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Artikel „Albrecht Friedrich“ von Karl Lohmeyer in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 1 (1875), S. 310–314, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Albrecht_Friedrich&oldid=- (Version vom 3. Dezember 2024, 18:35 Uhr UTC)
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Albrecht Friedrich, der zweite Herzog in Preußen, Sohn des Herzog Albrecht und seiner zweiten Gemahlin Anna Maria von Braunschweig, geb. zu Königsberg 29. April 1553, † zu Fischhausen 27. Aug. n. St. 1618. Herzog Albrecht hatte sich die Erziehung seines Sohnes, des einzigen, der ihm geblieben war, aufs höchste angelegen sein lassen, ihn vom 7. Jahre ab unter die Leitung eines gewissenhaften und treu ergebenen, dabei vielseitig gebildeten und einsichtsvollen [311] Mannes gestellt, eine genaue Anweisung, wie Erziehung und Unterricht des Erben gehalten werden sollte, entwerfen lassen und auch selbst eine eigenhändige ausführliche Ermahnung an den Sohn aufgesetzt. Man glaubte bald Ursache zu haben, sich viel von dem Knaben versprechen zu dürfen, sowol in Bezug auf die Entwickelung seines Charakters, als auch auf die Fortschritte seiner geistigen Ausbildung. Aber noch war man damit lange nicht am Ziel, als er kurz vor der Vollendung des 15. Lebensjahres an einem und demselben Tage Vater und Mutter verlor und selbst regierender Fürst wurde. Da er noch nicht mündig war, so sollten nach dem väterlichen Testament die vier Regiments- oder Oberräthe die Vormundschaft bis zu seinem 18. Lebensjahre führen, während dem Könige von Polen als dem Lehnsherrn die Obervormundschaft zustand. Damit war der junge Fürst ganz in die Gewalt einer Partei gegeben, denn durch die Entscheidung, welche im J. 1566 mit Hülfe polnischer Commissarien zur Beilegung der unheilvollen preußischen Wirren getroffen war, war doch nichts weiter zu Wege gebracht, als daß die eine Partei unterdrückt, die andere, die ganz von demselben ständischen und persönlichen Egoismus geleitet wurde wie jene, obenauf gekommen war. Zu solchen Räthen und Beamten, denen man offen vorwarf, daß sie die Schwäche und Hinfälligkeit des Vaters nur zum eigenen Vortheil ausgebeutet hätten, konnte er kein Vertrauen fassen. Auf dem Landtage, der schon drei Monate nach Albrechts Tode zusammenberufen wurde, und zu dem auch wieder polnische Commissarien erschienen, ging es nicht besser zu als bisher immer: der Hader der Stände untereinander, das Feilschen bei den nothdürftigsten Bewilligungen, Mißtrauen und Widerstand gegen die Regierung, endlose Beschwerden ließen nur erst nach wochenlangen, widerwärtigen Verhandlungen zu einem nicht ganz resultatlosen Schlusse gelangen, zum Zugeständniß einer dreijährige Abgabe, um die angehäuften Schulden zu bezahlen und der drückendsten Nothdurft des Herzogs abzuhelfen. Endlich nahmen auch sofort die theologischen Zänkereien von neuem ihren Anfang und arteten durch die Entfesselung zügelloser Leidenschaften bald in der abschreckendsten Weise aus. Nach dem Siege der ständischen Partei im J. 1566 hatte Herzog A. seinen Lieblingswunsch, mit dem Charakter verfügbarer Beamten bekleidete Präsidenten statt der viel selbständigeren Bischöfe an die Spitze der beiden Landesbisthümer zu setzen, aufgeben müssen, die beiden auf Betrieb der Stände gewählten Bischöfe aber waren streng orthodox, der eine als zanksüchtig auch in Preußen selbst längst bekannt, und sofort erfolgten wieder Ketzerprocesse und kirchliche Maßregelungen gegen Laien, Verfolgungen und Absetzungsdecrete gegen Geistliche, welche ihre Mißbilligung gegen die leisesten Abweichungen im Glauben nicht laut zu erkennen gaben. Nimmt man dazu, daß sich gleich der Verdacht regte, nicht blos, daß die Mutter der Vergiftung erlegen, sondern auch, daß an dem jungen Herzoge selbst ein Versuch der Art gemacht wäre, so ist es kein Wunder, wenn dieser, plötzlich an Vater und Mutter verwaist, jeder Stütze an anderen Verwandten baar, ohne treuen Freund und Berather, von selbstsüchtigen, oft auch ihm gegenüber hochfahrenden Räthen umgeben, bald an sich und allem verzweifelte, sich in sich selbst zurückzog und gegen Alle verschloß und endlich bei seinem etwas weichmüthigen Charakter allmählich in Trübsinn verfiel; man hat es gar nicht mehr nöthig zur Erklärung dieser traurigen Erscheinung nach äußerlichen Entstehungsgründen zu suchen, sie etwa durch