewerk bis ans Lebensende.

Vorerst durfte er noch als Hörer der Philosophie und in der Bekanntschaft mit verschiedenen etwas älteren deutsch-böhmischen Litteraten, besonders K. Egon Ebert, seinen Lieblingsneigungen obliegen. Aber der Tod des Vaters, 1826, gebot Concentration auf einen Brotberuf, und so widmete er sich, von seinem Vormunde, dem als juristischer Schriftsteller bekannten Professor Ritter von Kopetz treulich unterstützt, der Rechtswissenschaft. Sofort nach dem Abschlusse dieses Studiums, 1829, trat er in den Staatsdienst, und zwar zog es ihn da von Anfang an zum Finanzfach: am 4. December leistete er beim Gefällen-Inspectorat Teplitz den ersten Diensteid. Der junge Conceptspraktikant kam 1830 in das Präsidialbureau der Cameral-Landesverwaltung zu Prag, functionirte Ende 1831 mehrere Monate als Actuar einer Forst-Systemalcommission und wurde dann auf seinen wiederholten Wunsch zur Domänenverwaltung versetzt, und zwar 1838 als Concipist. 1843 rückte er zum Bezirkscommissar 2. Classe, 1847 1. Classe auf. Ersteren Posten versah er mehrere Jahre in Leitmeritz, lernte dabei den Norden Böhmens genau kennen und arbeitete auf Grund amtlicher Beobachtungen und weiteren Nachforschens ein umfängliches Werk „Die Elbe-Schifffahrt in ihrer gesetzlichen Begründung und in ihren topographischen und commerciellen Beziehungen“ aus. Schon nahm es ein Verleger unter die Fittige, als die infolge der vielen Aenderungen von 1848 nöthig werdende Umschmelzung, die der erneute Ruf nach Prag und 1850 der nach Wien vereitelten, das Manuscript ungedruckt ließ; viele werthvolle Notizen zur Nationalökonomie und Culturgeschichte liegen darin ungehoben. 1848 ward T. Cameralsecretär für die Prager Domänenabtheilung, die er 1848/49 unter schwierigen Umständen als selbständiger Referent leitete. Ein weiteres, seinen schier allseitigen Fähigkeiten [367] günstigeres Feld gewann er 1850, als er gemäß der für Fragen des Religions- und Studienfonds gesammelten Erfahrungen Secretär im österreichischen Ministerium für Cultus und Unterricht wurde, wo ihm das Referat über die Landesschulbehörden zufiel. Hier fand er sich von den Geschäften befriedigt, auch maßgebenden Orts anerkannt, was sich 1854 in der Beförderung zum Statthaltereirath zu Ofen aussprach. Daselbst hat er nun als Referent fürs Cultus- und Unterrichtsressort die pädagogischen Einrichtungen kräftig und zielbewußt gefördert und die Hochschulen in der noch heute geltenden Richtung organisirt. Der Budapester Universität und der technischen Schule verhalf er zu bequemeren Räumlichkeiten und gediegeneren Lehrmitteln und setzte sich für gebührende Ausstattung und pecuniäre Sicherung des Nationalmuseums, für Vermehrung der Mittel- und Volksschulen mit Erfolg ein. Zum Dank für sein eifriges Wirken für Ofens Schulanstalten, insbesondere sein Eintreten für die neue Ober-Realschule, verlieh ihm, dem für diese Wirksamkeit auch der päpstliche Christusorden zu theil ward, die Stadt ihr Ehrenbürgerrecht. Dies geschah, als das deutsche Regiment dort schon in den letzten Zügen lag, 1860, und noch im selben Jahre kehrte T., seit Einführung der Staatsexamina auch Präses der wissenschaftlichen Prüfungscommission, mit den übrigen oberen Beamten deutscher Nationalität dem Magyarenlande den Rücken und verwerthete die unfreiwillige Dienstpause in Wien zu litterarischer Thätigkeit.

