ADB:Schlechtendal, Diederich Franz Leonhard von

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Artikel „Schlechtendal, Diederich Franz Leonhard von“ von Ernst Wunschmann in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 31 (1890), S. 351–353, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Schlechtendal,_Diederich_Franz_Leonhard_von&oldid=- (Version vom 22. Dezember 2024, 06:32 Uhr UTC)
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Schlechtendal: Diederich Franz Leonhard v. S., Botaniker, geboren zu Xanten a. Rh. am 27. November 1794, † zu Halle a. S. am 12. October 1866. Als vierjähriger Knabe kam S. nach Berlin, wo sein Vater[WS 1] eine Anstellung als Stadtgerichtsdirector gefunden, nachdem ihn die Besitzergreifung des linken Rheinufers durch die Heere der französischen Republik zur Aufgabe seiner richterlichen Stellung in der rheinischen Heimath bewogen hatte. Hier in Berlin empfing S. seine wissenschaftliche Ausbildung. Als Primaner verließ er 1813 das Gymnasium zum grauen Kloster und stellte sich in Breslau, dem Rufe des Königs folgend, zum freiwilligen Kriegsdienst. Wegen körperlicher Unbrauchbarkeit nach kurzer Dienstzeit entlassen, kehrte er nach Berlin zurück und begann daselbst Medicin zu studiren, mit besonderem Eifer auch deren Hülfswissenschaften, vorzüglich der Botanik sich zuwendend. Auf Grund seiner Dissertation: „Animadversiones botanicae in Ranunculeas Candollii“ 1819 zum Dr. med. promovirt, fand er noch in demselben Jahre eine Anstellung als Custos am königl. Herbarium, zu welchem durch Ankauf der Willdenow’schen Pflanzensammlung unter Link’s Directorat soeben der Grundstock gebildet worden war. In dieser Stellung verblieb S. bis 1833. Inzwischen habilitirte er sich 1826 als Privatdocent bei der Berliner philosophischen Facultät, nachdem ihm schon vorher von Bonn aus die Würde eines Ehrendoctors verliehen worden war. 1827 erfolgte seine Beförderung zum außerordentlichen Professor und als 1833 Kurt Sprengel in Halle starb, übernahm er als dessen Nachfolger die ordentliche Professur der Botanik und das Directorat des botanischen Gartens. Beide Aemter bekleidete er bis zu seinem Tode. Nach einem äußerlich wenig bewegten Leben, das nur seiner wissenschaftlichen Thätigkeit und seiner Familie gewidmet war, erreichte er, bis in seine letzten Tage hinein körperlich und geistig frisch, ein Alter von 72 Jahren. Er erlag nach wenigen Tagen ernster Erkrankung einer Lungenentzündung. Schlechtendal’s wissenschaftliche Verdienste wurden durch die Verleihung der Mitglied- und Ehrenmitgliedschaft seitens zahlreicher gelehrter Körperschaften, darunter der Berliner Akademie und der Londoner Linnéischen Gesellschaft, anerkannt; auch eine brasilianische Compositengattung wurde mit seinem Namen belegt. In persönlicher Hinsicht schätzten ihn seine Genossen als einen zuverlässigen Charakter von großer Anspruchslosigkeit und Liebenswürdigkeit.

