ADB:Schlosser, Ludwig Heinrich

Empfohlene Zitierweise:

Artikel „Schlosser, Ludwig Heinrich“ von Hermann Dechent in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 31 (1890), S. 548–550, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Schlosser,_Ludwig_Heinrich&oldid=- (Version vom 26. Dezember 2024, 01:23 Uhr UTC)
Allgemeine Deutsche Biographie
>>>enthalten in<<<
[[ADB:{{{VERWEIS}}}|{{{VERWEIS}}}]]
Band 31 (1890), S. 548–550 (Quelle).
[[| bei Wikisource]]
Ludwig Heinrich Schlosser in der Wikipedia
Ludwig Heinrich Schlosser in Wikidata
GND-Nummer 117330299
Rohdaten, Werke, Deutsche Biographie, weitere Angebote
fertig
Fertig! Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle Korrektur gelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
Kopiervorlage  
* {{ADB|31|548|550|Schlosser, Ludwig Heinrich|Hermann Dechent|ADB:Schlosser, Ludwig Heinrich}}    

{{Normdaten|TYP=p|GND=117330299}}    

Schlosser: Ludwig Heinrich S., lutherischer Geistlicher, geboren am 7. September 1663 zu Darmstadt, † am 8. August 1723 zu Frankfurt am Main. Er entstammte einem Theologengeschlecht. Schon sein Großvater hatte im Kirchendienste gestanden und sein Vater, Philipp S., war Stadtpfarrer und Consistorialrath zu Darmstadt gewesen. Nachdem er den ersten Unterricht durch einen Verwandten erhalten, besuchte er das Pädagogium seiner Vaterstadt von 1671–80. Durch den frühen Verlust des Vaters hatte er eine harte Jugend, deren Werth für seine religiös-sittliche Entwickelung er übrigens selbst nachmals hervorgehoben hat. Ein älterer Stiefbruder, Johann Daniel Arcularius (geb. am 30. März 1650 zu Darmstadt, † am 31. December 1710 zu Frankfurt), war damals Professor in Gießen (zuerst Lehrer der Logik und Metaphysik, dann der Theologie) und nahm sich des strebsamen Jünglings in herzlicher Liebe an, als er 1680 die dortige Hochschule bezog. Außer Arcularius hörte S. auch Hanneken, der einer der ersten Gegner Spener’s war. Der lutherischen Rechtgläubigkeit, welche diese seine Lehrer vertraten, ist er immer treu geblieben. Im J. 1686 siedelten beide Brüder nach Frankfurt über, der ältere, um wie der Vater ihrer Mutter Goezen, das Senoriat im lutherischen Predigerministerium zu bekleiden, der jüngere, um seine Prüfung daselbst zu bestehen, während ein dritter Bruder Philipp Casimir S. eine philosophische Professur in Gießen übernahm. [549] Ludwig Heinrich S. erhielt 1687 nach abgelegtem Examen einen Ruf an das Pädagogium zu Darmstadt, an dem er 9 Jahre lang als Schulmann thätig war. Er wurde 1692 zum Conrector ernannt; doch traten ihm auf dieser philologischen Laufbahn mehrmals Schwierigkeiten entgegen, die vermuthlich mit der Haltung seines Bruders in Frankfurt zusammenhingen. Arcularius trat nämlich im Gegensatz zu seinem Vorgänger Spener gegen den Pietismus auf und wurde sogar von dem Landgrafen Ernst Ludwig von Hessen, der dieser Bewegung zugethan war, wegen einer Predigt, die sich auf die Gießener Verhältnisse bezog, im J. 1694 beim Frankfurter Rathe verklagt. Unter diesen Umständen mußte S. einen Ruf nach Frankfurt als Praeceptor primarius (oder secundae classis) am Gymnasium mit Freuden begrüßen, um so mehr als auch der Bruder in Gießen um die gleiche Zeit versetzt wurde. Am 9. Juni 1696 trat er das neue Amt an, das er jedoch bald mit einem Kirchenamt vertauschen sollte. Denn im März 1697 erhielt er nach gehaltener Wahlpredigt die durch den Tod des Pfarrers Johannes (nicht Johann Friedrich) Stark erledigte Stelle. Als jüngster Geistlicher kam er zunächst nach Sachsenhausen, hatte aber noch die Mittwochspredigt in der Barfüßerkirche zu halten. Nach neun Jahren erhielt er ein Pfarramt in Frankfurt selbst, wo er längere Zeit fast ausschließlich als Wochenprediger an der Barfüßerkirche thätig war, bis er 1719 Sonntagsprediger an St. Catharinen wurde. Am 8. August 1723 verschied er infolge eines Schlagflusses nach kurzem Leiden. Sein Wandel war ohne Tadel, und in Treue der Seelsorge, wie im Ernste gegen sich und andere, hat er den pietistischen