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Artikel „Staudt, Karl Georg Christian von“ von Moritz Cantor in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 35 (1893), S. 520–521, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Staudt,_Carl_von&oldid=- (Version vom 25. Dezember 2024, 17:55 Uhr UTC)
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Staudt: Karl Georg Christian v. St., Mathematiker, geboren am 24. Januar 1798 zu Rothenburg an der Tauber, † am 1. Juni 1867 in Erlangen. Er gehörte einer Rothenburger Patricierfamilie an, deren Mitglieder durch viele Geschlechter hindurch die Regierung der heimischen freien Reichsstadt führen halfen. Auch sein Vater, Georg v. St., war als Raths-Consulent thätig. Christian v. St. besuchte seit 1814 das Gymnasium zu Ansbach, von wo er mit der Ehrenmedaille entlassen zum Studium der Mathematik nach Göttingen ging. Er ist einer der sehr wenigen Mathematiker gewesen, die man Schüler von Gauß in dem Sinne nennen kann, daß sie zu dem Lehrer in näherer Beziehung standen. Gauß verschmähte es nicht, St. Aufgaben zu stellen, und ihm, wenn er die Lösung brachte, seine eigene Bearbeitung der Frage zu übergeben, wobei Gauß einmal die scherzhafte, in seinem Munde unerhörte Bemerkung machte, er hoffe auf gegenseitige Befriedigung. Im Jahre 1822 machte St. zuerst in Erlangen das Doctor-, dann in München das Lehrerexamen mit glänzendem Erfolge und wurde noch im gleichen Jahre als Professor am Gymnasium in Würzburg angestellt. Daneben habilitirte er sich als Privatdocent an der dortigen Hochschule. Das Jahr 1827 brachte Staudt’s Versetzung nach Nürnberg als Professor an das Gymnasium und als Lehrer an die polytechnische Schule; endlich 1835 wurde St. als ordentlicher Professor der Mathematik an die Universität Erlangen berufen, und in dieser Stellung blieb er bis zu seinem Tode. Diese Erfolge in seiner Laufbahn verdankte St. einzig seiner Lehrthätigkeit, denn bis 1835 hat er nur zwei Schulprogramme veröffentlicht (1825 und 1831), deren ersteres einen einfachen Beweis des Gauß’schen Kreistheilungssatzes enthielt. Die Beziehungen zu Gauß sind auch in mehreren Abhandlungen zu erkennen, welche St. im Crelle’schen Journale veröffentlichte. Auf die Construction des 17eckes, einen besonderen Fall der Kreistheilung, lenkte er 1842 (Crelle XXIV) sein Augenmerk und kam in einer nachgelassenen Abhandlung abermals auf die Kreistheilung zurück; der Fundamentalsatz der Algebra von der Zerlegbarkeit jeder ganzen rationalen Function einer Veränderlichen in lineare Factoren beschäftigte ihn 1845 (Crelle XXIX). Auch der Staudt’sche Satz von den Bernoulli’schen Zahlen aus dem J. 1840 (Crelle XXI) gehört der gleichen Richtung an; in ihm hat St. die Gesetzmäßigkeit in der Bildung der Nenner der sogen. Bernoulli’schen Zahlen erkannt und klargelegt. Eine ganz andere Richtung schlug dagegen das 1847 im Druck erschienene Buch „Geometrie der Lage“ ein, welchem 1856 und 1857 noch zwei Hefte „Beiträge zur Geometrie der Lage“ nachfolgten. Das Epochemachende an diesem Werke ist die Lostrennung der Beziehungen der Lage von allen messenden Untersuchungen. Die Begründer der neueren synthetischen Geometrie in unserem Jahrhunderte haben es sämmtlich nicht vermieden, auch von metrischen Beziehungen Gebrauch zu machen, St. war der Erste, der sich davon unabhängig zu machen wußte, der alle Sätze, welche aus der gegenseitigen Lage auf einander bezogener Raumgebilde folgen, auch durch bloße Betrachtung der Lagenverhältnisse ableitete. Und auch eine zweite geometrische Leistung Staudt’s hat die [521] Grenzen der Wissenschaft hinausgerückt. Er hat es verstanden, einen Weg zu bahnen, der das Imaginäre sicher in das Bereich geometrischer Untersuchung einbeziehen läßt.

Vgl. Nekrolog verfaßt von Dr. v. Martius in Grunert’s Archiv XLIX, Litterarischer Bericht CLXXXXIII, 1–3. – Crelle’s Journal LXVII, 217. – Poggendorff, Biogr.-litterar. Handwörterbuch II, 987.