Empfohlene Zitierweise:

Artikel „Stauf, Hieronymus v.“ von Sigmund Ritter von Riezler in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 35 (1893), S. 521–523, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Stauff,_Hieronymus&oldid=- (Version vom 22. Dezember 2024, 04:10 Uhr UTC)
Allgemeine Deutsche Biographie
>>>enthalten in<<<
[[ADB:{{{VERWEIS}}}|{{{VERWEIS}}}]]
<<<Vorheriger
Staudt, Carl von
Nächster>>>
Stauffacher
Band 35 (1893), S. 521–523 (Quelle).
[[| bei Wikisource]]
Hieronymus von Stauff in der Wikipedia
Hieronymus von Stauff in Wikidata
GND-Nummer 137193742
Rohdaten, Werke, Deutsche Biographie, weitere Angebote
fertig
Fertig! Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle Korrektur gelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
Kopiervorlage  
* {{ADB|35|521|523|Stauf, Hieronymus v.|Sigmund Ritter von Riezler|ADB:Stauff, Hieronymus}}    

{{Normdaten|TYP=p|GND=137193742}}    

Stauf: Hieronymus v. St. (Donaustauf), Reichsfreiherr zu Ernfels (an der schwarzen Laber, nordwestl. von Regensburg), herzoglich bairischer Hofmeister, hingerichtet am 8. April 1516, entstammte einer jener bairischen Adelsfamilien, welche von Kaiser Friedrich III. mit der Reichsfreiherrnwürde beschenkt, dadurch aber einem theilweise nicht unbegründeten Mißtrauen ihrer Landesherren ausgesetzt worden waren. Bekannt ist der Witz, den man damals am kaiserlichen Hofe aufgebracht haben soll: daß sich drei große Hansen aus Baiern freien ließen; die neuen Freiherren hießen nämlich Hans v. Degenberg, Hans v. Aichberg und Hans v. Stauf, des Hieronymus Vater. Die Mutter des Hieronymus war eine Schenk v. Geiern, seine Gemahlin eine Pflug v. Rabenstein. Daß sich seine Schulbildung in engen Grenzen hielt, verrathen Sprache und Schrift seiner Briefe. Doch scheinen der staufischen Familie im allgemeinen geistige Interessen nicht fremd gewesen zu sein: die Namen Parzival, Gramoflanz, Feirafiß, die den Söhnen des Hauses beigelegt wurden, künden von dem Cultus, den man hier der alten Heldenpoesie widmete; als unerschrockene Bibelforscherin und Vorkämpferin für Luther’s Lehre lebt des Hier. Nichte, Argula v. Grumbach, die Tochter seines Bruders Bernhardin, in der Geschichte fort. Als Herzog Albrecht IV. von Baiern durch Forderungen, die im Interesse des Staates lagen, aber gegen verbrieftes Recht verstießen, den Adel seines Straubinger Landes in die Opposition und zum Abschluß des Löwenbundes (1489) gedrängt hatte, traten die beiden Brüder v. St. diesem Bündnisse bei. Außer den gemeinsamen Beschwerden der Ritterschaft hatten sie noch besondere, zumal über Eingriffe der herzoglichen Beamten in ihren Hofmarken. Bernhardin erhielt vom Kaiser (21. Nov. 1491) den Befehl, gegen Regensburg, das sich Herzog Albrecht’s Hoheit unterworfen hatte, die Reichsacht zu vollstrecken, und nun war H., der anfangs seinen Bruder von dem Abschluß des Bundes zurückzuhalten und die Zwistigkeiten mit Herzog Albrecht gütlich beizulegen gesucht hatte, der erste, der gegen den Landesherrn losschlug, indem er am 13. Decbr. von seinem Sitze Köfering aus dessen Dorf Pfatter überfiel. Von ihren Verbündeten im Stich gelassen, wurden jedoch die Löwenritter von Albrecht’s überlegener Macht niedergeworfen, am 26. und 27. December des Hier. Schlösser Köfering und Triftelfing erobert und geschleift, Hier. sammt 80 Landsknechten gefangen. Am 22. Januar 1492 fiel auch das Schloß Ernfels. Durch die allgemeine politische Constellation und den Widerstand seiner Landschaft genöthigt, mußte Albrecht gleichwohl in der wichtigsten Streitfrage, bezüglich der Besteuerung der ritterschaftlichen Bauern, nachgeben, worauf am 7. August 1493 unter Vermittlung von Landschaftsverordneten die Versöhnung des Herzogs mit acht der mächtigsten Bundesglieder, darunter Bernhardin und Hieronymus v. St., zustande kam. Die wichtigen Aemter, die den Brüdern v. St. in der Folge vom Herzoge übertragen wurden, und die hervorragenden Dienste, die sie darin leisteten, sprechen dafür, daß man von beiden Seiten den Schleier des Vergessens über alles Vorausgegangene fallen ließ. H. ward als herzoglicher Hauptmann zu Straubing bestellt und setzte in den Kämpfen des Landshuter Erbfolgekrieges das Leben für seinen Landesherrn ein; in der Böhmenschlacht und vor Dingolfing wurden ihm Pferde erstochen. Bernhardin ward mit der wichtigen Hauptmanns- oder Vitztumstelle in dem neugewonnenen [522] Landshut betraut, ja noch von Albrecht selbst als einer der Vormünder seines Erstgeborenen und Mitglied des Regentschaftsrathes bestellt.

