Empfohlene Zitierweise:

Artikel „Spieß, Adolf“ von Ferdinand Sander in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 35 (1893), S. 173–177, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Spie%C3%9F,_Adolf&oldid=- (Version vom 6. Dezember 2024, 16:48 Uhr UTC)
Allgemeine Deutsche Biographie
>>>enthalten in<<<
[[ADB:{{{VERWEIS}}}|{{{VERWEIS}}}]]
Band 35 (1893), S. 173–177 (Quelle).
[[| bei Wikisource]]
Adolf Spieß in der Wikipedia
Adolf Spieß in Wikidata
GND-Nummer 118752049
Datensatz, Rohdaten, Werke, Deutsche Biographie, weitere Angebote
fertig
Fertig! Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle Korrektur gelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
Kopiervorlage  
* {{ADB|35|173|177|Spieß, Adolf|Ferdinand Sander|ADB:Spieß, Adolf}}    

{{Normdaten|TYP=p|GND=118752049}}    

Spieß: Adolf S., Pädagog, eigentlicher Begründer des deutschen Schulturnens, geb. am 3. Februar 1810 in Lauterbach (Vogelsberg), † am 9. Mai 1858 in Darmstadt. Als Sohn des damaligen städtischen Conrectors Johann Balthasar S. (s. d.) wurde Adolf S. in dem oberhessischen Städtchen Lauterbach geboren, aber bereits einjährig nach Offenbach verpflanzt, wo sein Vater 1811 zweiter Prediger ward und im eigenen Hause eine private Erziehungsanstalt unterhielt. In dieser genoß Adolf seit 1816 seinen ersten Unterricht und fand dort früh die entscheidende Anregung zu seinen turnerischen Interessen, wie zu seiner gesammten, patriotisch-deutschen und evangelisch-frommen Lebensansicht. Wesentlich bestärkt wurden die Eindrücke des väterlichen Hauses und der väterlichen Schule durch eine sommerliche Fußreise, auf welcher der Zehnjährige mit seinem Vater das berühmte Institut zu Schnepfenthal und namentlich den alten Guts Muths besuchen durfte. Dessen Vorbild und Vorschrift war denn auch in Offenbach für die Leibesübungen bestimmend; erst allmählich durch fremde Besucher und heimkehrende Studenten (unter denen Fritz Hessemer, Dichter des s. Z. beliebten Liedes: Geturnt, geturnt mit voller Kraft!) fanden auch Jahn’s und Eiselen’s eigenthümliche Lehren dort Eingang. Das frische fröhliche Leben, das unter der Jugend in Offenbach und in dem nahen, mit Offenbach rege verkehrenden Hanau damals blühte und in der Turnerei seinen treibenden Kern fand, ist anschaulich und ansprechend in zwei Aufsätzen beschrieben, die J. C. Lion in den „Kleinen Schriften über Turnen von Adolf Spieß“ (Hof 1877) mittheilt: „Blick auf den früheren und jetzigen Stand der Turnkunst, zur Beleuchtung ihrer inneren Entwickelung und ihrer Anwendung“ von S. (Aus der Zeitschrift „Der Turner“, Jahrgang 1847) und „Die Anfänge der Turnerei zu Hanau in den Jahren 1817, 1818 und 1819“ von J[ulius] C[arl] (Aus der „Deutschen Turnzeitung“ Jahrgang 1863). Mit leidenschaftlicher Begeisterung und bis zur bedenklichen Ueberspannung der jugendlichen Kräfte betheiligte auch S. sich an den Turnübungen und an den Turnfahrten in die nahen Gebirge des Taunus, Spessart u. s. w. Im Frühjahre 1828 verließ er Offenbach, um in Gießen Theologie zu studiren. Der erste dortige Aufenthalt brachte bei vielem Anregenden und Erfrischenden auch einen ernsthaften Zweikampf, in dem S. eine Verwundung der Lunge davontrug. Sie „bezeichnete die Stelle, an welcher nachher das Uebel in dem sonst durchaus wohlgebildeten und zum Widerstand gerüsteten Körper sich einschleichen sollte, um ihn schon im vierten Jahrzehnt [174] seines Lebens stark zu belästigen und im fünften niederzuwerfen“ (Lion). Er selbst berichtet von seinem akademischen Studium: „In Gießen war damals keine Turngelegenheit; dafür aber übte ich fleißig die Fechtkunst, die hier in hohem Ansehen stand und von vielen meisterhaft betrieben wurde. Doch fand sich auch hier bald ein Kreis von