Empfohlene Zitierweise:

Artikel „Fahne, Anton“ von Otto Schell in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 48 (1904), S. 483–485, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Fahne,_Anton&oldid=- (Version vom 25. Dezember 2024, 18:06 Uhr UTC)
Allgemeine Deutsche Biographie
>>>enthalten in<<<
[[ADB:{{{VERWEIS}}}|{{{VERWEIS}}}]]
Nächster>>>
Faißt, Immanuel
Band 48 (1904), S. 483–485 (Quelle).
[[| bei Wikisource]]
Anton Fahne in der Wikipedia
Anton Fahne in Wikidata
GND-Nummer 116381493
Rohdaten, Werke, Deutsche Biographie, weitere Angebote
fertig
Fertig! Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle Korrektur gelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
Kopiervorlage  
* {{ADB|48|483|485|Fahne, Anton|Otto Schell|ADB:Fahne, Anton}}    

{{Normdaten|TYP=p|GND=116381493}}    

Fahne: Anton F., Historiker und Genealoge, wurde am 28. Februar 1805 zu Münster in Westfalen geboren. Nachdem er von 1818–1823 das Gymnasium seiner Vaterstadt besucht hatte, wandte er sich der Handlungswissenschaft zu, um dieselbe schon bald mit dem Studium der Medicin in Bonn zu vertauschen. Später hörte er philosophische, kirchengeschichtliche und dogmatische Vorlesungen, letztere bei Hermes, um sich dann (und zwar in Bonn) ausschließlich auf juristische und historische Studien unter Walter, Mackeldey, Niebuhr und Grauert zu werfen. Hüllmann’s Vorträge fesselten ihn besonders und vertieften seine Liebe zur Geschichte, für welche er von Jugend auf ein lebhaftes Interesse bewiesen hatte. Dagegen war es Christian Kapp, der ihn für die Kunst und namentlich die Antike zu begeistern wußte. Von Bonn aus trat F. eine Reise nach Würzburg, Bamberg, Prag und Dresden an, um dann in Berlin seine juristischen Studien unter Savigny, Jarke und Gans fortzusetzen. Das freundschaftliche Wohlwollen, welches ihm Gans bewies, war für ihn von großer Bedeutung. Im Herbst 1829 kehrte er nach Münster zurück und machte dort sein Examen als Auscultator. Im J. 1831 reiste er nach Südfrankreich, um das Seebad Cette zu benutzen. Diese Reise zeitigte sein erstes Werk „Bilder aus Südfrankreich“. Eine Reise nach der Schweiz folgte bald. Nachdem er sein Referendarexamen bestanden hatte, ließ er sich beim Justizsenat in Ehrenbreitstein beschäftigen. Der Umgang mit einer Reihe trefflicher Männer (beispielsweise Franz Halm) befestigte ihn in seiner Liebe zur Geschichte im allgemeinen und für die des Rheines und der Rheinlande ganz besonders. Im J. 1834 wurde F. auf seinen Wunsch nach Düsseldorf versetzt und trat 1836 die Verwaltung des Friedensgerichts zu Jülich an. Seine Ernennung zum Friedensrichter in Jülich erfolgte bereits 1836 und 1838 seine Versetzung in gleicher Eigenschaft nach Bensberg bei Köln. Im J. 1842 trat er mit unbestimmtem Urlaub von seinem Amte zurück, um verwickelte Familienverhältnisse zu regeln (nähere Angaben in Fahne’s Werk „Die Fahnenburg und ihre Bildergallerie“ S. 85 ff.) und die begonnenen litterarischen Unternehmungen besser fördern zu können. Den Plan zu seinen historisch-genealogischen Forschungen hatte er während seiner Amtsthätigkeit in Bensberg gefaßt, vor allen Dingen angeregt durch das Kölner Schreinsarchiv, welches damals beim Bensberger Landgericht deponirt war. Als Frucht der Benutzung dieses reichhaltigen Materials darf in erster Linie das zweibändige Werk „Geschichte der kölnischen, jülichschen und bergischen Geschlechter“ betrachtet werden; doch hatte er für dasselbe auch archivalische Studien an verschiedenen Orten des Rheinlandes, in Südfrankreich, Italien, in der [484] Schweiz, in Süddeutschland, in Belgien und Holland gemacht. In dieser Zeit, und zwar in den Jahren von 1842–1858, bewohnte F. das geschichtlich denkwürdige Haus Roland, Eigenthum seines Schwiegervaters, des Friedensrichters Stommel aus Aachen. „Ein Besitzthum mit so vielen landschaftlichen Reizen“, schreibt F., „konnte nicht verfehlen, sich geltend zu machen. Es liegen von Anfang dieses Jahrhunderts bis zu den vierziger Jahren Nachrichten vor, welche mit den lebendigsten Farben die ländlichen Vergnügungen schildern, die man Sonntags in dem Vorpark von Roland genossen habe. – – – – Potenzierter war das Leben in dem oberen Parke und dem darin stehenden Schlosse. Hier hatte sich jugendliche Lust mit Poesie, Kunst und Wissen gepaart und ihre Lockungen den Naturreizen zugesellt“. An diesem gesellig-heitern Treiben betheiligte sich nicht zuletzt die Düsseldorfer Künstlerschaft, welche den Festen in Roland einen künstlerischen Schwung verlieh. Im J. 1855 faßte F. den Entschluß, nach der Fahnenburg, einem 1846 von ihm unweit des Weges von Düsseldorf nach Grafenberg erbauten Forsthause, überzusiedeln. Ein vollständiger Umbau war zur Aufnahme seiner Gemälde- und Büchersammlung erforderlich. Dieser kam in den folgenden Jahren zu Stande und 1858 bezog er das neue Heim. Für großartige Feste, wie sie Haus Roland so oft gesehen, war hier kein Raum mehr. Das Haus reichte nur für Fahne’s Wohnung und seine umfangreichen Sammlungen; der Park war nicht zur Aufnahme großer Menschenmassen geeignet. Für den lebendigen, langjährigen Verkehr mit der Künstlerschaft suchte F. Ersatz in seinen immer eifriger betriebenen Forschungen und Arbeiten, so daß er 1858 (Fußnote zu der Geschichte der Westphälischen Geschlechter) schreiben konnte: „Ich arbeite jetzt schon 21 Jahre täglich 16 Stunden unausgesetzt. Dieses zur geneigten Berücksichtigung, da es sonst auffallen und wol unmöglich erscheinen möchte, solche Werke, an denen nur einer allein arbeiten kann, in so kurzer Zeit zu liefern“. Nur unter diesen Umständen ist die große Zahl seiner Werke, die ganz besonders mühsame Vorarbeiten erforderten, erklärlich. Dieser seltene Fleiß wurde aufs trefflichste durch eine nie ermattende Arbeitslust unterstützt. Dabei blieb die Fahnenburg ein Mittelpunkt der Gastfreiheit, ein Sammelpunkt von Künstlern, Gelehrten, Dichtern und hohen Beamten.