Schlechtendal’s litterarische Thätigkeit in der Botanik blieb auf die Systematik beschränkt. Dazu vermochte ihn theils die ihm durch seinen Vater gegebene Anregung, der, ein Freund des Systematikers Willdenow, selbst große Pflanzensammlungen besaß, theils die ihm im Anfange seiner Laufbahn gewordene Beschäftigung der Anordnung des Willdenow’schen Herbars. Nur einige kleinere Aufsätze berühren physiologische Fragen. Gegenstände der Morphologie behandelte er meist nur gelegentlich, so z. B. in seinen an Joh. Röper gerichteten Briefen über die Gräser (Bot. Zeitung 1847 u. 48). Auch seine zahlreichen Mittheilungen über Pflanzenmißbildungen sind nur Sammlungen sorgfältig beschriebener Einzelfälle. Dagegen sind seine Arbeiten über angewandte descriptive Botanik und Pharmacognosie recht umfangreich. Ein größeres Werk dieser Art ist die Herausgabe des Textes zu Fried. Guimpel’s „Abbildungen der Pflanzen der preußischen Pharmacopoe“, das 2 Bände mit je 100 colorirten Tafeln umfaßt. Die überwiegende Mehrzahl seiner Arbeiten veröffentlichte S. in der Form kleinerer Dissertationen und meist periodisch fortgesetzter Journalartikel, vorzugsweise [352] in den von ihm mitbegründeten Zeitschriften „Linnäa“ und „Botanische Zeitung“ (vgl. darüber Catalogue of scientif. papers, Vol. V, 1871, p. 476–81 und Vol. VIII, 1879, p. 862). Zu seinen größeren selbständig erschienenen Werken gehören die zweibändige „Flora Berolinensis“, ein seiner Zeit ganz vorzügliches Werk, das im ersten Bande (1823) die Phanerogamen, im zweiten (1824) die Kryptogamen enthält, ferner der „Hortus Halensis“, von dem fünf Einzelhefte von 1841–53 herauskamen, welche Abbildungen und Beschreibungen neuer, seltener oder kritisch zu beleuchtender Pflanzen aus dem im Titel bezeichneten Institute bringen, und endlich das freilich auch nicht vollendete, ebenfalls in fünf Fascikeln erschienene Kupferwerk: „Adumbrationes plantarum“ (1825 bis 1832), welches die Farne des Caplandes behandelt. Von der Betheiligung an der durch Chr. E. Langethal und Ernst Schenk 1841–64 in 20 Bänden veröffentlichten Iconographie der deutschen Flora zog sich S. bald zurück, wiewohl in der Litteratur sein Name bei Angabe dieses Werkes stets in Verbindung mit den genannten Autoren angeführt wird. Kleinere, gesondert erschienene Veröffentlichungen Schlechtendal’s sind: „Erineum Pers.“ 1821 (aus den Regensburger Denkschriften, Bd. II); „Ueber die wilde Kartoffel (Papa cimarron) von Mexiko“ 1833 gemeinsam mit P. C. Bouché verfaßt; „De Aseroës genere“ 1847, eine anläßlich des 50jährigen Doctorjubiläums seines Schwiegervaters, des Entomologen J. Chr. Fr. Klug herausgegebene Gratulationsschrift; „Bemerkungen über die Gattung Hemerocallis und deren Arten“ 1854; „Betrachtungen über die Zwergmandeln und die Gattung Amygdalus überhaupt“ 1854; „Bemerkungen über Pontedrina azurea Sw. und die Familien-Verwandten“ 1861 (aus d. Abhandl. d. Naturf. Gesellschaft zu Halle, Bd. 6). Einen großen Raum in Schlechtendal’s litterarischer Thätigkeit nehmen seine Bearbeitungen der von Reisenden eingeschickten Pflanzensammlungen ein. Dahin gehören die von Fr. Sellow in Brasilien gesammelten Pflanzen, die reichen Sendungen, die Schiede und Deppe aus Mexiko einschickten, an deren Herausgabe anfänglich auch Chamisso betheiligt war, ferner Karl Ehrenberg’s Sammlungen auf St. Thomas, die Pflanzen von Labrador und endlich die auf Chamisso’s Reise um die Erde gesammelten Pflanzen, die zuletzt von Chamisso allein bearbeitet wurden. Die