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Artikel „Scriptoris, Paulus“ von Franz Heinrich Reusch in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 33 (1891), S. 488–489, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Scriptoris,_Paulus&oldid=- (Version vom 4. Oktober 2024, 15:05 Uhr UTC)
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Scriptoris: Paulus S., Minorit aus Weil der Stadt, † 1504 zu Keisersberg. Er hatte in Paris studirt und war im letzten Jahrzehnt des 15. Jahrhunderts Guardian des Minoritenklosters zu Tübingen und Mitglied der Artistenfacultät an der dortigen Universität. Konrad Pellikan (s. A. D. B. XXV, 334), der 1496 nach Tübingen kam und sein Lieblingsschüler wurde und ihn auf seinen Reisen begleitete, – S. hielt 1501 die Predigt bei Pellikan’s Primiz, – berichtet über ihn: neben seinen viel besuchten philosophischen und theologischen Vorlesungen, – er war in der Philosophie Nominalist (Occamist), in der Theologie als Franciscaner natürlich Scotist, – habe er auch Vorlesungen über die Kosmographie des Ptolemäus gehalten, denen fast alle Doctoren und Magister beigewohnt hätten, ferner Vorlesungen über Euklid und den Gebrauch des Astrolabiums. Er stand in Beziehungen zu dem Astronomen Joh. Stöffler von Justingen, der 1499 für den Bischof Joh. von Dalberg einen Himmelsglobus anfertigte. Pellikan wurde von ihm auch bei seinen hebräischen Studien unterstützt. Zu seinen Zuhörern gehörten Joh. Staupitz, Joh. Eck, der in ehrenden Ausdrücken von ihm spricht, Joh. Mantel, Thomas Wyttenbach und andere die in der Reformationszeit eine Rolle spielten. S. selbst darf zu den Reformatoren vor der Reformation gezählt werden. Wegen freier Aeußerungen über die Sacramente, Ablässe, Gelübde und andere Punkte, die er in einer zu Horb gehaltenen Festpredigt gethan hatte, – nach Pellikan äußerte er sich ähnlich wie später Luther, – wurde er von den Tübinger Theologen angegriffen und von dem Provincial von seinen Aemtern als Lector und Guardian suspendirt. Pellikan berichtet ferner, S. habe ihm wiederholt gesagt: die Zeit sei nahe wo die Theologie umgestaltet werden, wo man die scholastischen Disputationen aufgeben und auf die alten Kirchenlehrer zurückgreifen werde (er hielt Pellikan zum Studium des Origenes und Ambrosius an); auch viele kirchliche Gesetze würden geändert werden. Er soll auch in seinen Vorlesungen über Scotus die Lehre von der Transsubstantiation bestritten haben.

Wenn S. im J. 1499 zu dem General seines Ordens, dem Spanier Franz Sagarra, der sich damals im Elsaß aufhielt, beschieden wurde, so scheint das nicht mit den Anklagen gegen ihn zusammengehangen zu haben; denn er nahm an einer von dem General berufenen Versammlung (Provinzialcapitel) zu Oppenheim theil und kehrte dann nach Tübingen zurück und war dort noch einige Zeit [489] Guardian. Er scheint aber verdächtig geblieben zu sein. 1501 wurde er nach Basel versetzt, um dort, wie Pellikan sagt, zu schreiben, nicht zu lesen und zu predigen. 1502 ging er, weil er fürchtete, in Haft genommen zu werden, in eine andere Ordensprovinz, nach Wien, dann nach Rom. Von dort kam er, ohne irgend eine Bestrafung erlitten zu haben, nach Heilbronn zurück und wurde dann als Lector der Theologie nach Toulouse geschickt. Der Bischof Christoph von Utenheim von Basel sandte ihn, ehe er nach Toulouse abreiste, im Interesse einer Reformation des Benedictinerklosters St. Alban nach Schussenried im Elsaß. Auf dieser Reise starb er zu Keisersberg 1504. Das bei seinen Freunden in Schwaben verbreitete Gerücht, er sei von den Mönchen geopfert worden, erklärt Pellikan für grundlos. – Gedruckt ist von S. nur, – bei Johann Othmar, den er veranlaßt hatte nach Tübingen überzusiedeln (s. A. D. B. XXIV, 548), – im J. 1498 „Lectura declarando Doctoris subtilis (des Scotus) sententias circa Magistrum (Petrus Lombardus) in primo libro.

Chronikon des Konrad Pellikan, herausg. von B. Riggenbach, 1877, XVIII u. s. w. – J. J. Moser, Vitae Professorum Tubingensium, 1718. – Th. Wiedemann, Joh. Eck. 1865, S. 13. – L. Keller, Joh. v. Staupitz, 1888, S. 7. 13. 25. – Linsenmann, Konrad Summenhart, 1877, S. 17. 78; vgl. Tübinger Theol. Quartalschr. 1865, S. 214.