ADB:Schleusner, Johann Friedrich

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Artikel „Schleusner, Johann Friedrich“ von Carl Gustav Adolf Siegfried in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 31 (1890), S. 474–476, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Schleusner,_Johann_Friedrich&oldid=- (Version vom 25. November 2024, 12:58 Uhr UTC)
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Schleusner: Johann Friedrich S. (Schleußner bei Meusel VIII, 139, Winer, Handbuch der theol. Lit. I, 10 u. a. ist incorrect; in des Verfassers eignen Büchern steht stets Schleusner), geboren zu Leipzig am 16. Januar 1759, bezog 1775 die Universität seiner Vaterstadt, erwarb daselbst 1779 die Magisterwürde und habilitirte sich 1781 in der theologischen Facultät (Titel der Dissertation s. Winer I, 110); 1783 ward er Vormittagsprediger an der Universitätskirche zu Leipzig. Ostern 1785 ward er als professor theol. extraordinarius nach Göttingen berufen, woselbst er über Exegese des Alten und Neuen Testaments und über Dogmatik las, aber auch homiletische Uebungen abhielt. Im J. 1790 ward er zum ordentlichen Professor ernannt. 1795 ward er als Propst an die Schloßkirche und zugleich als ordentlicher Professor der Theologie an die Universität Wittenberg berufen, woselbst er am 21. Februar 1831 als zweiter Director des königlichen Predigerseminars gestorben ist (Pütter, Gelehrten-Gesch. der Universität Göttingen II, 183. Meyer, Gesch. der Schrifterklärung 7, 126. Winer a. a. O. II, 756, wo aber ein falsches Geburtsjahr, 1756, steht, denn Pütter, der aus den Göttinger Universitätsacten arbeitete, hat 1759).

Die Zahl der wissenschaftlichen Publicationen von S. ist eine sehr große. Man findet genaue Titelangaben derselben bei Pütter a. a. O., wo die Schriften von 1779–87 verzeichnet stehen, bei Meusel VIII, 139 f., wo die Schriften von 1810–22 und überhaupt bei Winer a. a. O. I, 10, 50, 110, 128, 219; II, 92. – Schleusner’s Hauptverdienste liegen in der lexikalischen Bearbeitung des hellenistischen Griechisch. – Den ersten Entwurf einer Sammlung des Wortschatzes der griechischen Uebersetzung des Alten Testaments durch die sogen. LXX hatte die Concordanz von Tromm (1718) [s. d. Art.] geboten. Auf Grund dieser Materialien hatte J. Chr. Biel versucht, ein eigentliches Lexikon zu den LXX auszuarbeiten, welches nach seinem Tode durch E. H. Mutzenbecher 1779 bis 1781 veröffentlicht wurde. – Indessen so anerkennenswerth diese ersten Arbeiten waren, hatten sie doch noch mancherlei Mängel. Erstens fehlten viele Wörter, dann aber hatte der Verfasser die behandelten Artikel ganz atomistisch [475] gehalten, Verbindungen der Worte in Redewendungen (Phrasen) waren ganz unbeachtet geblieben, außerdem war die Textkritik ganz vernachlässigt, so daß ganz verderbte Wörter mit aufgeführt waren und endlich hatte er in der Uebersetzung derselben sich ganz auf seinen Vorgänger Tromm verlassen und alle Mißverständnisse und Fehler desselben getreulich weiter fortgepflanzt. Es war daher sehr dankenswerth, daß S. sich entschloß, zunächst zum Biel’schen Werke eine Nachlese zu halten. 1784 und 1786 erschienen zwei „Spicilegia lexici in interpretes graecos V. T.“, in welchen, was eine sehr wichtige Verbesserung war, auch die Apokryphen des Alten Testaments mit berücksichtigt waren. Es wurde hier eine ganze Anzahl von Biel vergessener Wörter hinzugefügt, besonders auch aus Daniel und den hexaplarischen Fragmenten, welche bei Biel ganz fehlten. Außerdem geschah auch viel für Verbesserung der Bedeutungsbestimmungen. Hieran schlossen sich die „Curae hexaplares in Psalmorum libros ex patribus Graecis“ 1785 und die „Neuen Beiträge zur Kritik über die alten griechischen Uebersetzungen der Psalmen aus einigen Kirchenvätern“ (Göttingische Bibliothek Bd. I, 1794, S. 1–25, 77–98, 155–175). – Hier sind mancherlei noch jetzt nutzbare Bemerkungen über den hellenistischen Sprachgebrauch niedergelegt, wie z. B. daß ἅγιοι in Marc. 1, 48 die Leviten und Tempeldiener bedeute; die Notiz über die Wiedergabe des aram. sufa, Daniel 7, 27, durch καταστροφή bei den LXX u. a. m.; Beseitigung sinnloser Wörter wie ἀδικασία ist durch Emendation gegeben. Zur Ergänzung bei Biel fehlender Wörter vgl. die Art. ἐκτενής, ἑκτόν, ἔμπονος im zweiten Spicileg. S. 57 f., 61 u. a. Fleißig sind auch bei den Erörterungen über die Wortbedeutungen die griechischen Classiker, ebenso auch alte Lexikographen wie Suidas, Hesychius oder kirchliche wie Suizer herangezogen. In den zuletzt genannten Beiträgen hat S. wichtige Varianten zu den Psalmen aus den Kirchenvätern gesammelt und aus ihnen oft Ergänzungen oder Verbesserungen zu Montfaucon’s Ausgabe der Hexapla des Origenes geliefert. Man vgl. z. B. S. 