Im J. 1863 berief man T. als Sectionsrat in die Ministerialabtheilung für Cultus und Unterricht. Aber 1864 übernahm er bei dem erwachten starken Drange zur Ausnutzung der brachen Liegenschaften nach Beginn der Stadterweiterung das Referat über die Staatsbauten und förderte seitdem als administrativer Regierungsvertreter mehrere Werke der strebsamen Architekten, die dem bis dahin im Kasernenstil verkümmert gebliebenen Wien ein anmuthigeres Aeußeres gaben, so die Elisabethkirche, das Museum für Kunst und Industrie, das Chemische Laboratorium, das Akademische Gymnasium. Auch trug er zur Neugestaltung der technischen Hochschulen bei und fungirte seit 1865 zugleich als Mitglied der Centralcommission für Erhaltung der Bauwerke. 1867 stieg er zum Ministerialrath auf, und 1870 bewilligte man dem überaus pflichtgetreuen und hochverdienten Manne nach vierzigjähriger Dienstleistung den Austritt aus dem activen Dienste und ehrte ihn dann mit dem Ritterkreuze des Leopoldordens, womit ihm (1873) die Ritterwürde mit dem Prädicat „von Tanningen“ zufiel. Nachdem er bis dahin aus Liebe zu einer anhänglichen trefflichen Schwester, die für ihn wirthschaftete, auf eigenen Hausstand verzichtet – T. gründete dann zum Andenken eine Stiftung für gebildete verwaiste Mädchen – und deren Verlust ihn herbe getroffen hatte, schloß er im Frühjahr 1874 mit Gabriele, Tochter des k. k. Ministerialraths Regner von Bleyleben, eine späte, aber äußerst glückliche, sowohl höchst harmonische, wie behagliche Ehe. 1879 trat er in den endgiltigen Ruhestand über und hat, andauernd geistig außerordentlich regsam und fruchtbar und von zahllosen Freunden und Verehrern mit Beweisen schönster Hochschätzung umgeben – besonders am 80. Geburtstage, 12. Januar 1887 – einen, trotz allmählicher Angriffe der Altersschwäche und fast völliger Erblindung heiteren Lebensabend genossen. In der Sommerfrische zu Langenwang bei Mürzzuschlag in Steiermark, wohin er am 4. Juli 1891 übersiedelte, schien ihn die Alpenluft nochmals zu kräftigen, und unermüdlich studirte und dictirte er, bis er am 1. September starb; auf dem Ortsfriedhofe senkte man ihn, seinem Wunsche gemäß, zur ewigen Ruhe ein. Bis zuletzt auch hatte er seine gemeinnützigen Bestrebungen nicht aus dem Auge gelassen. Schon in der ersten Zeit seiner Beamtenlaufbahn hatte er einen Vorschlag auf Errichtung von Arbeitvermittlungsanstalten gemacht, den das böhmische Landespräsidium empfahl. [368] Auch war er früh dem Vereine zum Wohle entlassener Sträflinge und hülfsbedürftiger Kinder ein eifriges Mitglied. Ausgedehntere Sorgfalt wandte er später gemeinverdienstlichen Genossenschaften zu: als Ausschußmitglied des Vereins zur Verbreitung naturwissenschaftlicher Kenntnisse, der Anthropologischen Gesellschaft, vor allem aber zu Gunsten des „Ersten allgemeinen Beamtenvereins der österreichisch-ungarischen Monarchie“. Sowohl überhaupt, wie namentlich bei den segensreichen humanitären Tendenzen widmete T. diesem eine ausgebreitete Hingabe. Eine Reihe von Jahren betheiligte er sich an der, 1872–75 allein geführten Redaction des „litterarischen Jahrbuchs dieser Corporation, „Die Dioskuren“, und lieferte fast zu sämmtlichen Bänden eigene Erzeugnisse. Von einem 2200 Gulden betragenden