Ausschweifungen erklären zu wollen, für welche sich bestimmte Beweise nicht beibringen lassen. Schon gegen Ende des J. 1568 hören wir, daß sich bei dem jungen Herrn – wie es scheint, nicht so ganz selten – „Melancholien“ einstellten, denen zu wehren „allerhand Musik und Instrument“ vorgeschlagen werden, damit er darin „nicht fortfahre und dann nicht zu retten“ sei. Aber noch war die Sache nicht so schlimm. Der junge Herzog konnte auch [312] bei Staatsactionen noch erscheinen. So reiste er im Frühling des folgenden Jahres der Huldigung wegen zum Könige nach Polen und empfing zu Lublin, nachdem er dort an einer Kinderkrankheit fast zwei Monate darniedergelegen, am 19. Juli persönlich die Belehnung, wobei nicht blos die Gesandten des einzigen Vetters aus der fränkischen Linie, des Markgrafen Georg Friedrich, sondern gemäß der königlichen Verleihung von 1563 auch die kurfürstlich brandenburgischen Gesandten zum Zeichen der Mitbelehnung die Zipfel der Lehnsfahne anfassen durften. – Wenngleich die Geisteskrankheit des Herzogs erst mit dem J. 1572 zum vollen Ausbruch kam, so sehen wir doch nicht, daß, als er die Zeit seiner Mündigkeit erreicht hatte, irgendwelche Aenderung in der Regierung eingetreten wäre, denn die Räthe hatten es, um sich und ihre Handlungen besser decken zu können, schon früher für rathsamer gefunden, da „sein Verstand seinen Jahren zuvorgeeilt wäre“, sich nicht immer streng an die Form der Vormundschaft zu binden, sondern sich, wenn es ihnen paßte, auf den Namen und den Wunsch des Herzogs zu berufen. Während sie freilich anderenfalls keinen Anstand genommen hatten ihm schroff herrisch und gebieterisch entgegenzutreten. Ganz so blieb es, als A. F. seine Volljährigkeit erlangt hatte. Man warf den Räthen allgemein vor, und auf den Landtagen erhoben bald Adel und Städte ihre Stimmen dagegen, daß sie die infolge der Ereignisse von 1566 erlassenen und vom Könige bestätigten Recesse nicht gehörig vollzogen, zumal daß sie, untereinander und mit dem ersten Stande (Herrschaft und Landräthen) verwandt und verschwägert, die Cassation der von Herzog Albrecht in seiner unglücklichen Zeit gegebenen Verschreibungen nicht vollständig durchgeführt, dabei Gunst und eigenes Interesse hätten obwalten lassen. Ueberhaupt hieß es, daß nach wie vor „das Regiment bei den Räthen stände“, daß „der Herr ohne sie oder ihr Wissen und Belieben nichts thun dürfe, sondern alles zu ihrem Mittrachten und Gefallen stehen müsse“, die Befehle des Herzogs „blieben gar hintangesetzt und müßten nicht geschehen“. Jahre hindurch setzte sich dieser Widerwille der Stände, zumal des Adels und der Städte, gegen die Räthe fort, man sprach von „etlicher Wenigen Oligarchia“, und schließlich mußten einige Räthe und andere obere Beamte ihre Stellen niederlegen; doch das war schon zu einer Zeit, wo die Regierung nicht mehr allein in ihrer Hand lag. – Die letzte namhafte Handlung A. Friedrichs, ehe seine Geisteskrankheit ihn ganz übermannte, war seine Bewerbung um Maria Eleonore, die älteste Tochter Johann Wilhelms von Jülich und Cleve, deren Hand ihm zugesagt wurde. Nicht lange darnach, 25. Nov. 1572, zeigten sich die ersten Spuren davon, daß in der That eine Störung des Geistes eingetreten war, indem er unter Krankheitserscheinungen wiederholt den Verdacht äußerte, daß man ihm nach dem Leben trachte, und von da ab verließ ihn diese Vorstellung geraume Zeit nicht mehr. Bald saß er still und in sich gekehrt, brach auch wol ohne sichtbare Veranlassung in Thränen aus, bald wieder war er ausgelegt zu Lustbarkeit und Tanz; bald verweigerte er Speise und Trank zu sich zu nehmen, oder that es doch nur, indem er deutlich seine Angst vergiftet zu werden zeigte, bald wieder aß und trank er unmäßig; bisweilen wurde er heftig und ausfahrend gegen Leute seiner Umgebung, die ihm widerwärtig oder verdächtig waren, goß ihnen Bier oder Wein ins Gesicht, zückte wol gar bei Tisch das Messer gegen sie, ein anderes Mal war er freundlich, bat ihm sein Wesen zu verzeihen, flehte ihn selbst nicht umzubringen; häufig hörte man ihn unverständliche Worte in sich hineinmurmeln – und dergleichen mehr. Am heftigsten äußerte sich sein Widerwille gegen die Geistlichkeit, und wenn diese Abneigung immer noch wuchs, so fehlte es wahrlich nicht an Veranlassung dazu, denn gerade von dieser Seite her und in allen kirchlichen Dingen verfuhr man gegen ihn unverantwortlich. Nach dem