Freunden, mit denen ich Ausflüge und manchen anstrengenden Turngang in die herrliche Umgegend unternahm. Alle Berge und Burgen wurden erklommen und auf der Spitze des Dünsberges einmal übernachtet. Bald waren wir vertraut mit allen Wegen und Stegen in Wäldern und Fluren; unsere Wanderungen waren Entdeckungsreisen, die zu immer neuer Wanderlust uns trieben. Um Ostern 1829 zog ich mit mehreren Freunden von Gießen ab nach Halle. Wir machten die Reise nach damaliger guter Sitte zu Fuße. Nachdem wir den rauhen Vogelsberg durchkreuzt, gings über Fulda nach Eisenach und, als die ehrwürdige Wartburg erstiegen war, reisten wir über Schnepfenthal nach Gotha. Schon auf einer früheren Reise nach Thüringen (1820) hatte ich Schnepfenthal gesehen, und damals besuchten wir auch Guts Muths, von dem unsere Lehrer uns erzählt, daß er der Jugend die frische Kunst der Leibesübungen zuerst hier in Schnepfenthal geweckt und ausgebildet habe. Noch behalte ich das Bild dieses verehrten Mannes in lebendiger Erinnerung fest und freue mich, den Edlen gesehen zu haben. Ueber Erfurt, Weimar, Naumburg und Merseburg reisten wir dann nach Halle. Hier in Halle gesellten sich mir viele Freunde, die selber früher geturnt und Freude hatten am Turnerleben. Auch gelang es uns leicht, unter den Genossen regelmäßige Turnspiele einzuführen, und so geschah es, daß wir in Passendorf an zwei Nachmittagen in der Woche uns zu Spielen und Gesängen versammelten. – – Im Laufe des Sommers unternahmen turnerisch Gesinnte eine größere Turnfahrt, welche mehrere Tage währte. Wir wanderten in die güldene Aue, auf den Kyffhäuser, die Rothenburg, durch den Harz, nach Frankenhausen, auf die Sachsenburg und besuchten dann in Kölleda den alten Jahn. Der erzählte uns von seinem Turnerleben; wir lauschten seiner Rede. Zum Abschied ward uns sein fester Händedruck; unsere Herzen schlugen ihm entgegen. In dem kalten Winter 1829 bis 1830 um die Weihnachtszeit, als fußtiefer Schnee und eisige Kälte das Land deckte, machte ich eine Reise nach Berlin. Als Turner ein abgesagter Feind aller Verweichlichung, umhüllte mich kein Mantel und kein Pelz; ich setzte mich in kaum winterlicher Bekleidung in den offenen Beiwagen der nur mühsam sich fortschleppenden Post und fuhr so einen Tag und eine Nacht gefoltert von der Pein der fürchterlichsten Kälte. – – So oft es die Gelegenheit zuließ, wohnte ich hier den Turnübungen im Eiselen’schen Turnsaale bei und turnte fleißig mit. Manches Neue sah und lernte ich, namentlich Schwingstücke am Schwingel, wobei mir der rüstige Turner, der Gymnasiallehrer Philipp Wackernagel, an die Hand ging. Dagegen brachte auch ich einige Turnstücke mit. – Eiselen lernte ich nicht kennen, da er leider das Zimmer hüten mußte“. Nach Spieß’s Rückkehr (Frühling 1830) erblühte in Gießen fröhliches Turnstreben. Die Schaar der Turner stieg über 150; S. unterrichtete regelmäßig eine Riege von zwölf Knaben. Aber bald erneuerte die Regierung ihre alten Verbote, und die frohe Jugendlust verkümmerte zu dürftigen, heimlich gepflogenen Uebungen weniger Getreuer. Die Wellen der Julirevolution durchzitterten damals auch Deutschland. S., mächtig vom Gedanken der deutschen Einheit und Freiheit ergriffen, aber den Franzosen abhold, betrieb eifrig die Stiftung eines freien, brüderlichen, deutschen Studentenvereins, dessen Mittelpunkt der Turnplatz sein sollte. Als das polizeiliche Verbot dem allen Ziel setzte, studirte er um so eifriger auf seine theologische Prüfung, verließ Herbst 1831 die Universität und trat Ostern 1832 als Hauslehrer bei den Söhnen des Grafen Solms-Rödelheim auf Assenheim, eines Freiheitskämpfers [175] von 1813 und 1815, ein, auf dessen ausdrücklichen Wunsch auch Turnen, Schwimmen, Eislaufen in den Lehrplan aufgenommen wurden.

