ADB:Sophie Dorothea (Königin in Preußen)

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Artikel „Sophie Dorothea, Königin von Preußen“ von Hermann von Petersdorff in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 34 (1892), S. 684–686, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Sophie_Dorothea_(K%C3%B6nigin_in_Preu%C3%9Fen)&oldid=- (Version vom 25. Dezember 2024, 19:03 Uhr UTC)
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Sophie Dorothea, Königin von Preußen, die Mutter Friedrich’s des Großen, stammte aus dem Hause Hannover. Sie theilte mit ihrer gleichnamigen Mutter, der unglücklichen Prinzessin von Ahlden, und mancher ihrer Ahninnen ein freudearmes Dasein. Geboren am 27. März 1687, verlebte sie ihre ersten Kinderjahre in jener traurigen Zeit, in der sich die Lösung der Ehe zwischen ihren Eltern vorbereitete. Ihrer Mutter, welche bekanntlich nach Ausspruch der Ehescheidung am 28. December 1694 auf das Schloß Ahlden verbannt wurde, bewahrte die Tochter, die am Hofe ihres Vaters, des Kurfürsten Georg Ludwig, blieb, allzeit ihre Liebe und Ergebenheit, wie ihr Gegner Seckendorff beim Tode der Prinzessin von Ahlden im November 1726 bezeugte. Am Hofe ihres Vaters, der von seiner Mutter Sophie, der geborenen Pfalzgräfin, die Anwartschaft auf die englische Königskrone überkam, wuchs sie in reichen und stolzen Verhältnissen auf. Die verwandtschaftlichen Beziehungen zum preußischen Königshause – ihre Tante, die Philosophin Sophie Charlotte, war bekanntlich mit Friedrich I. von Preußen verheirathet – führten am 18. Juni 1706 zu ihrer Verlobung mit dem Sohn der Sophie Charlotte, dem preußischen Thronerben Friedrich Wilhelm. Am 14. November desselben Jahres erfolgte die Vermählung der 19jährigen Prinzessin mit dem erst 18jährigen Kronprinzen. Sie war die zweite Welfin im preußischen Königshause. Von junonischer Erscheinung, galt ihre Gesundheit jedoch für schwächlich, und die Aerzte prophezeiten ihr daher kein langes Leben. Sie sollte indeß ihr 70. Lebensjahr überschreiten und ihrem Gemahl 14 Kinder, 7 Söhne und 7 Töchter schenken. Die ersten sieben Jahre ihrer Ehe bis zum Regierungsantritt verlebte sie mit ihrem Gemahl in dem ihnen vom König geschenkten Wusterhausen. Später bezog sie das unter ihrem Schwiegervater erbaute, in der Nähe des alten Schlosses an der Spree belegene Schloß Monbijou, das ihr Lieblingsaufenthalt wurde. Ihre Ehe mit Friedrich Wilhelm I. war im Vergleich mit den meisten Fürstenehen jener Zeit insofern glücklich zu nennen als der gewissenhafte König seinem „Fiekchen“, wie sein Kosewort für sie lautete, [685] Zeit seines Lebens die eheliche Treue bewahrte. Er schenkte ihr auch viel Vertrauen, wie er sie denn im Jahre 1714 für seine Abwesenheit (Feldzug gegen Schweden) zu seiner Vertreterin in der Regierung bestimmte, bei der sich die Minister in schwierigen Fällen Raths erholen sollten und wie er sie auch 1720 bei einer Erkrankung in aller Form zur Regentin einsetzte. Ebenso gab er ihr vielfach Beweise guten Herzens. Indeß ist nicht zu bestreiten, daß S. D. sich in mancherlei Lagen schicken mußte, die ihr das Dasein nicht gerade angenehm gestalteten. War es für sie schon eine Unbequemlichkeit, in die sich die verwöhnte Welfin schwer zu schicken vermochte, als der einfache Gemahl den Hofhalt auf ein Minimum beschränkte, so stießen die burschikosen Sitten Friedrich Wilhelm’s und seiner Umgebung und sein den ideellen Interessen abgewandter Sinn die feinsinnige Frau nur zu sehr ab, sodaß sie sich schon darum nie ganz heimisch in Preußen gefühlt hat. Dazu kam, daß sie, die zartfühlende Enkelin des „ersten Edelmannes in Deutschland“, Ernst August’s von Hannover, namentlich in den späten Jahren der Ehe viel unter den jähen Zornesausbrüchen ihres leidenschaftlichen Gatten zu dulden hatte. Sie lernte sich den Launen ihres Gebieters blindlings fügen, weil sie erkannte, daß sie dabei am weitesten kam. Zuweilen sah der König sein Unrecht ein, das er ihr durch die Ueberwallungen seines stürmischen Naturells zufügte, sodaß er ihr z. B. im J. 1730 vor versammeltem Hofstaat die Genugthuung der Abbitte bereitete. Das Schmerzlichste für sie war indeß, daß der Plan ihres Lebens, an dem sie, bezeichnend genug für den Gesichtskreis, in dem sie sich bewegte, fast jahrzehntelang gearbeitet hatte, in dem sie, echt weiblich, geradezu aufgegangen war, das Project einer Doppelheirath zwischen dem preußischen und englischen Hofe, dem Hofe ihres Vaters, schließlich durch die Ungunst des Schicksals zum Scheitern gebracht wurde. Der Kaiserliche Bevollmächtigte in Berlin, General Graf Seckendorff, suchte aus politischen Rücksichten die Ziele der Königin zu durchkreuzen. Es ist ein keineswegs erquickliches Bild, welches die durch diese sich widerstreitenden Interessen hervorgerufenen Hofränke und Familienzwistigkeiten gewähren. Während S. D. einflußreiche Persönlichkeiten, wie den in österreichischem Solde stehenden Günstling Friedrich Wilhelm’s, den General Grumbkow, den alten Dessauer u. a. gegen sich hatte, standen auf ihrer Seite Ilgen und Knyphausen sowie die große Mehrzahl des Hofstaates. Doch war die Macht der Verhältnisse stärker als alle Fürsprache und Frauenlist. Friedrich Wilhelm I., der der beabsichtigten Verbindung ursprünglich nicht abgeneigt war, kam schließlich durch politische und wirthschaftliche Erwägungen und nicht zuletzt aus persönlichen Rücksichten ganz davon ab. Die Tragödie im Königshause, welche den Fluchtversuch des Kronprinzen verursachte, zerschnitt endlich alle Fäden des so fein von der Königin gesponnenen Planes, und S. D., die vor keinem Mittel zur Verwirklichung ihrer Absichten zurückgescheut hatte, die in fast bedenklicher Weise mit den Gesandten fremder Höfe conspirirte, mußte sich nun darin fügen, daß ihre Tochter Wilhelmine dem Baireuther Prinzen die Hand reichte und der Kronprinz auf die englische Heirath endgültig verzichten mußte, um später eine Dame zu heirathen, die nicht nach seiner Wahl war. S. D. hat sich mit diesem Ausgang der Sache nie aussöhnen können.