Capital, das er stiftete, sind die Zinsen für den Unterhalt einer erwerbsunfähigen Beamtentochter bestimmt, und sein Testament stellte noch 14 000 Gulden zu ganz ähnlich gedachten Rentenzwecken dem Vereine zur Verfügung. Kein Wunder bei alledem, daß ihn die dankbare Corporation (1872) zum Ehrenmitgliede ernannte, ihm am genannten Jubeltage eine kunstvolle Adresse überreichte und zu ihm als zu einem Vater und Hüter ihrer glänzend bewährten Institutionen hinaufsah. Ueberhaupt besaß T. bei allen Leuten, mit denen er jemals längere oder intimere Verbindung gehabt hatte, eine ganz ungewöhnliche Beliebtheit, die theils in seinem Entgegenkommen bei amtlichen Dingen, theils in seiner persönlichen Freundlichkeit wurzelte. So ernannte ihn auch die Stadt Arnau im Gitschiner Kreise, die er auf deren Bitten bei Errichtung eines Gymnasiums berathen hatte, nachdem sie ein, später vom Staat übernommenes Untergymnasium erhalten, zum Ehrenbürger. Man darf auf ihn wol die oft gebrauchte Redensart anwenden: Er ließ beim Tode keinen Feind zurück. Eine edle und noble Natur, ein feinsinnig und gründlich gebildeter Geist, ein goldenes Gemüth, diese Charakteristik greift wahrlich nicht zu hoch.

Auch als Mann der Feder tritt T. nicht anders vor uns hin. Wie wäre das auch möglich, wo seine fachmäßigen Darlegungen lediglich Ergebnisse des eigenen emsigen Suchens, seine poetischen Gebilde der Ausfluß seines innersten Grübelns, die Verdichtung dessen waren, was seine selbsterrungene Weltanschauung als recht und wahr erkannt hatte. Ein muthiger Vorkämpfer eines abgeklärten Idealismus, der gleichwohl den Erfordernissen des modernen Geschlechts geziemende Rechnung trägt und sich überzeugt einem mäßigen Fortschritte fügt, ein milder Prediger echter Humanität, mit diesen hohen Würden umkleidet schreitet T. durch die Gefilde der Muse, die ihm von früh an als hehre Göttin, nicht als Magd des Alltags gegolten. 1833 und 1835 hatte er auf Wunsch zur Anwesenheit des österreichischen Kaisers in Prag verschiedene officielle Strophen geliefert und dann seitdem in ungezählten deutschen Zeitschriften des In- und Auslandes, sogar den Cincinnati-West-östlichen Blättern, poetische Arbeiten verschiedenster Art veröffentlicht. Einen wahren Bienenfleiß auf litteratischem Gebiete zu entwickeln vermochte T., der arg in Anspruch genommene Bureaumensch, nur durch eiserne Beharrlichkeit im Verfolg schriftstellerischer Pläne, die er einmal gefaßt, und die neidenswerthe Möglichkeit, stets aus dem Frischen und Vollen zu schöpfen. Metrisches in allerhand Formen und Stimmungen bot er in reicher Fülle dar, wie die novellistischen Sachen anfangs zumeist unter einem Pseudonym, Florus Retland, da man ja im Vormärz den litterarischen Beamten in Oesterreich nicht eben grün war. Die auf Drängen der Freunde 1864 unter dem Titel „Gesungenes und Verklungenes“ (als Manuscript) gesammelten Gedichte erschienen unter letzterer Aufschrift als „zweite, vermehrte Auflage“ 1887 und bezogen sich in der Ueberzahl auf Leben und Lieben, die Natur und daneben epische Stoffe, von denen einige zu prächtigen Balladen auswuchsen. Sie [369] brauchten also, obschon von der Kritik und dem ernsteren Publicum beifällig begrüßt, fast ein Vierieljahrhundert