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Artikel „Sibo“ von Karl Ernst Hermann Krause in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 34 (1892), S. 138–139, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Sibo&oldid=- (Version vom 5. November 2024, 13:28 Uhr UTC)
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Sibo: S. (Sibeth, Tzibe), Häuptling von Dornum und Stedesdorp, nachher auch von Witmund und Inhaber von Esens im Harlinger Lande (Ostfriesland), wird vom Kaiser Friedrich III. als Reichsritter anerkannt, ein Titel, den auch sein Sohn Hero Omke II. gelegentlich führt, während sich das Geschlecht später stets nach Esens nannte. Im Hause von Esens und Stedesdorp ist die Herrschaft seit 1429 dreimal in die weibliche Linie übergegangen. Hero Omken I. von Esens und Stedesdorp hinterließ nur eine Tochter Folquet oder Folke, mit welcher die „Herrlichkeiten“ (dominia) an ihren Gemahl Wiptet, Wibet oder Wiptatus von der ostfriesischen Fredeborch kamen. Er heißt nachher Richter in Harlingen (1438). Dieser vergab schon bei Lebzeiten, 1440, an den Gemahl seiner Tochter Folke, Ulrich aus dem Hause Cirksena, den späteren ersten Grafen von Ostfriesland, Esens, der das Land auch behalten sollte, wenn die Ehe kinderlos bliebe. Wiptet starb 1447, seine zweite Tochter Onna heirathete Sybo’s von Dornum und der Fraucke, einer Schwester Ulrich’s, Sohn Sibo, der mit ihr Stedesdorp erhielt und von Ulrich, nunmehr seinem Oheim und Schwager, auch Esens als Lehen empfing. Er war ein straffer und kluger Parteigänger der Cirksena, die Reimchronik giebt an, er habe in den bekannten Streitigkeiten wegen Emden 1447 diese Stadt den Hamburgern abgenommen und verbrannt, dabei 300 Gefangene gemacht, aber Ulrich habe 1448 jene wieder verloren. Die bekannteren Quellen sagen nichts davon, vielleicht liegt eine Verwechslung mit dem Schlosse Detern, östlich von Leer, vor. Zu den Gegnern der Cirksena, der Jeverschen Partei, gehörten die Kankena, Häuptlinge von Dornum und Witmund; 1441 nahmen die Brüder Cirksena jene gefangen, die nach einjähriger Haft für ihre Herrlichkeiten die Oberhoheit der Sieger anerkennen mußten, dafür aber diese mit Ausnahme von Norden behielten. Als der alte, kinderlose Tanno Kankena dann Witmund dem Häuptling von Jever, Tanno Duren, in die Hände zu spielen suchte, überfiel ihn Sibo und zwang ihn zur Abtretung Witmunds. Von der Zeit nannte er sich Häuptling von Esens, Stedesdorp und Witmund. Die Chronik verlegt den Ueberfall auf 1457, aber schon 1456 entschied Ulrich, daß Witmund dem S. mit Recht zustehe, und 1460 bestätigte das ein Schiedsgericht von Geistlichen und Laien; 1461 versöhnten sich dann die Parteien dahin, daß Sibo’s Sohn Wibet, der bald darnach gestorben sein muß, die Tochter Tanno Duren’s, Tiadera, heirathe, und deren Erben das Recht an Witmund haben sollten. Mit Ulrich finden wir S. gemeinsam im Streite mit Groningen und dessen Umlanden, 1457, der durch Hamburg ausgeglichen wurde, noch in demselben Jahre schließen beide einen Vergleich wegen freier Fahrt der Westfalen auf der Ems, 1458 gemeinsam ein Bündniß mit Bremen. So tritt er wiederholt zu den hansischen Städten teils wegen der Vitalienbrüder, theils wegen der Besitzrechte Hamburgs an Emden und des bremischen Einflusses auf die Friesen am Weserstrom und an der Jade in Beziehung. 