Publicationen darüber erfolgten sämmtlich in der Zeitschrift Linnäa Ausgangs der zwanziger bis Mitte der dreißiger Jahre. Die Fülle neuer Formen, welche durch diese Arbeiten bekannt wurden, sowie die Gründlichkeit ihrer Beschreibungen haben wohl vorzugsweise Schlechtendal’s Ruf als Systematiker begründet. Weit mehr aber noch, als durch eigne schöpferische Leistungen wirkte S. fördernd auf die Botanik durch die Begründung und langjährige Leitung zweier wissenschaftlicher Zeitschriften. Außer der Zeitschrift „Flora“ existirte zu Anfang der zwanziger Jahre kein größeres Journal rein botanischen Inhalts. Durch seinen Vater und durch Chamisso angeregt, entschloß sich S. zur Begründung der Linnäa, „eines Journals für die Botanik in ihrem ganzen Umfang“, welches in zweimonatlichen Heften von 1826 an zu erscheinen begann. 40 Jahre lang, bis zu seinem Tode, leitete er das Unternehmen, das ihm große Opfer an Zeit und Geld auferlegte, da er zeitweilig aus eigenen Mitteln die Druckkosten bestreiten mußte. In ihren 16 ersten Bänden brachte die Zeitschrift neben Originalarbeiten aus allen Zweigen der Botanik kurze Litteraturberichte, die mit dem 17. Bande (1843) wegfielen. Nach Schlechtendal’s Tode übernahm vom 35. Bande an die Redaction Aug. Garcke, in dessen fachkundiger Hand sie noch gegenwärtig liegt. Die in der Linnäa publicirten Arbeiten sind hauptsächlich descriptiven Inhalts. Ein umfassenderes Arbeitsfeld wählte sich die zweite Zeitschrift, mit deren Entstehung Schlechtendal’s Name eng verknüpft ist. Es ist dies die „Botanische Zeitung“, gegründet 1843 von dem Buchhändler und späteren [353] akademischen Professor in Gießen, Dr. Phil. Phöbus aus Nordhausen, der die Redaction in die Hände der Professoren H. v. Mohl und v. Schlechtendal legte. Durch Reichthum und Gediegenheit des Inhalts, der neben Morphologie und Systematik auch die zur Zeit des Erscheinens besonders lebhaft behandelten physiologischen Fragen berücksichtigt, hat die Bot. Zeitung, wie kaum ein anderes Journal, das Studium der Botanik angeregt und gefördert. Sie ist noch gegenwärtig wol die gelesenste Zeitung ihres Faches. Fortschreitend mit der fortschreitenden Wissenschaft, hat sie, unter der Hand tüchtiger Redacteure, sich stets auf der Höhe ihrer Aufgabe gehalten. Nach Schlechtendal’s Tode trat A. de Bary als Mitredacteur ein, der sie, nachdem auch Mohl gestorben, 1878 zusammen mit Gregor Kraus, 1879 und 1880 allein, 1881–86 in Gemeinschaft mit L. Just und 1887 wiederum selbständig redigirte, bis auch ihn der Tod abberief und von 1888 an die Leitung in die Hände des Grafen Solms-Laubach und des Dr. J. Wortmann in Straßburg überging. Einige Zeit lang besorgte S. noch für eine dritte Zeitung die Redactionsgeschäfte, nämlich für die „Abhandlungen der Naturforschenden Gesellschaft zu Halle“, ein Sammelwerk, das allerdings nicht rein botanischen Inhalts war. Endlich sei noch erwähnt, daß S. auch in seiner Eigenschaft als Gartendirector sich äußerst thätig erwies und den Hallischen Garten zu heben wußte, wenn er auch von der Vollendung dessen, was er erstrebte, selbst nur wenig erlebte. Seine Bücher und Sammlungen erwarb der Staat und überwies sie der Universität Halle.

de Bary, Nekrolog in Bot. Zeitg. 1867 und in Verhandl. des Botan. Vereins der Prov. Brandenburg 1867. – Pritzel, Thes. lit. bot.


Anmerkungen (Wikisource)

  1. Diederich Friedrich Carl von Schlechtendal (1767–1842), Stadtgerichtsdirector in Berlin, später Oberlandesgerichtspräsident in Paderborn.