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Artikel „Solenander, Reiner“ von Carl Binz in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 34 (1892), S. 563–565, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Solenander,_Reiner&oldid=- (Version vom 25. Dezember 2024, 18:54 Uhr UTC)
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Solenander: Reiner S., Arzt, geboren zu Büderich am Niederrhein 1524, empfing die erste Schulbildung in dem benachbarten Wesel, studirte, mit Unterstützung seines Landesherrn, des Herzogs Wilhelm III. von Jülich-Cleve-Berg, Heilkunde drei Jahre in Löwen und sieben Jahre in Bologna, Pisa, [564] Rom, Neapel und auf einigen französischen Hochschulen. Er kehrte nach der Heimath zurück und gewann als Arzt bald solches Ansehen, daß der Herzog 1559 den 35jährigen zum Leibarzt ernannte. Als solcher begleitete er seinen Herrn unter andern 1566 auf den Reichstag zu Augsburg und 1573 nach Königsberg, wohin der Herzog seine Tochter Maria Eleonora zur Vermählung mit dem Herzog von Preußen, Albrecht Friedrich, führte. Zahlreich sind die Zeugnisse der Zeitgenossen, aus denen hervorgeht, daß S. hohes Ansehen genoß als Arzt und Mensch und daß bedeutende Männer, mit denen er in Berührung kam, ihm ihre Freundschaft schenkten. Seine Schriften sind: „Apologia qua Julio Alexandrino respondetur pro Argenterio.“ Florenz 1556; „De caloris fontium medicatorum causa et temperatione libri duo.“ Leyden 1558; „Consiliorum medicinalium sectiones quinque.“ Leyden 1571 und Hanau 1609. Diese mir in der zweiten Auflage vorliegende Schrift, ein starker Folioband, zeigt den Verfasser als der rohen und abergläubischen Heilkunde jener Zeit weit voraus. Mehr aber als durch schriftstellerische Thätigkeit ist er eine bleibende Zierde seines Standes dadurch geworden, daß er der Versuchung mannhaften Widerstand leistete, in einem Staatsverbrechen der herrschenden mächtigen Partei behilflich zu sein. Das war, als am cleveschen Hofe der Humanismus der spanisch-katholischen Reaction weichen mußte. Die Herzogin Jacoba (s. A. D. B. XIII, 567 f.) stand ihr im Wege, und das Haupt der spanischen Partei, der Hofmarschall Wilhelm von Waldenfels, gen. Schenckern, forderte S. auf, die Herzogin zu vergiften. In der ablehnenden Antwort an den Hofmarschall vom 6. Jan. 1595 sagte er so: „… die Herzogin ist noch nicht gehörlicher Maßen verurtheilt, einen aber mit dergleichen Tranck und Süpplein hinzurichten, ist ärger und unverantwortlicher, als jemand mit dem Schwerte tödten lassen. Ich gewiß wolte lieber meines Amtes ja Lebens verlustig werden, als dazu behülflich seyn, und meiner bisher von Gott reich gesegneten Kunst solchen gräulichen Schandfleck anhängen und aus einem Hoff-Apothecker einen Abdecker und Büttel machen helfen. Es haben die Teutschen bis hierher solche schändliche Künste vor ein großes Bubenstück erachtet, Gott verhüte, daß dergleichen welsche Practiquen ja nicht bey uns eingeführet und wir dadurch bey der Christenheit auch infam gemacht werden, dan ob die H. Jacoba zum Tode, nach rechtmäßiger Ueberweisung verdammet, ist mir ganz unwissend, ich habe von keinem Urthel gehört, viel weniger etwas gesehen, werde mich auch die übrige wenige Tage meines Lebens hierzu nicht bereden lassen. Data est medicina ab ipso Deo mortalibus in salutem, non ad internecionem. Die heimliche Westphälische Executionen sind nunmehr Gottlob verboten, und laufen auch den Heydnischen Rechten selbst zuwider, daß demnach billig ein jeder ehrlicher Mann, dem Gott und sein Gewissen lieb ist, einen Schreck dafür hat und sich dessen entziehet.“ Die 39jährige Herzogin Jacoba wurde zwei Jahre später Morgens in ihrem Bette todt aufgefunden, ohne krank gewesen zu sein, höchst wahrscheinlich erdrosselt. Daß nach jener Absage Solenander’s an den mächtigen Hofmarschall sein Verbleib als Leibarzt des blödsinnigen regierenden Herzogs Johann Wilhelm, des Gatten der Jacoba, nicht wohl möglich war, ist klar. Er verließ den Dienst am Hofe und zog zurück nach seinem Heimathsorte Büderich, wo er am 5. Januar 1601 starb. In der reformirten Willibrodiskirche zu Wesel wurde er beerdigt, wo gegen Ende des Jahrhunderts der Prediger von Dorth seine Grabschrift copirte.

Melchior Adam, Vitae Germanorum medicorum. Heidelberg 1620. – Th. v. Haupt, Jacobe, Herzogin zu Jülich. Biographische Skizze. Coblenz 1820. – Original-Denkwürdigkeiten eines Zeitgenossen am Hofe Johann Wilhelm’s III. Düsseldorf 1834. Von E. K. und F. C. – Zeitschrift des Bergischen Geschichtsvereins. Bonn. II, 172; XIII, 80 u. 88; XXIII, 17 [565] u. 21. – W. Teschemacher, Vitae et Elogia virorum qui familiae nobilitate, doctrina atque virtute etc. etc. Cliviae, Juliae, Montium, Marcae et Ravensbergiae provincias unitas floruerunt. Ms. 48. Düsseldorfer Staats-Archiv. Abschrift von der Hand des A. v. Dorth, reform. Predigers zu Wesel um 1660 bis 1680.