Das Jahr 1833 verpflanzte S. auf den Schauplatz, den er erst als berühmter Mann nach fünfzehn Jahren wieder verlassen sollte, nach der Schweiz. Auf eine Zeitungsnachricht hin, daß die bernische Stadt Burgdorf einen Lehrer suchte, der namentlich auch die Leitung des Turnunterrichtes zu übernehmen hätte, bewarb er sich, ward gewählt und siedelte Anfang October 1833 dorthin über. Schon durch Pestalozzi hatte Burgdorf in der pädagogischen Welt einen gewissen classischen Ruf. Es suchte ihn in liebevoller Pflege seines Schulwesens zu bewahren und neu zu bewähren. Nach Spieß’s Angaben ward der Turnplatz neu hergerichtet „zu einem der schönsten und zweckmäßigsten, die er je gesehen“. Die Elementarschule erhielt ein neues stattliches Gebäude und bald nach Spieß’s Eintritt in den drei alten Lützower Jägern Friedrich Fröbel aus Weißbach, Wilhelm Middendorf aus Unna und Heinrich Langethal aus Erfurt begeisterte Lehrer von schon damals anerkanntem Rufe, unter denen die beiden letzteren durch längere Jahre mit S. dort freundschaftlich verbunden blieben. Außer im Turnen unterrichtete er selbst noch in Geschichte und Gesang. Diese Schulmänner bildeten in jenen Jahren den festen Kern eines deutschen Vereins, der sich besonders Samstag Abends im Burgdorfer Stadthause bei einem Glase Wein zusammenfand und alle deutschen Angelegenheiten mit warmer Hingebung verfolgte. Von Bern her nahmen gern daran Theil die theologischen Professoren Karl Hundeshagen und Matthias Schneckenburger, sowie dessen jüngerer Bruder, der Kaufmann Max Schneckenburger, der 1838 oder 1839 in Burgdorf selbst sich niederließ. Wie, für diesen Kreis von Freunden gedichtet, in ihm zuerst von Adolf S. Max Schneckenburger’s „Wacht am Rhein“ am Clavier gesungen worden, hat Hundeshagen am 11. August 1870 in der Kölnischen Zeitung berichtet. Der Aufsatz, der zuerst dem deutschen Volke den Dichter des schwungvollen Liedes bekannt gab, ist seitdem öfter, auch von Lion, in den „Kleinen Schriften von A. S.“ abgedruckt worden. In Burgdorf verheirathete sich S. 1840 mit Marie Buri von da, Schwester des ihm befreundeten Juristen, späteren Oberrichters Rudolf Buri. – Während der Jahre der Burgdorfer Lehrpraxis gestaltete S. nun das Schulturnen in eigenthümlicher Weise aus, wenngleich überall an Vorhandenes naturgemäß anknüpfend. Nicht der erste, der den Turnunterricht der Mädchen empfahl und versuchte, hat doch er ihn zuerst mit rechtem Nachdruck und Erfolge durchgeführt. Aus den schon früher betriebenen Turnspielen entwickelte er die besondere Turnart der Freiübungen, deren Zweck ist, „die Schüler zu freier Beherrschung des Leibes und kunftvoller leiblicher Gebärdung im Stehen und Gehen auf der gewöhnlichen Bodenfläche zu erziehen, mit einem Worte: in den Uebungen, welche sich wie von selbst als die Grundübungen im leiblichen Leben des Menschen hervorstellen oder an diese anschließen“. „Es ergab sich dann wie von selbst, daß bei der möglichen gleichzeitigen Beschäftigung einer größeren Schülerzahl in den Freiübungen zugleich Rücksicht genommen werden müsse auf Ordnung und Gliederung der geeinten Schaar, mochte dieselbe nur an Ort oder von Ort sich bewegen.