ADB:Steffensen, Karl Christian Friedrich

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Artikel „Steffensen, Karl Christian Friedrich“ von Carsten Erich Carstens in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 54 (1908), S. 451–453, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Steffensen,_Karl_Christian_Friedrich&oldid=- (Version vom 23. Dezember 2024, 10:42 Uhr UTC)
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Steffensen: Karl Christian Friedrich St., Philosoph. Er ist geboren am 25. April 1816 in der Stadt Flensburg als Sohn des Lehrers an der Bürgerschule daselbst, eines ausgezeichneten Pädagogen (s. A. D. B. XXXV, 559). Vorbereitet auf dem Gymnasium der Vaterstadt, ward er Michaelis 1834 als stud. juris auf der Kieler Universität inscribirt. Er hörte Pandekten und Institutionen, fühlte sich jedoch auch zu geschichtlichen Studien hingezogen. Von Kiel ging er nach Berlin, wo er seine juristischen Studien noch fortsetzte, namentlich unter Savigny, zugleich jedoch auch das historische Seminar unter L. v. Ranke frequentirte. Hier ereignete es sich, gewissermaßen als Prophezeiung der Zukunft, daß Ranke die Verhandlung über eine von St. gelieferte Arbeit mit der Bemerkung eröffnete: „Das ist Philosophie der Geschichte.“ Durch körperliche Schwäche ward St. vielfach in seinen Studien gestört, man fürchtete sogar für sein Leben. Selbst mittellos, ward es ihm durch Freunde und Gönner ermöglicht, 1837 zur Herstellung seiner Gesundheit auf ein Jahr nach Pau in Südfrankreich zu gehen, und hier gewann er einen Freund, durch den er noch ein Jahr in Italien verweilen [452] konnte. Gestärkt kehrte er zurück. Während seines Krankseins hatten seine ernsten Gedanken ihn insbesondere zur Speculation geführt, und er war von nun an ganz und gar Philosoph. Heimgekehrt, promovirte er zunächst in Kiel rite zum Dr. philos. Durch Pastor Valette, mit dem er in Neapel befreundet geworden war, ward er nun Führer zweier Jünglinge, mit denen er ihre Studienzeit in Paris verlebte. Dann folgte er dem Ruf des Herzogs Christian August von Augustenburg als Hofmeister seiner beiden Söhne, die er zur Universität vorbereitete und dann nach Göttingen begleitete. Inzwischen trat die sog. Erhebung der Herzogthümer Schleswig-Holstein ein und St. fungirte zum Theil als Privatsecretär des Herzogs und veröffentlichte auch anonym eine Broschüre in dieser Landesangelegenheit. Hierauf ging er noch ein Jahr, der Einladung seiner früheren Zöglinge folgend, nach Italien, bis er 1852 an der Kieler Universität sich als Privatdocent in der Philosophie habilitirte. Er las hier vorzugsweise Geschichte der Philosophie mit großem Beifall. 1854 erhielt er einen Ruf als ordentlicher Professor der Philosophie nach Basel, dem er gern Folge leistete. In diesem Amte ist er auch bis ans Ende geblieben. 1864 fungirte er hier als rector magnificus. 1874 ernannte ihn die theologische Facultät zum Doctor theologiae honoris causa. 1879 sah er sich wegen zunehmender Schwachheit genöthigt, seine Vorlesungen aufzugeben und in den Ruhestand zu treten. Am 11. December 1888 ist er dann gestorben.

Während seine Vorlesungen, für die er ganz lebte, Zuhörer von allen Seiten und aus der Ferne herbeizogen, gestatteten seine körperlichen Kräfte ihm nicht, in gleicher Weise als Schriftsteller thätig zu sein. Es ist nur weniges, was er dem Druck anvertraut hat. Sein früherer College in Basel, Professor Dr. R. Eucken (jetzt in Jena) hat nach seinem Tode diese Abhandlungen gesammelt und herausgegeben: „K. Steffensen’s gesammelte Aufsätze“ (Basel 1890). Es sind 60 Artikel aus Zeitschriften. Dieselben eröffnet eine Abhandlung aus 1850: „Religion, Philosophie und Politik in nächster Zukunft“. Ferner finden sich darunter: „Das menschliche Herz und die Philosophie“ (Antrittsvorlesung in Basel), „Die wissenschaftliche Bedeutung Schleiermacher’s“, Artikel über Franz v. Baader, Meister Eckhart und Sokrates. Auch 1894 ist noch aus seinem schriftlichen Nachlaß: „Zur Philosophie der Geschichte, herausgegeben von Schmidt, mit Vorwort von Eucken“ erschienen. In diesem Vorwort heißt es: „St. folgte aus ganzer Ueberzeugung einem speculativen Idealismus. Mit ihm hatte seine Gedankenrichtung den Zug ins Große und Kosmische, die Schicksale des Geisteslebens bildeten den Kern des Weltgeschehens, das menschliche Erkennen sollte nicht in dunklen Reflectionen vor den Dingen stehen bleiben, sondern durch Eindringen in die Tiefen der Geisterwelt sich einer vollen und ganzen Wahrheit bemächtigen. Diese Welt selbst, ein einheitliches Ganze, sollte alle Lebenserweisung umspannen und sich auch den Gegensätzen gegenüber behaupten. Die Philosophie ward in erster Stellung Religion und Geschichtsphilosophie, das Verhältniß zu Gott, die Entfernung und Wiedergewinnung der Menschheit wurde zum Kerngehalt alles Geschehens, die Aufgabe, das Denken auf die Höhe weltauffassender Thatsachen zu führen und zugleich diese Thatsachen zur vollen Wirkung für das Menschenleben zu bringen.“ – Eucken nennt ihn einen bedeutenden, reichen und rastlos beschäftigten Geist. Der Biograph von Heinrich Thiersch, der von 1874 bis 1888 in Basel lebte, Dr. Wigand, sagt, daß dieser originelle Mann eine große Begeisterung für St. hegte und es öfters bedauerte, daß derselbe sich nicht entschließen konnte, seine Vorlesungen, namentlich über die Geschichte der Philosophie zu veröffentlichen. Thiersch hatte diese noch als [453] Professor gehört. Er nennt ihn einen Philosophen ersten Ranges. Leider hat St. auch das Buch von der Philosophie der Geschichte nicht selbst zum Abschluß gebracht. Es sind eben nur Fragmente aus seinem Schreiben, und es liest sich dasselbe auch nicht leicht, enthält aber tiefe Bemerkungen in Menge.

St., der durch Heirath wohlhabend, aber kinderlos war, hat wohlthätige und patriotische Unternehmungen in seiner Heimath gern unterstützt und nach seinem Tode ein Stipendium für in Kiel Studirende, zunächst Flensburger, gestiftet, die Zinsen von 30 000 Mk.

Philosophische Monatsschrift, 1872, S. 93. – Alberti, Schleswig-holsteinisches Schriftstellerlexikon II, 410. Forts. II, 278. – Schleswig-holsteinisches Kirchen- und Schulblatt 1891, Nr. 4. – Begräbnißfeier von Professor Steffensen. Basel 1888.