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Artikel „Stöffler, Johannes“ von Karl Hartfelder in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 36 (1893), S. 317–318, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:St%C3%B6ffler,_Johannes&oldid=- (Version vom 28. März 2024, 09:08 Uhr UTC)
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Stöffler: Johannes St., von Justingen, geboren am 10. December 1452, † am 16. Februar 1531 zu Blaubeuren, berühmter Mathematiker, Astronom und Astrologe. – Aus demselben Dorfe Justingen (kgl. württembergisches Oberamt Münsingen) stammend, wie der Humanist Heinrich Bebel und die beiden Vergenhanse (Naucleros), ist er möglicherweise mit den letzteren verwandt. Am 21. April 1472 wurde er an der Universität Ingolstadt immatriculirt. Er hat später dieselbe als eine „herrliche Hochschule“ bezeichnet, die ihm in den freien Künsten eine süße Mutter gewesen sei. Es ist ungewiß, wann er die Pfarrei Justingen bekam, doch scheint ihn der Besitz der Pfründe nicht dauernd an Justingen gebunden zu haben. 1496 stellte er in Konstanz eine Uhr im dortigen Münster auf; 1499 ist er in Ulm u. s. w. Seine Gelehrsamkeit verschaffte ihm viele Freunde, darunter Gelehrte vom höchsten Rufe, wie z. B. Johannes Reuchlin; auch wurde er von wißbegierigen Männern in seinem entlegenen Pfarrdorfe aufgesucht, so z. B. von Paul Scriptoris und Konrad Pellican im J. 1499. Auch mit Johann v. Dalberg, dem kurpfälzischen Kanzler und Bischof von Worms, dem berühmten Gönner der Humanisten, stand er in freundschaftlicher Verbindung. Er fertigte für diesen einen Himmelsglobus und hat den gefeierten Mäcenas in seinem Schlosse zu Ladenburg aufgesucht. Auf Wunsch des Herzogs Ulrich von Württemberg übernahm er 1511, schon 59 Jahre alt, die Professur der Mathematik an der Hochschule Tübingen. Die Vertreibung des Herzogs, der sich für seinen Gehalt verbürgt hatte, brachte dem betagten Gelehrten schlimme Zeiten, weil er die ihm von der Pfarrei Justingen zugesicherten 90 Gulden nicht mehr ausbezahlt bekam. Der Rechtshandel darüber beschäftigte sogar den Erzherzog Ferdinand, der in Abwesenheit des Herzogs Ulrich Württemberg verwaltete. Die Pest vertrieb St. im J. 1530 mit einem Theil der Hochschule aus Tübingen nach Blaubeuren, wo er auch gestorben ist. Begraben wurde er in der St. Georgenkirche zu Tübingen.

Die Blüthezeit seiner akademischen Thätigkeit fällt vor 1519, während [318] welcher Zeit (von 1512–1518) auch Philipp Melanchthon sein Schüler war. Dieser hat tiefe Eindrücke von dem großen Gelehrten empfangen, und der astrologische Wahnglaube, dem Melanchthon sein ganzes Leben huldigte, dürfte auf St. zurückzuführen sein. Zwischen beiden Männern hat sich trotz der großen Altersverschiedenheit rasch ein pietätvolles Verhältniß entwickelt. Schon 1513 begleitete Melanchthon eine Schrift Stöffler’s mit empfehlenden Versen, und die erste erhaltene Rede Melanchthon’s: De artibus liberalibus ist St. gewidmet. Noch in späteren Jahren pflegte Melanchthon in seinen Vorlesungen Aussprüche und Anekdoten des verehrten Tübinger Gelehrten zu erzählen.

Von seinen jetzt selten gewordenen Schriften mögen folgende genannt werden: „Almanach nova plurimis annis venturis inservientia: per Joannem Stöfflerinum Justingensem et Jacobum Pflaumen Ulmensem accuratissime supputata etc.“ (Ulm 1499); „Tabulae astronomicae. Verarum mediarumque coniunctionum et oppositionum Solis et Lunae etc.“ (Tübingen 1514); „Elucidatio fabricae ususque astrolabii etc.“ (Oppenheim 1513); „Calendarium magnum Romanum“ (Oppenheim 1518); „Expurgatio adversus divinationum XXIII anni suspitiones etc.“ (Tübingen (1523); „Ephemeridum opus etc.“ (Tübingen 1531). Erst nach dem Tode des Verfassers erschienen, bildet die Fortsetzung der Almanach nova. „In Procli Diadochi autoris gravissimi sphaeram mundi etc. Commentarius“ (Tübingen 1534). Diese Schrift wurde von L. Schrader herausgegeben. Nicht gedruckt wurden seine „Commentaria in Ptolemaei libros geographicos“, die zum Theil verbrannt sind. Die zwei erhaltenen Bücher der Handschrift befinden sich auf der Tübinger Universitätsbibliothek. Es werden noch weitere Schriften Stöffler’s genannt, z. B. auch von Vossius, von denen jedoch zweifelhaft ist, ob sie wirklich erschienen sind.

Ziemliches Unheil stiftete St. durch seine astrologischen Träumereien an, indem er auf das J. 1524 eine neue Sintflut prophezeite, wodurch sich manche Menschen zu thörichten Handlungen verleiten ließen. Obgleich statt der Sintflut eine große Trockenheit eintrat, scheint er doch nichts an Ansehen eingebüßt zu haben. Zur Kalenderverbesserung machte er elf Vorschläge. Aber auch als Kosmograph und Mechaniker war er ausgezeichnet; heute noch besitzt die Gymnasialbibliothek zu Konstanz einen merkwürdigen Globus coelestis, welchen St. für den Weihbischof Daniel von Konstanz verfertigt hat. Andere ähnliche Werke seiner Geschicklichkeit, von denen die Zeitgenossen berichten, sind zu Grunde gegangen. – Von den zwei erhaltenen Bildern Stöffler’s finden sich gutgelungene Reproductionen in den unten erwähnten Arbeiten Moll’s und Steiff’s.

J. C. A. Moll, Johannes Stöffler von Justingen. Ein Charakterbild aus dem ersten Halbjahrhundert der Universität Tübingen. Mit sechs Holzschnitten. Lindau 1877 (Separatabdruck aus dem Heft 8 der Schriften des Vereins für Geschichte des Bodensee und seiner Umgebung). K. Steiff, Der erste Buchdruck in Tübingen (1498–1534). Ein Beitrag zur Geschichte der Universität Tübingen. 1881.