ADB:Spee, Friedrich von
Gebhard Truchseß von Waldburg war. (Das Wappen der Spee oder Spede, der rote Hahn (Speevogel) im silbernen Felde ist ein redendes. Vgl. Fahne, Chroniken und Urkundenbücher hervorragender Geschlechter, Stifter und Klöster. 3. Bd. Urkundenbuch des Geschlechtes Spede jetzt Spee. Köln 1876.) Seine Mutter war Mechtild Dücker von Altenkrickenbeck, die außer Friedrich, dem jüngsten, noch zwei Söhne, Johann Adolf und Arnold hatte. Frühzeitig sandten die Eltern unsern Friedrich studienhalber in das Jesuitencollegium „von den drei Kronen“ zu Köln, woselbst er den sogen. humanistischen Disciplinen oblag. Im Jahre 1610 erbat und erhielt er die Aufnahme in den Orden der Gesellschaft Jesu und begann noch im Herbst desselben Jahres zu Trier das Noviziat; 1613 ward er als Magister der Grammatik und der schönen Wissenschaften nach Köln gesandt, in welchem Amte er drei Jahre verblieb. Nach Beendigung seiner theologischen Studien und erhaltener Priesterweihe kehrte S. 1621 zum dritten Male nach Köln zurück, diesmal um einen Lehrstuhl der Philosophie einzunehmen. In den Jahren 1625 und 1626 wirkte er als Domprediger zu Paderborn. Das bedeutsamste Jahr im Leben Spee’s ist aber das Jahr 1627. Damals erbat Philipp Adolf von Ehrenberg, Bischof von Würzburg, von dem Orden einen Beichtvater für die zum Flammentode verurtheilten s. g. Hexen. Die Vorsehung wollte, daß S. zu diesem traurigen Amte erkoren wurde. Nach einem alten gerichtlichen Verzeichnisse wurden in diesem und dem folgenden Jahre allein zu Würzburg 158 Hexenleute auf 29 Scheiterhaufen zum Tode befördert, darunter drei Domherrn, 14 Hülfspriester, mehrere Rathsherrn, die Wittwe eines Kanzlers, ein Doctor der Theologie, mehrere junge Edelleute und Edelknaben, ein blindes Mädchen, zwei Kinder von 9 Jahren und darunter u. s. w. An zweihundert dieser Schlachtopfer [93] eines blinden Wahnes geleitete S. zum Tode, darunter, wie er selbst sagt, nicht eines, von dem er nach allseitiger vernünftiger Erwägung hätte behaupten können, es sei schuldig. Was Wunder wenn die Haare des Priesters vor der Zeit grau wurden! „Es ist nicht gut sagen, was ich dort alles erfahren habe,“ schreibt er. „Ich erinnerte mich der Stelle im Prediger: Ich wendete mich zu Anderem und ich sah die Gewaltthaten, welche unter der Sonne geschehen, ich sah die Thränen derer, die Unrecht litten und hatten keinen Tröster; sie können der Gewalt nicht widerstehen und sind allseits der Hülfe beraubt. Da pries ich die Toten glücklicher als die Lebenden und hielt für glücklicher als beide den, der noch nicht geboren und die Uebelthaten nicht geschaut hat, welche unter der Sonne geschehen“ (Caut. crim. Dub. XIX rat. VII). Aber schon die Liebe, mit der S. den unschuldigen Opfern ihren letzten Gang zu erleichtern suchte, erregte den Argwohn und die Unzufriedenheit der Richter. „Alle Sorge wird getragen, daß ja keine billig denkenden und gelehrten Priester, die etwas mehr Grütze im Kopfe und das Herz auf dem rechten Flecke haben, sich der armen Opfer annehmen. Sie lassen auch keinen zu, der allenfalls die Fürsten aufklären könnte, denn sie fürchten, die Unschuld der armen Gefangenen möchte doch noch in der Folge ans Tageslicht kommen. Deßhalb gestatten die Inquisitoren den Priestern einer gewissen Gesellschaft nicht einmal das Beichthören der Unglücklichen, obgleich diese Priester die Jugend fast aller Länder unterrichten und erziehen und auch das Gewissen mancher Fürsten leiten. Vor nicht gar langer Zeit sprachen sich die Richter sogar dahin aus, man müsse diese Gesellschaft aus dem Vaterlande vertreiben, weil ihre Mitglieder Störenfriede der Rechtspflege seien.“ (Caut. crim. Dub. LI n. 33).
Spee: Friedrich v. S. wurde geb. im J. 1591 zu Kaiserswert, dem damals kurkölnischen Städtchen unweit Düsseldorf, wo sein Vater, Peter Spee, Burgvogt und Amtmann des KurfürstenDie Frucht dieser Seelenleiden war die Cautio criminalis, seu de Processibus contra Sagas Liber … Auctore Incerto Theologo Orthodoxo. Rinthelii Typis exscripsit Petrus Lucius Typog. Acad. MDCXXXI – zwar nicht das erste Werk gegen Hexenwahn und Scheiterhaufen (denn Wier, Loos und Tanner waren hierin S. vorausgegangen), aber das erste, welches einen durchgreifenden Erfolg hatte, obschon es anonym erschien und erst im Drucke veröffentlicht ward, als S. bereits Würzburg hatte verlassen müssen. Philipp von Schönborn, der vertraute Freund Spee’s, war, nachdem er Kurfürst von Mainz geworden, der erste, der alles Hexenspüren verbot.