“ Dies führte zur Anerkenntniß und liebevollen Pflege der Gemeinübungen (Ordnungsübungen) als besonderer Turnart. Als eigentlicher Begründer dieser beiden Zweige des Turnunterrichtes hat S. sich das höchste Verdienst erworben; kaum minder durch die klare Erkenntniß und nachdrückliche Betonung des im höheren Sinne erziehlichen Momentes im Turnen, daß er demgemäß für die Schuljugend in unmittelbare und organische Einheit mit den übrigen Zweigen des Schulunterrichtes und der nationalen christlichen Jugendbildung gesetzt wissen wollte. Weniger ist ihm, wie man sagen darf, das Bestreben gelungen die mehr und mehr anwachsende Fülle der Turnübungen in ein vollständiges, [176] angeblich natürliches System zu bringen, für das der Unterschied einerseits der Thätigkeiten (Stemmen, Hangen, Liegen; Stemmen und Hangen; Stemmen und Liegen; Hangen und Liegen; Stemmen, Hangen und Liegen), anderseits der beschäftigten Haupttheile des Leibes maßgebend sein sollte. S. ist durch dieses Bestreben zu einer Weitläufigkeit und Trockenheit der Darstellung verleitet worden, die der unmittelbaren, lebendigen Wirkung auf seine Zeitgenossen oft Abbruch thaten. – Seine erfolgreiche Lehrthätigkeit, bald auch auf den Turnunterricht im Landesseminar für Volksschullehrer ausgedehnt, machte ihn bald im Kreise der Turnfreunde berühmt. Auch erschienen während der letzten Jahre seines Burgdorfer Aufenthaltes die ersten drei Bände seiner „Lehre der Turnkunst“ (4 Th., Basel 1840–46), das in vier Theilen behandelt: 1. das Turnen in den Freiübungen (1840), 2. das Turnen in den Hangeübungen (1842), 3. das Turnen in den Stemmübungen mit einem Anhange der Liegeübungen (1843), 4. das Turnen in den Gemeinübungen (1846). Besonders der erste Band, der schon auch auf die Gemeinübungen sich mit erstreckt und deren kunstreiche Verbindung mit Musik, namentlich Gesang, zu sogenannten Turnreigen anregte, wirkte in hohem Maße belebend auf den schweizerischen und den deutschen Turnbetrieb. Als im Jahre 1842 dem gymnastischen Unterricht in Preußen und Deutschland überhaupt wieder Eingang in die Schulen gewährt ward, bereiste S. hoffnungsvoll die Hauptorte Deutschlands und suchte in München mit Maßmann, in Berlin mit Eiselen und durch ihn mit den maßgebenden Schulmännern sich zu verständigen. Auch bei dem greisen Jahn sprach er damals wiederum vor, um mit ihm die Zukunft seiner wiedererstehenden Kunst eingehend zu berathen. Der Gedanke, selbst zur Leitung des preußischen Schulturnens berufen zu werden, lag S. damals nicht fern, und er ist wohl auch in Berlin erwogen worden. Aber Maßmann wurde vorgezogen und damit ein Weg eingeschlagen, der von dem Spieß’schen Ideale des pädagogischen Turnens zunächst abseits führte. Die trefflichen „Gedanken über die Einordnung des Turnwesens in das Ganze der Volkserziehung“ (Basel 1842; Kleine Schriften S. 15 ff.) offenbaren Spieß’s Wünsche und Hoffnungen aus jenem Zeitpunkte.