So hatte F. seinem Namen in den weitesten Kreisen nicht nur durch seine geschichtlich-genealogischen Forschungen, welche oft ins Gebiet der Culturgeschichte hinübergriffen, einen ehrenvollen Klang verschafft, sondern auch durch seine vielfachen geselligen Beziehungen und Freundschaftsverhältnisse. Jede Einseitigkeit wußte der eifrige Sammler und Forscher zu vermeiden und auch in den Tagesfragen, in den Angelegenheiten des öffentlichen Lebens, war er durchaus bewandert, wie eine große Anzahl seiner Schriften zur Genüge beweist. Zudem war F. ein guter Zeichner, ein feinsinniger Kunstkenner, der mit Geschmack eine sehr beachtenswerthe Gemäldegalerie in der Fahnenburg (siehe „Die Fahnenburg und ihre Bildergallerie“) sammelte, ein tüchtiger Musiker und Componist, ein beachtenswerther Archäologe. Für das Studium der Genealogie und Heraldik in Rheinland und Westfalen ist er von bahnbrechender Bedeutung geworden; auch die Culturgeschichte dieser Provinzen verdankt ihm nennenswerthe Förderungen. So dankenswerth aber seine großen genealogischen Werke sind, so müssen sie doch mit einiger Vorsicht aufgenommen werden, da ihnen Vollständigkeit und Genauigkeit der Aufzeichnungen hin und wieder mangelt. Vor allen Dingen ist die Forschung über die niederrheinischen Landwehren längst zu andern Grundanschauungen gekommen, wie sie F. und nach ihm J. Schneider vertreten haben. Diese Mängel wurden schon früh erkannt und trugen F. manche Anfeindung ein, welche allerdings durch zahlreiche [485] Ehrungen (er wurde zum Ehrenmitglied vieler gelehrten Gesellschaften ernannt) im In- und Auslande wett gemacht wurden. Bis in die letzten Lebensjahre hinein erfreute sich F. einer vorzüglichen Gesundheit. Als diese wankend wurde, verminderte sich seine Arbeitslust doch keineswegs, bis ihn der Tod am 12. Januar 1883 auf seiner geliebten Fahnenburg abrief, nachdem er fast fünfzig Jahre zu den hervorragendsten Geschichtsforschern am Niederrhein gezählt hatte. Drei Tage später fand er auf dem Friedhofe zu Gerresheim seine letzte Ruhestätte.

