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Artikel „Schuren, Gert van der“ von Woldemar Harleß in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 33 (1891), S. 80–82, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Schuren,_Gert_van_der&oldid=- (Version vom 3. Dezember 2024, 18:59 Uhr UTC)
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Schuren: Gert (= Gerhard) van der S., der bekannteste und relativ bedeutendste der mittelalterlichen Chronisten des clevischen Fürstenhauses und Landes entstammte einem alten, in Cleve mehrfach, namentlich nach Rees, Calcar, Winnekendonk und Xanten, verzweigten Geschlechte, das auch inger oder ter S. (Schueren, lateinisch de Horreo) genannt wird und dem wahrscheinlich u. a. Ritter Aemilius de Horreo, Zeuge in Urkunde des Grafen Dietrich von Mörs für die Cistercienserabtei Camp von 1226 (bei Lacomblet, Urkundenb. z. Gesch. des Niederrh. II, 138) angehörte. Daß dieses clevische Geschlecht eines und desselben Stammes war mit der altkölnischen Patricierfamilie gleichen Namenes, ist nicht zu erweisen und wegen der Verschiedenheit der Wappen – denn die kölnischen van der S. führten einen sechsmal silbern und schwarz geschachten, die clevischen dagegen einen durch einen Querbalken halbirten Schild – zudem mehr als fraglich. Gert war, nach einer allerdings späten Angabe, 1411 zu Xanten geboren als der Sohn des Johann van der S., kurkölnischen Vogts und Amtmanns daselbst seit 1392 († 1439) und der Druda oder Gertrud v. Bemel († um 1450). Zu seiner gelehrten Ausbildung scheint besonders der durch seine Schriften den Zeitgenossen bekannte und am clevischen Hofe einflußreiche, auch zu politischen Missionen mehrfach verwendete Dechant Arnold Heymrich (Heymricus) von Xanten (1459–91) beigetragen zu haben, den Gert selbst in einem Briefe des Jahres 1464 „seinen Herrn und Hauptlehrer“ nennt. Ob derselbe Arnold Heymrich, bevor er Dechant zu Xanten wurde, Gert dem Herzoge Adolf I. von Cleve († 1448) und dessen Sohne Johann zur Anstellung im Hofdienste empfohlen, wie in sehr späten Angaben behauptet wird, steht dahin; so viel aber läßt sich aus noch vorhandenen Correspondenzen van der Schuren’s entnehmen, daß er vielleicht schon 1442, jedenfalls aber seit 1447 das wichtige Amt eines herzoglichen Secretärs bekleidete. Vorher hatte der begabte und strebsame Mann, nachdem er gleich vielen seiner Altersgenossen die niedern Weihen des geistlichen Standes als Cleriker erlangt oder mit anderen Worten „Clerk“ im Bereich der Kölnischen Erzdiöcese (clerk des Coelschen creesdoms) geworden, den Beruf eines kaiserlichen öffentlichen Notars ergriffen, als welcher [81] er dann auch in manchen bemerkenswerthen und bedeutsamen Acten der Jahre 1440–89, u. a. in dem die St. Michaelscapelle zu Xanten betreffenden Collationsinstrumente des Propstes Johann uppen Grave daselbst vom 3. Juni 1440, bei der Erbscheidung von 1450 zwischen Johann I. von Cleve und dessen Bruder Adolf, Herrn von Ravenstein, 1472 und 1473 im Processe des Stifts Xanten gegen die Herren von Batenburg, zuletzt 1488 und 1489 bei der Erbtheilung des Herzogs Johann II. von Cleve mit Engelbert von Nivers, dessen zweitem Bruder auftritt. In seiner Eigenschaft als herzoglicher Secretär hatte Gert an der Verwaltung des Haushalts seines Fürsten wie an der Leitung der inneren und äußeren Landesangelegenheiten wesentlichen Antheil, so daß er nicht selten mit wichtigen Aufträgen betraut wurde. Unter anderem führte er zwischen 1466 und 1470 in Gemeinschaft mit den betreffenden geistlichen Commissaren Namens seines Herzogs die Reformation der Prämonstratenserklöster des Landes, insbesondere der Abtei Hamborn und des Nonnenconvents Bedbur bei Cleve durch; um Ostern und bis Juni 1468 war er zu Köln bei den vom erwählten Erzbischofe Ruprecht von der Pfalz veranlaßten Verhandlungen thätig, um in Gemäßheit des unter dem 6. März desselben Jahres von Herzog Johann mit den Pfandinhabern der Schlösser und Bezirke des Erzstifts gegen Ruprecht geschlossenen Fehdebündnisses nicht sowohl für die Aussöhnung zwischen diesem und den kölnischen Landständen, als vielmehr den letzteren gegenüber für die Interessen seines Fürsten und der Pfandherren zu wirken. Im letzten Drittel des Monats Juni 1477 zu Essen weilend, hatte Gert im Auftrage seines Herrn dem dorthin beorderten Amtmann von