Bald nachher wurde S. als Lehrer an Gymnasium, Realschule und Waisenhaus für Turnen und Anfangs auch für Geschichte nach Basel berufen. Im Mai 1844 trat er die neue Stelle an, in der er trotz der von ihm beklagten Freiwilligkeit des Turnunterrichtes bald eine anerkannt segensreiche, lebenweckende Thätigkeit entfaltete. Ein treffendes Bild seiner dortigen Thätigkeit gibt der „Bericht über das Turnen der Schüler des Gymnasiums und des Waisenhauses zu Basel im Sommerhalbjahre 1844“ (Einladungsschrift zur Promotionsfeier des Gymnasiums und der Realschule; Kl. Schr. S. 52 ff.). Auch erschien während der Baseler Jahre der erste Theil des „Turnbuches für Schulen“ (2 Bände, Basel 1847 und 1851). Wie in Basel selbst, so fand auswärts S. immer mehr Anerkennung. Von Heidelberg und von Dresden bemühte man sich, ihn zu gewinnen. Die Heidelberger Versuche bewirkten neben Verbesserung seiner äußeren Lage mehrfache Förderung des Turnwesens in Basel selbst, besonders auch Ausdehnung des Turnunterrichtes auf die Töchterschule. Der Dresdener Ruf traf S. bereits zu weit eingelassen in Unterhandlungen mit der Staatsregierung seines engeren Heimathlandes, um noch angenommen zu werden.

Im Mai 1848 siedelte S. als Assessor des Studienrathes mit einem Gehalte von 2000 Gulden süddeutscher Währung nach Darmstadt über. Seine Aufgabe sollte dort sein, das Turnen durch Berathung der leitenden Schulbehörde, durch anregende Schulbesuche hin und her im Lande, durch vorbildlichen Unterricht in Schulclassen von Mädchen und Knaben, durch Lehrgänge mit Lehrern und Lehrerinnen zu fördern. Auf jedem dieser Wege hat S. noch in Darmstadt und [177] von dort in weitere Kreise der deutschen Schule hinaus thatkräftig gewirkt, auch 1851 in Oldenburg, von der Behörde auf Anregen seines Jugendfreundes, des Oberschulrathes Willich, berufen, einen fünfwöchentl. „Lehrgang f. Schulturnlehrer“ unter warmem Beifalle der Betheiligten abgehalten. Seit dem Jahre 1852 durfte er sich eines eigenen, nach seinen Angaben erbauten Turnhauses in Darmstadt erfreuen. Allein mehr und mehr kränkelte er an seinem oben erwähnten Brustleiden, und von der anderen Seite beeinträchtigte steigender Hang zu abstracten, wenn auch stets warm aufgefaßten und edel gedachten Theorien sein praktisches Wirken. So steigerte er den richtigen Grundsatz, daß das Turnen ein lebendiges Glied im Ganzen der Jugenderziehung und des Jugendunterrichtes sein muß, zu dem undurchführbaren Anspruche, daß womöglich jeder Lehrer als Turner und Turnlehrer auf die Jugend wirken sollte. Auch unterlag er der Neigung, den ehrenwerthen Ernst seiner religiösen und kirchlichen Lebensansicht unvermittelter in sein nächstes Berufsgebiet einzumischen, als dessen besondere Grenzen naturgemäß zuließen.

Seit Sommer 1855 mußte S. zunehmender Leiden halber der turnerischen Berufsübung entsagen. Zwei Jahre lebte er, vergeblich Heilung suchend, in Vevey am Genfer See. Den Winter von 1857 auf 1858 brachte er wieder in Darmstadt zu und starb dort am Sonntage, dem 9. Mai 1858, das Gebet: Herr hilf! auf den Lippen. Das Gute, Edle, Patriotische, Sittliche, das er im Turnwesen begeistert erstrebte und im Kampfe mit vielen Hemmnissen nur unvollkommen erreichte, ist inzwischen seiner Verwirklichung viel näher gekommen, und immer wird der Name Adolf S. als der eines tüchtigen deutschen Lehrers und Mannes in der Schule und in der Turnwelt guten Klang behalten.

Außer den oben angeführten beiden Hauptwerken („Lehre der Turnkunst“ und „Turnbuch für Schulen“) biographisch besonders ergiebig die „Kleinen Schriften über Turnen“ (Hof, neue Ausgabe 1877) und die der Sammlung vom Herausgeber J. C. Lion vorausgeschickten „Beiträge zu A. Spieß’s Lebensgeschichte“.