166 die Ergänzungen der Lücke in Ps. 119, 170 bei Montfaucon durch eine Stelle bei Origenes, die richtige Lesart der Uebersetzung des Aquila in Ps. 54, 6 für palasût durch δείνησις statt εἰλίνδησις S. 4 f. u. a. m. In ähnlicher Weise brachte er auch Verbesserungen aus den Uebersetzungen, insbesondere der Hexapla zu den Proverbien in einem „Specimen collationis proverbiorum Salomonis cum bibliis Polyglottis Londinensibus et Hexaplis Origeniani“ 1782 und in seinen „Commentarii novi critici in Versiones veteres proverbiorum Salomonis“ 1790–94, welche sich über Spr. 1–8 erstrecken (vgl. Eichhorn, Allg. Bibl. d. bibl. Lit. III, 178; V, 1015). In diesen Abhandlungen über die Sprüche konnte S. sich auch auf die guten Vorarbeiten von G. J. L. Vogel und J. G. Jäger stützen (vgl. Lagarde, Anmerkungen zu den Proverbien 1863, S. 4). – Derselben Art waren die 1788 erschienenen „Observationes criticae in versiones graecas oraculorum Jesaiae“ (s. darüber Eichhorn, Allg. Bibl. d. bibl. Lit. II, 748–750). Zusammengefaßt wurden diese zum Theil als Programme, zum Theil in Zeitschriften erschienenen Arbeiten in seinen „Opuscula critica ad versiones graecas veteris Testamenti pertinentia“ 1812. Ueber die gleichzeitigen Beiträge anderer zu dieser Frage (s. Rosenmüller, Handbuch f. d. Lit. d. bibl. Kritik Bd. II, 1798, S. 454 f., 465–468. Meyer a. a. O. V, 126 f., 299, 402, 723. Diestel, Gesch. des Alten Testaments, S. 667). – Den Abschluß dieser umfangreichen Studien bildete der „Novus thesaurus philologico-criticus sive lexicon in LXX et reliquos interpretes graecos ac scriptores apocryphos V. Ti.“ 1820, 1821, 5 Bde., über welches Werk mit Unrecht in Bleek-Kamphausen, Einleitung in das Alte Testament 1870, S. 791 f. ein durchaus ungünstiges Urtheil gefällt wird. Natürlich kann unsere Zeit sich weder mit der lexikalischen Leistung noch [476] mit der textkritischen Methode dieser Arbeit einverstanden erklären, aber daß diese Sammlung eine Fundgrube auch für die neuesten Arbeiter auf diesem Gebiete gewesen ist, gesteht einer der tüchtigsten derselben, Karl Vollers, in seinem Dodekapropheton 1880, S. III offen ein und bei andern kann man auch uneingestandenermaßen die Spuren Schleusner’s entdecken. – Der lexikalischen Arbeit hat die textkritische vorauszugehen, für welche die Leistungen von Tischendorf, Nestle und insbesondere die großartigen Schöpfungen de Lagarde’s auf diesem Gebiete uns eine neue Basis zu schaffen im Begriffe sind. – Durch die beschriebenen Studien ward S. von selbst auch zum neuen Testament geführt. Sein „Novum lexicon graeco-latinum in Novum Testamentum“ erschien 1792, in verbesserter Ausgabe 1801 in 2 Bdn., 3. Aufl. 1808, 4. Aufl. 1819. Auch hier sind aus einer umfassenden Belesenheit reiche Materialien aus classischen und hellenistischen Schriftstellern, den Lexikographen des hellenistischen Griechisch den Kirchenvätern u. s. w. zusammengetragen, so daß dies Werk nicht nur in seiner Zeit mit warmem Lobe begrüßt wurde (Eichhorn a. a. O. IB, 751–764. Meyer a. a. O. V, 151–155), sondern auch neuerdings von dem berufensten Beurtheiler, W. Grimm, in dessen kritisch-geschichtlicher Uebersicht der neutestamentlichen Verballexika seit der Reformation (Theol. Studien und Kritiken, 1875, auf S. 498–500) die Anerkennung erhält, daß dasselbe „als reiche Materialiensammlung für monographische Zwecke bleibenden Werth behaupten wird“. Allerdings wird alsdann hervorgehoben, daß die eigne Verarbeitung und Anordnung des Stoffes durchaus ungenügend sei; es trägt eben diese Arbeit die Mängel ihrer Zeit: philologisch charakterisirt sie der rohe Empirismus, theologisch die rationalistische Verflachung der religiösen Begriffe. – Demselben Gebiete gehörte die 1791 erschienene „Commentatio de vocabuli πνεῦμα in libris N. T. raro usu“ an (s. Eichhorn a. a. O. IX, 611). – Dem hebräischen Texte des Alten Testaments suchte S. zu nützen durch seine „Curae criticae et exegeticae in Threnos Jeremiae“ (in Eichhorn’s Repertorium für bibl. und morgenländ. Litteratur XII, 1–57). Auch hier ist meist durch Herbeiziehung der Uebersetzungen dem Texte aufzuhelfen versucht, nur fehlt es an festen textkritischen Principien, so daß aus den fleißigen Zusammentragungen der Varianten nicht der rechte Nutzen gezogen wird. Aehnliches gilt von den nach dem Tode von J. D. Michaelis von ihm mit Zusätzen herausgegebrnen „Observationes philologicae et criticae in Jeremiae vaticinia et threnos“ des Letztgenannten 1793. – Die „Göttingische Bibliothek der neuesten theologischen Literatur“ gab er zusammen mit C. F. Stäudlin von Bd. I–III 1794–97 heraus. Von Bd. IV ab war Stäudlin der alleinige Herausgeber. Schleusner’s eigene Beiträge zu dieser Zeitschrift sind oben erwahnt worden.