Tode des streitsüchtigen samländischen Bischofs Joachim Mörlin (1571) hatten [313] die Theologen Tilemann Heshusius zu seinem Nachfolger gewählt. Obwol er zunächst selbst ablehnte, und obwol von verschiedenen Seiten Warnungen vor dem Manne kamen, der seiner starren Rechtgläubigkeit und Unverträglichkeit wegen schon aus mehreren Stellen hatte weichen müssen, beharrte man dabei, Adel und Städte wollten von keinem Anderen wissen, und man zwang ihn zuletzt dem kranken Herzog trotz alles Widerstandes mit voller Gewalt auf. Offenbar waren es diese Verhandlungen gewesen, die den Herzog so erbitterten, daß er sich, als nach wenigen Wochen seine Vermählung stattfanden sollte, zur Vollziehung der Handlung, die er bisher mit Freuden erwartet zu haben schien, nur mit Mühe bewegen ließ. Die Trauung geschah endlich 14. Oct. 1573. Später traten die Geistlichen öfter Aerzten, welche ihm von auswärts als erfahren empfohlen und gesandt waren, entgegen, bald weil sie Wiedertäufer oder Sacramentirer wären, bald weil man Wahrsager, Zauberer und Schwarzkünstler in ihnen zu fürchten vorgab. Die älteste Tochter des Herzogs wollte Heshusius zuerst nicht taufen, weil der reformirte Schwiegervater und der katholische König von Polen zu Gevattern geladen waren. Den Geistlichen schien das Unglück des Herzogs eine Strafe des Himmels, weil er sie verachte – Anderen freilich deshalb, weil „er seine Diener nicht leiden könne“. Von Seiten der Stände wurde zwar wiederholt darauf gedrungen, daß genaue und gewissenhafte Untersuchungen über seinen Krankheitszustand angestellt würden, aber wir hören nicht, daß solches geschehen sei. Was wir über die verschiedenen Behandlungsweisen seiner gewöhnlichen Aerzte erfahren, zeigt nur, daß sie sich über die Natur der Krankheit durchaus nicht klar waren, die Mittel, die sie anwandten, sind oft abenteuerlich genug. – Gleich nach der Hochzeitsfeier, noch im Herbst 1573, kam Markgraf Georg Friedrich nach Königsberg, zunächst um sich von dem Befinden seines Vetters durch den Augenschein zu überzeugen, dann aber auch gewiß um zuzusehen, daß nicht etwa seinen eigenen Rechten – er war, wenn A. F. keine Söhne erhielt, der nächste Erbe – etwas vergeben würde. Da man nun immer mehr zu der Ueberzeugung kam, daß des Herzogs Krankheit vorläufig wenigstens unheilbar wäre, so galt es mit Ernst eine dauernde Administration zu schaffen. Nach preußischem Recht und Gesetz hätten allerdings die Oberräthe, vier andere hohe Beamte und die drei Bürgermeister von Königsberg die Regentschaft erhalten müssen; indessen wollten nicht blos die Stände durch einen Ausschuß sich daran betheiligen, sondern auch die Herzogin wollte nicht leer ausgehen, vor Allen aber dachte der Markgraf die Sache in seine Hand zu bringen. Während man in Königsberg selbst in und außer den ständischen Verhandlungen darüber herumstritt, wandte sich Georg Friedrich, sobald in Polen die Königswahl entschieden war, an den neuen König Stephan Bathory. Am 22. Sept. 1577 ernannte der König zu Marienburg den Markgrafen zum Curator des kranken Herzogs und zum Administrator und Gubernator Preußens, mit der Bestimmung, daß er sich während der Zeit seiner Verwaltung auch Herzog in Preußen nennen dürfe. Alles Sperren und Weigern der Räthe und der Stände vermochte dagegen nichts, sie mußten schließlich ihre Anerkennung aussprechen, nach den Clauseln, die sie da anhängten, fragte niemand. War schon vorher von A. F. in öffentlichen Angelegenheiten wenig zu hören, so trat er jetzt ganz in den Hintergrund, nirgends wird auf ihn Rücksicht genommen. Bisweilen scheint sich, wie aus einigen Briefen seiner Gemahlin an befreundete Fürstinnen zu ersehen ist, der Zustand des Herzogs gebessert, ihr wenigstens Aussicht aus Genesung gegeben zu haben. Aber daraus wurde doch nichts, und er blieb in seinem unzurechnungsfähigen Zustande bis an sein Ende. Als Georg Friedrich 1603 starb, folgte ihm in der vormundschaftlichen Regierung der brandenburgische Kurfürst [314] Joachim Friedrich und diesem sein Sohn und Nachfolger in der Kur Johann Sigismund, die beide des Herzogs Schwiegersöhne geworden waren.

Pauli, Preußische Staatsgeschichte, IV. Bd. (1763) S. 459–514; Baczko, Geschichte Preußens, IV. Bd. (1795) S. 328 ff.; Joh. Voigt, Ueber die Erziehung und die Krankheit des Herzogs A. F., in Preuß. Provinzial-Blätter 1861 II.; Töppen in mehreren Programmen des Gymnasiums zu Hohenstein.