Unter dem jugendlichen Wilhelm IV. spielte Hier. als dessen Rath, der oft zu wichtigen Gesandtschaften verwendet wurde, sogleich eine hervorragende Rolle. Als der Herzog im October 1512 den Versuch machte, durch Einberufung des Landschaftsausschusses die Landschaft selbst zu umgehen, war es St., durch dessen Mund die einberufenen Ausschußglieder sich als nicht zuständig erklärten. Als die Landschaft dann für den jüngeren Bruder Ludwig im Widerspruch mit Herzog Albrecht’s Primogeniturordnung die Mitregierung forderte und neue Räthe ernannte, die Wilhelm bis zu seinem 24. Jahre wie eine Regentschaft zur Seite stehen sollten, befand sich auch unter diesen wieder Hieronymus. Er ward damals als gemeinschaftlichen Hofmeister für Wilhelm und Ludwig bestellt. Als solcher gehörte er zu den „täglichen“, d. i. ständigen Räthen in München, und hatte im herzoglichen Schlosse selbst seine Wohnung. Persönliche Eigenschaften erklärten und unterstützten seinen großen politischen Einfluß. Nach Aventin ist er im ganzen Baierlande, mochte man nun Geburt oder Reichthum, Verstand oder Beredsamkeit in Betracht ziehen, hinter keinem Adeligen zurückgestanden.

Nach wenigen Wochen der brüderlichen Eintracht machte Wilhelm, der hierin den Kaiser auf seiner Seite hatte, den Versuch, die aufgedrungene Mitregierung des Bruders abzuschütteln und sich der Abhängigkeit vom Regentschaftsrathe und den Ständen zu entwinden. In der Hoffnung, gegen die Münchener auf das Niederland sich zu stützen, siedelte er nach Burghausen über und richtete sich dort einen besonderen Hofhalt ein. Herzog Ludwig und die Landschaft betrachteten den Staufer als jenen, dessen Rath Wilhelm damals bestimmte. Man warf ihm vor, er habe Wilhelm gegen die Landschaft aufgehetzt und den Ausschuß des grundlosen Planes bezichtigt, den Fürsten aufzuheben. Als er im August mit einem Auftrag seines Herrn nach München ritt, ward er dort auf dem Rathhaus von Dietrich von Plieningen zur Rede gestellt und soll im Trotz aus der Stadt geschieden sein. Gleichwohl führte die Aussöhnung der Brüder, die im September 1514 zustande kam, noch nicht sogleich sein Verderben herbei. Noch befand er sich unter den vier Herren, die allein in das intimste Geheimniß der herzoglichen Politik, in den Plan, die an Oesterreich und die junge Pfalz verlorenen Lande wieder beizubringen (9. Sept. 1515), eingeweiht wurden. Unter seinen Standesgenossen aber fachte die Schenkung der Herrschaft Falkenstein, die er Herzog Wilhelm’s Gunst verdankte, Neid und Zorn aufs neue an. Als im December 1515 der Landtag zu Landshut versammelt war, fand man eines Tages an der Kirchenthüre von St. Martin einen Zettel angeschlagen, worin ein Ungenannter den Staufer wegen dieser ungesetzlichen Bereicherung heftig angriff. Der Sturz des einflußreichen Günstlings erfolgte, als im Frühjahr 1516 die herzoglichen Brüder sich noch enger als bisher aneinander anschlossen, die früher beschlossene Trennung der Verwaltung aufgaben und auf zehn Jahre zu gemeinsamer Regierung sich entschlossen. Damals muß Ludwig seinen Bruder überredet haben, daß sein Hofmeister unter der heuchlerischen Maske des beflissenen Dieners auch ihm gegenüber nur als eigennütziger Verräther gehandelt habe.