In den ersten Jahren überließ ihr der Gemahl völlig die Erziehung der Kinder; und sie hat ihre Gewalt mit Strenge, namentlich den Töchtern gegenüber, ausgeübt. Dies hinderte jedoch nicht, daß sie namentlich die älteste Tochter Wilhelmine und Friedrich zu den Vertrauten ihres bekümmerten Herzens machte, mancherlei den Kindern mittheilte, das ihnen besser verborgen geblieben wäre, und so die Ursache davon wurde, daß insbesondere Friedrich sich seinem Vater entfremdete. Mit ihrem Gemahl theilte sie die Liebe für die Malerei. [686] So beschäftigte sie besonders Pesne, und ihrer Verwendung verdankte dieser es, wenn ihm das unter dem ersten König bezogene Gehalt von 1500 Thalern verblieb. Außerdem hegte sie große Neigung für Musik und gewann u. a. den Flötenspieler Quantz als Lehrer für ihren Sohn. Wenn der Gatte im Tabakscollegium saß, dann pflegte sie wol geistreiche Zirkel abzuhalten, in denen die Unterhaltung französisch geführt und viel politisirt wurde. In ihrem „Monbijou“ legte sie sich eine Bibliothek an, die sie gern ihren Freunden zeigte; wie sie daneben Freude fand, ihr trautes Heim mit schönen Gärten zu umgeben. Religiös fühlte sie sich zu den „Stillen im Lande“ hingezogen und nicht unterließ sie es, Monbijou mit dem Bilde A. H. Franke’s zu schmücken. In ihre siebzehnjährige Witwenzeit fiel ein Sonnenstrahl durch die Freude, welche sie an ihrem großen Sohn erlebte, der ihr stets mit der liebevollsten Zärtlichkeit entgegenkam, gleich im ersten Jahre seiner Regierung ihre Einnahmen vermehrte, ihr auch im kgl. Schloß für den Winter ein Heim herrichten ließ, und dessen Stern sie noch im vollen Glanze erstrahlen sehen sollte. Am 28. Juni 1757 ist sie dann in ihrem Stammsitz Monbijou an „Engbrüstigkeit“ gestorben. Ihr großer Sohn ererbte von ihr den ausgebildeteren Geschmack, den Sinn für Kunst und Wissenschaft und ideelle Dinge, während die Energie ihres Gatten und der Verstand ihrer Tante Sophie Charlotte ihr nicht gegeben waren. Friedrich II. hat ihr bis an sein Lebensende ein unverbrüchliches, überaus inniges Andenken bewahrt. Als ihn die Kunde von ihrem zehn Tage nach der Kolliner Schlacht erfolgten Tode traf, da gab er seinem Gram Ausdruck in einer gefühlvollen Epistel an seine Schwester Wilhelmine, und noch im J. 1779 kam er in einem Gespräche mit Garve über die Glückseligkeit auf sie zurück mit den Worten: „Wenn er wüßte, was mich der Tod meiner Mutter gekostet hat, so würde er sehen, daß ich unglücklich gewesen bin wie jeder andere und unglücklicher als andere, weil ich mehr Empfindlichkeit gehabt habe.“

Ihre in späteren Jahren von Pesne u. a. gemalten Bilder zeigen eine Frau von großer Körperfülle, in deren Gesichtszügen deutlich ein Zug der Trauer zu lesen ist, jener Resignation, die sich auch in ihren Worten über die wegen ihrer Gaben und persönliche Vorzüge gepriesene Gattin Karl’s VI., die Kaiserin Elisabeth äußerte: „Wem der Geist frei und zufrieden bleibt, wem die Welt lacht, der kann die Dinge ganz anders ansehen, als wer beständig unter dem Druck lebt.“

Nach Kirchner, Die Churfürstinnen und Königinnen auf dem Thron der Hohenzollern. Band 3. Berlin 1870. S. 93–142. – Reinhold Koser, Friedrich der Große als Kronprinz. Stuttgart 1886. – Droysen, Geschichte der preußischen Politik 4b und c. – Preuß, Friedrich der Große. Band 1 u. 2. Berlin 1833. – Förster, Friedrich Wilhelm I. Potsdam 1834 u. 35. – G. Kramer, Neue Beiträge zur Geschichte A. H. Franckes. Halle 1875. – Hohenzollern-Museum in Berlin.