zur Erneuerung. Noch hervorragender als diese, die in Gedanken und Fluß der Sprache, in Tiefe der Auffassung wie in Mannichfaltigkeit des Ausdrucks sehr viele Lyriker der Gegenwart schlagen, sind die in dem Paul Heyse gewidmeten „Spruchbüchlein“ (1875; 2. Aufl. 1880; 3. Aufl. 1890) vereinigten Nummern, die eine geradezu ungewöhnliche Anlage für das Epigramm höheren Stils, etwa in Friedrich von Logau’s Weise, offenbaren und die Eigenart des Verfassers nach Idee und dichterischer Intuition am vollkommensten verdeutlichen. Nicht der gesuchte spitzige Anfall, die herbeigezerrte Pointe, die kühle Nüchternheit machen sich da breit, sondern ein recht poetisches Gestalten mit volksthümlichem Gepräge. Die Presse stand denn auch nicht an, die Bedeutung dieser Gnomik voll anzuerkennen. In gebundener Rede hat T. dann noch hochbejahrt das jugendlich lebendige, im Verse classisch abgeglichene kleine Epos „Junker Quirin. Ein Jahr seines Lebens“ geschrieben, das Alexander Engel 1892 herausgab. Diese wunderhübsch erzählte Geschichte spielt in der Carbonarizeit am Anfange des neunzehnten Jahrhunderts und ist in ihrem glatten Hergange mit sinnigen Gedankenperlen und duftigen Liederblüthen durchwoben. Auf erzählendem Felde hat T. sich nach und nach mit einer langen Reihe netter Novellen an vielen Journalen betheiligt, und die Wittwe handelt mit dem beabsichtigten Sammeln dieser zerstreuten, keineswegs oberflächlichen epischen Skizzen nicht nur im Sinne der Pietät.

Dieselbe Bescheidenheit, die ihn sein „Lied“ nur „ein Flüstern des Widerhalls, der in der Harfe bebt, wenn durch die Tempelhallen frei und groß das hohe Lied der Auserwählten schwebt“ nennen heißt, bezeichnet das Verdienst seiner (anonymen) „Aphorismen über die Seele“, die zuerst „Die Reform“ 1879 Heft 6–9 enthielt (3. Aufl. 1884), als „nicht viel mehr, als die Anregung zum Nachdenken über Fragen, welche, wenn sie auch keine endgültige Lösung finden, dennoch der Erkenntniß näher führen können“. Von seiner Gewissenhaftigkeit zeugt auch auf der Schlußseite die Liste der zu Rathe gezogenen Autoren, in der sich die namhaftesten Philosophen und Naturforscher befinden. Wie die Vortragsart hier an seine Neigung zum Spruchmäßigen gemahnt, so das Thema an seine Lieblingsbeschäftigung, die Erforschung psychologischer Probleme. Bis in die letzten Wochen zogen ihn diese an und hat er, namentlich im Anschluß an Wilhelm Wundt, physiologische Psychologie studirt. Neben einschlägigen „Abhandlungen“, die aus dem Nachlasse noch in Druck gehen werden, schrieb er unzählige Essays über theoretisch-philosophische und ästhetische Fragen. Genannt seien: „Ueber das Reale und Ideale“, „Ueber wenig beachtete Arten der Dichtkunst“, „Ueber das Volksthümliche“ (diese nach dem Tode im „Jahrbuche des Volksschriftenvereins“) u. A., meist Vorträge oder solchen entnommen; auch mehr belletristisch gehaltene knappe Skizzen, z. B. „Die letzte Grabrede“. So erstreckte sich sein schöngeistiges Suchen auf mancherlei künstlerische Dinge, wie er ja seit geraumer Zeit für die Ausübung der bildenden Kunst eine unbezwingliche Vorliebe bethätigt hatte. Noch bei Lebzeiten des Vaters hatte er als Volontär die Zeichenschule der Prager Malerakademie besucht, und später