Geistlichen nicht nachgestanden. Die vom Pfarrer Selig gehaltene Leichenrede nebst dem beigefügten Lebenslauf bildet die Hauptquelle für die Darstellungen seines Lebens in der hymnologischen Litteratur. Sein Verhalten auf dem Krankenlager wurde mehrfach (Feddersen, Nachrichten von dem Leben und Ende gutgesinnter Menschen III, 96, Halle 1780) in erbaulicher Weise verwerthet. Von dreizehn Kindern überlebten ihn acht, darunter ein Sohn, der die gleichen Vornamen führte und nach des Vaters Tode Pfarrer in Frankfurt wurde († am 29. Mai 1752). Von S. rühren 42 religiöse Lieder her, von denen nur einige bekannt geworden sind. Schon in einer von Arcularius besorgten Ausgabe der Praxis Pietatis von Crüger (1693) finden sich mehrere derselben, so das Lied: „Jesus nimmt die Sünder an – drum so will ich nicht verzagen“, das unter vier Gesängen gleichen Anfangs das älteste ist und vielfach an das beliebtere von Erdmeister erinnert. Im J. 1700 gab S. selbst ein Andachtsbuch heraus, „Das Gott – geheiligte Bet-Kämmerlein“ bei Joh. Bauer (2. Aufl. 1706), welches sieben Abtheilungen enthält. In dem „Gesangbüchlein“, das an letzter Stelle steht, finden sich einige seiner eigenen Gedichte. Von den übrigen Theilen dieses „Andachtsbuches“, welches die Psalmen, die Katechismen Luther’s u. s. f. enthält, dürfte nur das erste, das „Haus- und Kirchenbüchlein auf allerlei Zufälle gerichtet“, theilweise von ihm selbst herrühren. 1701 ließ er das Lied: „Hab Acht auf mich in aller Noth“ (über seinen Wahlspruch Jerem. 18, 19) besonders für die Gemeinde drucken. Seine theologische Richtung ergiebt sich am besten aus der Vorrede zu den beiden Jubelpredigten, die er 1717 beim Reformationsjubiläum hielt (bei Joh. Phil. Andreae erschienen). Er wandte hier sich nicht nur gegen die römische Kirche und die kurzweg zusammengefaßten Atheisten und Synkretisten, sondern auch gegen „die Leute, die zwar die feinsten und gewissenhaftesten wollten heißen unter den Christen, und sondern sich doch in allen Stücken ab von der öffentlichen Versammlung der christlichen Gemeinde, halten sich zu keiner Kirche und Communion, bekennen sich zu keiner im römischen Reiche statthabenden Religion u. s. f. (vgl. auch S. 86)“. Hat er auch zunächst die Separatisten, wie den Anhang des 1690 verstorbenen Joh. Jac. Schütz (s. A. D. B.) dabei im Auge, gegen die auch Arcularius [550] scharf vorgegangen war, so läßt sich doch auf seine entschiedene Stellungnahme gegen das Conventikelwesen überhaupt daraus schließen. Gelegentlich des großen „Christenbrandes“ in Frankfurt (1719) gab er, wie einige andere Amtsbrüder, eine Brandpredigt heraus und fügte außer zwei Brandpredigten verstorbener Theologen auch ein längeres Buß- und Brandlied hinzu, das er für die durch das Feuer geängsteten Freunde in solcher Noth abgefaßt hatte: „Erzürnter Gott, laß Dich erbitten“. Die Predigten Schlosser’s waren sorgfältig ausgearbeitet, wie er es denn ausdrücklich als Gewissenspflicht des Geistlichen bezeichnet, sich auch auf die geringste Amtshandlung vorzubereiten. Eine besondere Sammlung von ihm abgefaßter Lieder erschien bei seinen Lebzeiten zweimal und wurde nach seinem Tode von seinem gleichnamigen Sohne unter dem Titel, den sie bei dem zweiten Erscheinen erhalten hatte, „Stilles Lob Gottes im geistlichen Zion“ in vermehrter Auflage 1724 (bei Andreae) herausgegeben. Hier findet sich u. a. das bekannteste Lied Schlosser’s, daß er wohl im Blick auf die große Anzahl seiner eigenen Kinder verfaßt hat: „Sorge doch für meine Kinder“ (oft irrthümlich seinem Neffen Joh. Ludwig S. in Hamburg, † am 7. April 1754), zugeschrieben, das Passionslied: „Betrübter Gang, den jetzt mein Jesus wallet“, das sich in einigen Frankfurter Gesangbüchern findet, und das Pfingstlied: „Edler Geist im Himmels Throne“.

Vgl. außer den hymnologischen Werken Strieder, hessische Gelehrtengeschichte. Zur genaueren Feststellung einiger hier und da unrichtig angegebener Daten wurden die Acten des Frankfurter Predigerministeriums benutzt.