Bochum, Wenemar Hasenkamp, Weisungen in betreff der „Gefangenen von Bocholt“, anläßlich eines der letzten Conflicte mit Erzbischof Ruprecht, wie es scheint, zu ertheilen. Und auch nach 1480 war Gert, wie Concepte desselben in clevischen Litteralien zeigen, bei den Verhandlungen seines Herzogs mit Erzbischof Hermann IV. von Köln und Landgraf Heinrich von Hessen wegen Arnsberg, Eversberg und anderer Streitpunkte thätig. Daß er in nahem persönlichen Verkehre mit dem Herzoge Johann stand und zeitweilig wenigstens auch die Verwaltung des fürstlichen Haushalts leitete, beweist eine noch erhaltene Rechnung von seiner Hand über die Reise Johanns mit Gert nach Gent im J. 1452, deren Kosten – in der Zeit vom 11. Juni bis 25. Juli –, beiläufig bemerkt, im ganzen 1607 Fl. 3 Stüber 11/2 Gr. brabantischer Währung betrugen. Wann Gert gestorben, ist bisher nicht ermittelt, doch wird er das Ende des Jahrhunderts schwerlich erreicht haben. Er war zweimal verheirathet und hatte von seiner ersten Frau Elisabeth drei Söhne, die sich dem geistlichen Stande widmeten, Stephan, Prior zu Kloster Camp und Beichtvater zu Gräfenthal oder Neukloster bei Goch († 1500), Lambert, Pfarrer zu Büderich seit 1468, Johann, Pfarrer zu Malderich in der Betau und dann seit 1480 zu Büderich, sowie Rector der Capelle zu Aspel bei Rees. Allem Anschein nach lebte G. in guten äußern Verhältnissen, und zwar, insofern er nicht durch sein Amt am fürstlichen Hofe festgehalten war, zeitweise in Wesel, 1483 und 1484 mit der zweiten Gattin Gertrudis auf seinem Hause Dornick unweit Büderich. Am bekanntesten hat er sich jedenfalls durch seine litterarische Thätigkeit gemacht, indem er (wahrscheinlich um 1471) im Auftrage seines Fürsten eine Chronik des clevischen Hauses verfaßte, die bis heute als eine der besten der niederrheinischen Chroniken gilt – sie ist zum ersten Male von Dr. Troß veröffentlicht worden (Hamm 1824) und neuerdings nach der Originalhandschrift zu Cleve mit ausführlicher Einleitung und mehreren Beigaben von Dr. R. Scholten (Cleve 1884) –, und überdies ein Wörterbuch seines heimathlichen clevischen Dialekts schrieb, das einzig in seiner Art genannt werden darf. [82] Dasselbe, als „Vocabularius qui intitulatur Teuthonista vulgariter dicendo der Duytschlender“ im Eingange bezeichnet, ward bei Arnold ther Hoernen zu Köln gedruckt und im ersten, deutsch-lateinischen Theile im März 1475 vollendet, wogegen der zweite, lateinisch-deutsche Theil und somit das fertige Werk (dem noch zwei Anhänge „Termini Grecorum“ und „Libellus de partibus indeclinabilibus“ beigegeben sind) am 31. Mai 1477 die Presse verließ. Diese jetzt außerordentlich seltene Incunabelausgabe in Folio ist 1777 zu Utrecht (in zwei Quartbänden) reproducirt worden, der deutsch-lateinische Theil allein außerdem 1804 zu Leiden durch C. Boonzajer und J. A. Clignett. Ob auch die von Seibertz im 3. Bande seiner Quellen der westfälischen Geschichte (S. 323 ff.) veröffentlichte anonyme Chronik der clevischen Grafen und Herzoge von Gert van der S. herrührt und als eine Vorarbeit zur Chronik von 1471 aufzufassen ist, wie Scholten (a. a. O. S. XI–XIV) wahrscheinlich machen will, steht dahin und kann hier nicht näher untersucht werden. Richtig ist, daß beide Chroniken sich als von Dienern und Secretären clevischer Herzoge verfaßt geben, sowie daß die eine lateinisch geschriebene bis 1450, die andere niederdeutsche bis zum Beginne der Münsterschen Fehde (1451) reicht, beide mithin nicht weit über die Anfänge der Regierung Johann’s I. (1448–81) hinausgehen. Wenn nun aber Gert’s Chronik – später von dem Gochschen Secretär und clevischen Registrator Johann Türck fortgesetzt – mit 1451 abbricht, so wird dieses schwerlich auf einen Wink des Herzogs, vielleicht eher auf den Umstand zurückzuführen sein, daß der von Gert sehr verehrte Dechant Arnold Heymrich von Xanten mit einer Biographie Johann’s beschäftigt war, deren Handschrift vor ein paar Jahrzehnten zu Xanten noch vorhanden gewesen sein soll.

Quellen und Hülfsmittel: Urkunden und Litteralien des Staatsarchivs zu Düsseldorf. – R. Scholten, Einleitung zu seiner Ausgabe der clevischen Chronik des G. v. d. Schuren, S. III–XXX, auf die hinsichtlich der Beschaffenheit, der Quellen und des Inhalts derselben Chronik hier verwiesen werden muß. – Seibertz, Quellen der westfälischen Geschichte III, 323–367.