war er mit Eifer zum Unterricht des dasigen Theatermalers Antonio Sacchetti und des trefflichen Landschafters A. Piepenhagen gegangen. Nicht nur gewann er da ein vorzügliches Verständniß für die formale Seite künstlerischen Betriebs, sondern auch seine eigenen „landschaftlichen Gemälde, durchaus fein aufgefaßt und zugleich tief gedacht, zeugen von einem sicheren und doch wieder poetisch verklärten Blicke in die Natur, um welchen ihn so mancher Maler von Beruf beneidet haben würde. Noch mit achtzig Jahren stand er an der Staffelei, [370] trefflich gezeichnete, harmonisch anmuthende Cabinetsstücke schaffend, sich selbst und seine Lieben durch seiner feinen Hände Werke zu erfreuen“. Daß er daneben die Litteraturgeschichte bereicherte, indem er unedirte Briefe von Goethe, Jean Paul, Alexander von Humboldt, Tieck, Lenau, Freiligrath mit biographischen und culturhistorischen Erläuterungen herausgab und so die Kenntnis des Innenwesens dieser Geisteskoryphäen zu stützen suchte, vervollständigt uns den Eindruck einer rastlos beweglichen Litteratengestalt, die auch im engeren Fachwissen wiederholt Selbständiges spendete, wie Aufsätze in dem „Archiv für Justizpflege“, der „Zeitschrift für Rechtsgelehrsamkeit“ und der „Zeitschrift für öffentliche Verwaltung“ bestätigen. Ueberall aber rang er nach Greifbarem und Sicherem, und stets erfüllte ihn der Drang, beizutragen zu einem vernunftgemäßen, gesunden Fortschritt.

Die Hauptmasse des reichen Materials, das in diesem Artikel theilweise nur angedeutet werden konnte, stellte die Wittwe äußerst bereitwillig zur Verfügung; sie plant die Herausgabe verschiedener ungedruckter und versprengter Erzeugnisse. An Lebensbildern Tandler’s sind anzuführen: der Artikel über ihn in C. v. Wurzbach’s Biograph. Lexikon des österr. Kaiserstaates, Bd. 43 (1881), 46a–49a, sehr eingehend und auch eine Anzahl litterarischer Kritiken citirend; (Eduard Fedor) K(astner), J. Tandler. Ein deutsch-böhmischer Dichter [mit Bild]: „Böhmens deutsche Poesie und Kunst“, I (1891) S. 145–147, theils aus Wurzbach, theils aus Mittheilungen von Verwandten und Freunden compilirt; Wilhelm du Nord, Josef Ritter Tandler von Tanningen. Ein Gedenkblatt: „Die Dioskuren. Litterarisches Jahrbuch des Ersten allgemeinen Beamtenvereius der österreichisch-ungarischen Monarchie“, 22. Jahrgang (Wien 1893), S. 237–243, eine liebevolle Charakteristik (vgl. E. K. in der 1. Beilage zur [Münchener] Allgemeinen Zeitung 1893, Sp. 6b), der das obige Citat über Tandler’s Malerei entstammt; ein einfacher biographischer Abriß in Fr. Brümmer’s größerem „Deutschen Dichterlexikon“ II, 416 und in dessen kleinerem fürs 19. Jahrhundert II, 393 f.; Nekrolog in der „Neuen Freien Presse“, Nr. 9706 (4./9. 1891, Abendblatt). Ziffernmäßiges über Tandler’s Wohlthätigkeit bietet Dr. Rudolf Schwingenschlögl in „Dioskuren“ XXII, S. 390. T. selbst pflegte bloß „Gedichte“, „Spruchbüchlein“ und „Aphorismen über die Seele“ anzugeben, wenn man auf Fragebogen ein Verzeichnis seiner Druckschriften erbat; so bei Brümmer a. a. O. und noch in Kürschner’s Litteraturkalender für 1891, S. 902. Herrn Hauptmann du Nord in Cilli bin ich für freundliche Notiz und die Anbahnung der Verbindung mit Tandler’s Wittwe sehr dankbar.