F., der rastlose Forscher auf den verschiedensten Gebieten, war trotzdem ein jovialer Gesellschafter, der im ausgelassenen Zecherkreis oder in der heitern Künstlerwelt sein volles Genügen zu finden schien; ein mit feinem Humor begabter leutseliger Wirth, der für seine Gäste alles opferte; ein fester Charakter, gestählt durch ein reich bewegtes Leben; eine seltsame Mischung des zähen Westfalen (wie er sich in seinen mühseligen Forschungen documentirte) und des lebensfrohen Rheinländers, der beim Becherklang, bei Lied und Spiel alles zu vergessen schien; ein Forscher, der auf dem genealogisch-historischen Gebiet im rheinisch-westfälischen Kreise zu allen Zeiten Beachtung finden wird.

Zu den bedeutungsvollsten seiner historisch-genealogischen Publicationen zählen: „Die Düsseldorfer Malerschule in den Jahren 1834, 1835 und 1836“; „Geschichte der adligen Familie von Stommel in ihren verschiedenen Linien“; „Diplomatische Beiträge zur Geschichte des Kölner Domes; „Geschichte der kölnischen, jülichschen und bergischen Geschlechter“; „Die Grafschaft und freie Reichsstadt Dortmund“; „Geschichte der westphälischen Geschlechter“; „Geschichte der Herren und Freiherren von Hövel“; „Die Dynasten, Freiherrn und jetzigen Grafen von Bocholtz“; „Geschichte der Grafen, jetzigen Fürsten zu Salm-Reifferscheid“; „Die Landwehr oder Limes imperii Romani am Niederrhein“ (Zeitschr. des Bergischen Geschichtsvereines IV, 1 ff.); „Schloß Landsberg und die römische Landwehr“ (ebenda X, 116 ff.); „Die Landwehr von Velbert bis Hückeswagen“ (ebenda XIV, 137 ff.). Von den juristischen Schriften erwähnen wir: „Das Fenster- und Licht-Recht nach römischem, deutschem, preußischem und französischem Rechte“; „Etwas über Ehrenkränkungen“; „Das Staatsamt und die Gesetze vom 29. März 1844“; „Der politische Jesuitismus im neuen preußischen Jagdrecht“; „Ueber die Pflicht des Staates, die rheinischen Jagdeigenthümer des rechten Rheinufers zu entschädigen“. (Ein genaues Verzeichniß findet sich im Anhang seiner „Forschungen auf dem Gebiet der rheinischen und westphälischen Geschichte“.)

Nach Mittheilungen der Familie im Nekrolog der Zeitschrift des Bergischen Geschichtsvereins (XIX, 207 ff.) und seinen Werken.