1462 oder 1463 muß er in Neapel gewesen sein oder mit dem dortigen Hofe in Verbindung gestanden haben; denn am 24. August 1463 erhält er (dat. Graz) als „unser und des Reiches Ritter“ vom Kaiser Friedrich III. das Recht, den neapolitanischen [139] Orden Alphons’ I. mit der Goldborte (auriphrisium), der weißen Stola und dem goldenen Greif an der Kette zu tragen. Von der Zeit an nennt er sich „Ritter“ und muß den Ritterschlag schon früher erhalten haben. Die Chronik bringt das mit der Erhebung Ulrich’s zum Grafen zusammen und setzt beides auf 1462. Vermuthlich ist aber S. im Auftrage Ulrich’s zum Kaiser gezogen, um diesen zu bewegen, das seinem Freunde nicht behagende Grafendiplom vom 14. Juni 1463 zu dessen Gunsten abzuändern. Er wird dann gleich im Juni zum Kaiserhofe aufgebrochen sein. Die Chronik bestätigt dadurch indirect den Beweis v. Bippen’s, daß das ostfriesische Grafendiplom von 1454 gefälscht sei. 1466 trat „Ritter“ S. mit Graf Ulrich und Bremen in ein Bündniß gegen die Weserfriesen (Land to Butenjade), das indessen nicht zum Kriege führte. 1466, am 24. September starb Ulrich und nun übernahm neben dessen Wittwe, der Gräfin Theda, der Enkelin des Ucko Fokena von Leer, S. die Vormundschaft über die minderjährigen drei Söhne seines Freundes, Uko, Enno und Edzart von Ostfriesland, für welche er persönlich am 27. Juli 1468 in Graz die Belehnung vom Kaiser empfing. In den nächsten Jahren ist er wiederholt neben der Gräfin Theda in Verhandlungen und Kriegsrüstungen, auch in den Weiterungen Hamburgs wegen der Bieraccise, thätig. Noch 1473 schließt er mit Theda und einer Reihe Häuptlinge ein Bündniß gegen Herzog Karl von Burgund, der Ostfriesland zu erobern strebte; am 29. April 1473 lag er auf dem Sterbelager in Emden und ließ sein Testament aufnehmen. 1465 war seine Gemahlin Onna gestorben, 1467 heirathete er noch einmal wieder, Margaretha die Häuptlingstochter und Erbin von Westerwolt; zu der Hochzeit sandte ihm der Hamburger Rath ein Fäßchen griechischen Weines, wie derselbe ihm später noch zweimal eine Tonne Eimbecker Bieres verehrte. Kurz vor ihrem Gemahl starb auch Margarethe am 13. April 1473; er und beide Frauen wurden in der Kirche zu Esens im Chor unter einem „Stein meisterlich erhaben“ beigesetzt. Sie hinterließ ihm noch zwei junge Söhne; Erbe der Herrlichkeit in Harlingerland wurde der Sohn Onna’s, Hero Omken der Jüngere (A. D. B. XII, 201), mit dessen Sohne, dem wilden Junker Balthasar (A. D. B. II, 27), das Geschlecht wieder ausstarb. Mit „Frauchen“ Anna, Balthasar’s ältester Schwester, kam Harlingen dann an das Haus der Grafen von Rittberg. Als Wappen führte S. einen rechts aufgerichteten Bären im Schilde, auf dem Helm eine Lilie.

Friedländer, Ostfriesisches Urk.-B. – Hieronymus Grestius, Reimchronik von Harlingerland. Von D. Möhlmann. Stade und Hamburg 1845. – Suur, Häuptlinge etc. – v. Bippen, die Erhebung Ostfrieslands zur Reichsgrafsch. Hans. Geschichtsbl. Jahrg. 1883. Ueber den Hamburg. Accisestreit: ders. ibid. Jahrg. 1884. – Vergl. auch Koppmann in Mitth. des Vereins für Hamburg. Geschichte VI, 58 ff. – Ueber die Unzuverlässigkeit Beninga’s und Wiarda’s s. Möhlmann, Kritik der ostfries. Geschichtschreibung. Emden 1862.