Von Würzburg ward S. auf Verlangen des Kurfürsten Ferdinand von Köln, des Bischofs von Hildesheim, im November 1628 nach Peina gesandt, um in der gleichnamigen Grafschaft durch seine Predigt für Durchführung der Gegenreformation zu wirken. Der Erfolg des Missionärs veranlaßte ein Attentat auf sein Leben und fast wäre er am 29. April 1629 bei Woltorp den Kugeln eines Meuchler’s erlegen. Elf Wochen lag S. zu Hildesheim zwischen Leben und Tod. Wiederhergestellt blieb er bis September 1629 in Peina und führte alsdann das alte Weserstift Corvey zu besserer Zucht zurück. Zur Stärkung seiner schwankenden Gesundheit mußte S. einen längeren Landaufenthalt in dem unweit Corvey gelegenen Dörfchen Falkenhagen nehmen. In dieser stillen Waldeinsamkeit scheinen die meisten Lieder der Trutznachtigall zuerst gesungen worden zu sein. Manche freilich mögen schon in früheren Jahren entstanden sein. Wenigstens finden sich in dem „Geistlichen Psalter“ Köln 1638 und dem „Seraphisch Lustgart“ von 1635 Lieder, die erst 1648 in der ersten, freilich nach Spee’s Tode besorgten Auflage der Trutznachtigall auftraten. (Trotz Nachtigal, Oder Geistlichs-Poetisch Lvst Waldlein, Deszgleichen noch nie zuvor in Teutscher sprach gesehen. Durch den Ehrw. P. Fridericvum Spee, Priester der Gesellschaft Jesv. Jetzo nach vieler wunsch und langem anhalten zum erstenmahl in Truck verfertiget … Collen, In verlag Wilhelmi Friessems Buchhändlers, [94] in der Franckgasz im Ertz-Engel Gabriel. Im Jahr 1649.) Auch das seit alter Zeit bis heute fast unverändert erhaltene Hildesheimische Gesangbuch soll alter Ueberlieferungen zufolge Lieder von S. enthalten. Und in der That erinnern einzelne, die in der Trutznachtigall fehlen, nicht wenig an die Weise unseres Dichters. Kirchenlieder im strengen Verstande des Wortes hat S. nicht viele geschrieben, aber geistliche Dichtungen, die an Tiefe der Empfindung, Reinheit der Sprache und Vollendung der Form, einer besseren Zeit deutscher Litteratur anzugehören verdienten. Welchen Antheil S. an den Melodien der Trutznachtigall hat, ist eine Frage, die noch auf Beantwortung wartet.
Zu Anfang 1632 ward S. nach Köln berufen, um daselbst über Moraltheologie zu lesen. Spee’s Collegienhefte wurden in der Folge das Hauptmaterial, aus dem Busenbaum seine bekannte medulla theologiae moralis herstellte, ein Werk, das die Ehre hatte, von einem Alphonsus de Liguorio commentirt zu werden, ähnlich wie die Sentenzen des Lombarden durch Thomas Aquinas. Ebenso entstand zu Köln das „Güldene Tugendbuch“, eine ascetische Anleitung zur Uebung der s. g. theologischen Tugenden, die mit mancherlei geistlichen Liedern durchflochten ist (Güldenes Tvgend-Bvch, das ist Werck vnnd übung der dreen Göttlichen Tvgenden desz Glaubens, Hoffnung vnd Liebe. Allen Gottliebenden andächtigen, frommen Seelen: vnd sonderlich den Kloster vnd anderen Geistlichen personen sehr nützlich zu gebrauchen. durch den Ehrw. P. Fridericvm Spee, Priester der Gesellschaft Jesv … Cöllen, In verlag Wilhelmi Friessems Buchhändlers in der Franckgasz im Ertz-Engel Gabriel. Im Jahr 1649). Ende 1633 befand sich S. in Trier. Hier besorgte er eine zweite Abschrift der Trutznachtigall. 1635 eroberten die Geistlichen unter Ritberg die von ihrem Landesherrn den Franzosen verrathene Moselstadt. Der Schrecken einer pestartigen Seuche folgte den Gräueln des Krieges. Unermüdet wartete S. an den Erkrankten der Werke leiblicher und geistlicher Barmherzigkeit, bis der Todesengel auch seinem Leben christlicher Liebe ein Ziel steckte. Er starb am 7. August 1635 im Alter von nur 44 Jahren und ward in der Gruft der Jesuitenkirche zu Trier beigesetzt.
- Wir besitzen keine Lebensbeschreibung von S., die der Bedeutung des Mannes und unseren Ansprüchen an eine Monographie gerecht würde. Am eingehendsten ist noch Diel, Friedrich von Spee, Freiburg i. B. 1872, dem wir zumeist gefolgt sind. Aber auch seine Darstellung ist populärer Natur. Die über S. vorhandene Litteratur ist ausführlich zusammengestellt bei K. Goedeke, Grundriß zur Geschichte der deutschen Dichtung. Zweite Aufl. 3. Bd. S. 193–95, sie weiß fast nur Aufsätze aus Zeitschriften und Programmen zu bieten. Hinzuzufügen wären Cardauns, Friedrich von Spee, Frankfurt a. M. 1882. – Alegambe, Bibl. Soc. Jesu p. 551 – v. Hartzheim, Bibl. Colon. p. 57 – Cordara II l. XIV p. 283, sowie endlich einige neuere Schriften über Hexenwesen und Hexenprocesse, z. B. Diefenbach, der Hexenwahn, Mainz 1886 S. 287 ff.