ADB:Schütz, Johann (Pamphletist)

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Artikel „Schütz, Johann (Pamphletist)“ von Gustav Roethe in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 33 (1891), S. 127–128, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Sch%C3%BCtz,_Johann_(Pamphletist)&oldid=- (Version vom 30. Dezember 2024, 14:43 Uhr UTC)
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Schütz: Johann S., lutherischer Geistlicher und Pamphletist des 16. Jahrhunderts. Von seinem Leben ist mir nur bekannt, daß er 1537 und 1538 in Wittenberg unter Luther’s Leitung studirte, seit 1542 ein Predigtamt inne hatte und 1579/80 Pfarrer in Riestädt bei Sangerhausen war; dort wirkte er sicher nicht mehr 1591; wahrscheinlich starb er bald nach dem 24. April 1580, von welchem Tage sein „Sakramentsteuffel“ datirt ist: wenigstens bezeichnet ihn ein Nachwort zu seinen „Fünfzig Ursachen“. deren Vorwort am 18. Septbr. 1579 unterzeichnet wurde, bereits als todt; leider ist der mir vorliegende Druck jenes Werkes selbst ohne Angabe des Jahres. Aeltere Encyclopädien verwechseln ihn vielfach mit dem 1531 zu Halle geborenen, am 24. Juli 1584 als Kanzler der Universität und Propst der Schloßkirche zu Wittenberg gestorbenen Johann Schütz (s. u. S. 128), dem er freilich in seinen religiösen Anschauungen nah verwandt gewesen zu sein scheint. – S. gehört zu den Zionswächtern des starrsten Lutherthums; finstere und bornirte Zeloten, wie Marbach und Heßhus, sind die Männer seines Herzens; Selneccer hat seinen „Sacramentsteuffel“ durch ein Vorwort ausgezeichnet. Nicht in Türken und Papisten sieht er die Todfeinde des wahren Glaubens; viel gefährlicher und schlimmer sind die Sacramentirer, d. h. die Reformirten, die uns das Nachtmahl und dadurch die Versöhnung mit Gott rauben wollen, und er kennt keine Schonung, auch wenn er aus persönlichen Eindrücken geneigt ist, für den einen oder andern von ihnen Achtung zu empfinden. Sein Herz möchte ihm in tausend Stücke springen vor ihren grausamen, erschrecklichen und unmenschlichen Lästerungen. Sie trauen mehr auf den Heiden Aristoteles und auf die menschliche Vernunft, als auf die klaren Worte der Bibel, die sie durch Schwatzen und Disputiren entstellen; tief beklagt er, daß auch Lutheraner sich ihnen gegenüber aufs Disputiren eingelassen haben. Der Umstand, daß reformirte Gelehrte ihre Meinungen geändert oder als nicht [128] zweifellos hingestellt haben, diese Bescheidenheit ehrlichen Wahrheitstriebs ist für S. Beweis, daß sie zweizüngig und unbeständig, lichtscheu und schlüpfrig seien. Ihre versöhnliche Gesinnung gegen das Lutherthum dünkt ihm eitel Hinterlist oder Gleichgültigkeit. Einige Verirrungen des platten Rationalismus weiß er ihnen gut aufzustechen; aber er verzerrt ungenirt ihre Meinungen, wenn er sie z. B. lehren läßt, Christus sitze im Himmel fest bis zum jüngsten Tage, wie Kaiser Friedrich zu Kyffhausen, und könne daher nicht zum Abendmahl heruntersteigen. Als Haupt- und Schlußeffect figuriren dann allerlei Märchen, wie der Teufel berühmte Sacramentirer, z. B. Karlstadt, geradezu geholt, oder wie sie sonst zur Strafe ihres Lästerns ein erschrecklich Ende gefunden, so Zwingli und Oekolampadius. S. hat in seiner Schriftstellerei weit vorwiegend diese eine Saite gespielt. Seine „Funfftzig erhebliche Vrsachen, Darumb die Lutherischen (wie man sie nennt) das ist, alle rechte fromme Christen … zu den Sacramentierern oder Calvinisten nicht tretten … sollen“ (1579 verfaßt) weisen denselben Geist, dieselbe Gesinnung, dasselbe Material, oft sogar dieselben Worte auf wie das ausführlichere und berühmtere Buch „Serpens Antiquus, Die alte Schlange. Das ist: Der Sacramentsteuffel, der sich in diesen letzten fehrlichen Zeiten, mit 37 seiner fürnembsten Adiuuanten oder Obersten aus dem Hellischen Reich, öffentlich ins Feld gelegt“ (Eisleben 1580); eine spätere, noch umfänglichere Auflage dieses zweiten Werks (1591, wol erst nach Schütz’s Tode erschienen) hat es sogar bis auf 50 Hülfsteufel gebracht. Die Einkleidung des „Sacramentsteuffels“, durch den sich S. an der Teufellitteratur betheiligte, ist ganz äußerlich, sagte aber dem Zeitgeschmack offenbar besser zu als die abstractere Fassung der „Funfftzig Vrsachen“. Minder gelesen war, wie es scheint, seine „Antithesis, das ist Entgegensetzung des Fundaments der Lutheraner und Sacramentirer in der Lehre vom Nachtmahl des Herrn“ (Eisleben 1580) und einige lateinische theologische Schriften aus dem Anfang der siebziger Jahre. Dialektik und eigene Gedanken stehen dem grimmigen Polterer nicht zu Gebote: er widerlegt Citate aus reformirten Autoren durch Citate aus lutherischen und der Bibel; aus eignem Besitz steuert er Grobheiten, fragwürdige Anekdoten und noch viel fragwürdigere Verse bei; mit diesem breitspurigen, eintönigen und ungeschickten Zierrath ist namentlich der „Sacramentsteuffel“ reich ausgestattet.