In der Nacht des 1. April 1516 wurde Hier. in Ingolstadt verhaftet und die Nacht darauf in Gegenwart Herzog Wilhelm’s unter Anwendung der Folter – nach dem römischen Recht, das für Majestätsverbrecher keine Ausnahme in Anwendung dieses Beweismittels zuließ – dem Verhör unterworfen. Nach einer Aeußerung der Herzoge soll die Folter in viermaligem Aufziehen ohne Gewichte bestanden haben. Die Anklageacte war von beiden Fürsten dictirt, der größere Theil der Anklagen ging von Herzog Ludwig aus. Dem Hofmeister wurden vorgeworfen beleidigende Aeußerungen und Drohworte, ja Mordpläne gegen die [523] Herzoge Albrecht und Ludwig; Untreue und Pflichtvergessenheit gegen Herzog Wilhelm; eigennützige Geschäftsführung und Aufhetzung der beiden Fürsten gegen einander, auch Verleumdung der Landschaft vor den Fürsten und Aufhetzung Herzog Wilhelm’s gegen dieselbe. Mehrere der Anklagen sind auf gehässige Denunciation seiner Widersacher zurückzuführen. Unbedachte Reden, Ausbrüche augenblicklicher Aufwallung oder Verstimmung, bei deren Beurtheilung man den Maßstab der zeitgenössischen Derbheit anzulegen hat, wurden ihm, zum Theil noch nach langen Jahren, zum Verbrechen gemacht. Trotz der wiederholt verkündeten Amnestie wurde er auch wegen solcher Schritte zur Verantwortung gezogen, die er während des Zerwürfnisses der beiden landesherrlichen Brüder im Interesse des einen zum Schaden des andern unternommen haben sollte. Eine Durchsuchung seiner Wohnung in München hatte nichts Belastendes ergeben. Die Einsprache seiner Verwandten wurde zurückgewiesen, der Gerichtshof fällte das Todesurtheil, und nachdem dasselbe der eben versammelten Landschaft vorgelegt und von dieser gebilligt worden war, fiel am 8. April auf dem Salzmarkt zu Ingolstadt Herrn Hieronymus’ Haupt unter dem Schwerte des Henkers. Zu spät lief ein Schreiben kaiserlicher Räthe ein, welche Stillstand des Processes befahlen, da der Herr v. St. auch „Glied und Verwandter des Reiches“ sei. Die Herzoge und ihre Mutter wußten die Sache dem Kaiser, ihrem Oheim und Bruder, so hinzustellen, daß ihnen dieser (20. April) nachträglich freie Hand zum Vorgehen gegen den Staufer gewährte, wiewohl H. (wie es scheint, nicht sehr lange vor seinem Sturze) auch unter die kaiserlichen Räthe aufgenommen worden war.

Ein sicheres Urtheil über die Schuld des Staufers läßt sich nicht gewinnen. Den Zeitgenossen freilich galt dieselbe als erwiesen, aber deren Meinung wurde durch ein zu Ungunsten des Angeklagten entstelltes Verhörprotokoll bestimmt, das dem Kaiser und der Landschaft vorgelegt wurde und allein an die Oeffentlichkeit gelangte. Erst der Vergleich mit der jüngst aufgefundenen, in der Folterkammer entstandenen Urschrift des Protokolls hat dieses Verhältniß festzustellen gestattet. Wider die Wahrheit behauptete die veröffentlichte Urgicht, der Staufer habe auf sämmtliche Anklagepunkte ein Geständniß abgelegt, es verschwieg alle einschränkenden Zusätze, alle etwa mildernden Umstände und es unterdrückte die Betheuerung des Angeklagten, daß ihm alle Geständnisse nur durch die Folter erpreßt und der Wahrheit widersprechend seien. Eine Gütereinziehung war mit dem Proceß nicht verbunden; selbst Falkenstein blieb der Familie, die gleichwohl schon nach kurzer Zeit in finanziellen Verfall gerieth.

Hund, Bair. Stammenbuch II, 301 ff. – Krenner, Landtagshandlungen und die Landtage von 1514–1516. – M. v. Freyberg, Die Stauffer von Ehrenfels, theils Roman, theils Geschichte (so die zutreffende Titelangabe). – Riezler, Der Hochverrathsprozeß des Hieronymus v. Stauf (Sitzungsberichte der hist. Cl. der Münchener Akad. d. Wissensch. 1890, S. 435–506), wo auch Quellen und weitere Litteratur verzeichnet sind.