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Artikel „Scandello, Antonio“ von Robert Eitner in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 30 (1890), S. 475–476, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Scandello,_Antonio&oldid=- (Version vom 29. März 2024, 09:28 Uhr UTC)
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Scandello: Antonio S., in deutschen Drucken und Actenstücken stets Scandellus, doch nie Scandelli, wie ihn die Musiklexika bezeichnen, genannt. In alten deutschen Musikhandschriften auch Schandel geschrieben. Er muß nach Kade’s Untersuchungen in Le Maistre, S. 3 und 9 um 1517 in Brescia geboren sein und schon vor 1553 in Diensten des Kurfürsten Moritz von Sachsen, wo er auf Lebenszeit angestellt war, gewesen sein, denn er schrieb auf dessen Tod am 9. Juli 1553 einen Trauergesang, der auch gedruckt, sich aber nur in einer Copie auf der Bibliothek der Stadtkirche in Pirna erhalten hat. Die Abschrift rührt von Moritz Bauerbach aus Pirna her, der Tenorist an der kurfürstlichen Capelle in Torgau war; auf der letzten Seite der Abschrift steht die Notiz: „Torgae scribebat Mavricivs Bauerbach, Pirnensis. Anno 1562“. S. war anfänglich nur Instrumentist in der kurfürstlichen Capelle und zwar Zinken- und Posaunenbläser mit dem in der Capelle höchsten Gehalte von 250 fl. 16 gr. 9. pf. und 14 fl. jährl. Hauszinsgeld, welcher jedoch fortfiel, als er 1563 vom Kurfürsten 300 fl. zu einem Hausbau geschenkt erhielt. So gesucht waren damals italienische Instrumentisten, daß ihre Besoldung höher als diejenige des Capellmeisters war. – Als der alternde Capellmeister Matthaeus le Maistre den Dienst nicht mehr in gehöriger Weise versehen konnte, wurde ihm S. 1566 zur Aushülfe beigegeben und erhielt den Titel „zugeordneter Moderator“. In demselben Jahre gab er (am 25. März in Augsburg gezeichnet) seine erste Canzonen-Sammlung zu 4 Stimmen in Nürnberg heraus, die sich so großer Beliebtheit erfreute, daß sie 1572 und 1583 in neuen Auflagen erschien. Er zeigte darin den Italiener in der bestechendsten Weise. Die deutsche Schreibweise unterschied sich von jeher von der italienischen durch eine gediegene contrapunktische Arbeit über einen gegebenen Cantus firmus, der entweder der Kirche oder Volksweisen entlehnt war, während der Italiener stets mehr der homophonen und melodischen Behandlung des Tonsatzes huldigte. S. fügte diesen Eigenschaften noch eine humoristische und ans Dramatische anstreifende Ausdrucksweise hinzu und so konnte es nicht fehlen, daß sich seine Werke großer Anerkennung und Beliebtheit erfreuten. Als er am 12. Februar 1568 an Stelle le Maistre’s zum Capellmeister ernannt wurde (letzterer erhielt endlich die schon lange erwünschte Pensionirung, da ihn das Podagra arg peinigte), ließ er in demselben Jahre sein erstes Buch „Deutsche Lieder zu 4 und 5 Stimmen“, wieder in Nürnberg gedruckt, folgen. Hier übertrug er die italienische und besonders seine eigene Empfindungs- und Ausdrucksweise auf das deutsche Lied, welches nun zum Theil durch ihn beeinflußt, ganz neue Bahnen einschlug. Allerdings nicht zum Vortheile des deutschen Liedes, denn da dem Deutschen die leichte und gefällige Schreibweise etwas ganz Ungewohntes und Naturwidriges war, so gerieth er zum Theil auf arge Abwege, und so geschah es auch, daß die Ausländer beim Publicum in größerer Gunst als die eigenen Landsleute standen. S. befand sich nun auf der Höhe seines Ruhmes und im Besitze eines der ersten Capellmeisterposten in Deutschland. In schneller Aufeinanderfolge reihte sich ein Liederbuch ans andere. 1570 erschienen „20 deutsche weltliche Liedlein mit 4, 5 und 6 Stimmen“ (Dresden bei Bergen), die 1578 und 1579 in neuer Auflage erschienen, 1575 ein Buch „geistliche deutsche Lieder zu 5 und 6 Stimmen“ (ebend.), 1577 das 2. Buch italienischer Canzonen zu 4 und 5 Stimmen (München bei Berg). Außerdem 1568 und 1574 Gelegenheitsgesänge bei Trauerfeierlichkeiten. Unsere deutschen Bibliotheken zu Berlin, Breslau, Liegnitz, Brieg, Zwickau, Elbing, München, Kassel u. a. besitzen reiche Sammlungen seiner Werke. Auch handschriftlich hat sich so manches erhalten. Außer dem oben erwähnten Epithalamion auf Kurfürst Moritz ist besonders die „Passion und Auferstehungsgeschichte“ auf der Landesschule in Grimma erwähnenswerth, [476] die als Vorläufer von Heinrich Schütz’ Passionen von ganz besonderer Wichtigkeit für die Entwicklung der musikalischen Behandlung dieses kirchlichen Cultus ist. Sie hat auch in den Monatsheften für Musikgeschichte, 14. Bd. S. 37 eine sehr eingehende Würdigung erfahren und man kann wohl die Behauptung aufstellen, daß sie bis zu Schütz’ Zeit die maßgebende Form für die Passion war. Den Beweis dafür liefern die vielfachen Bearbeitungen und Veröffentlichungen der Passion, selbst ohne Scandello’s Namen zu nennen. Die erste Umarbeitung fand durch Samuel Beseler statt, der sie 1612 in Breslau herausgab, die nächste erfolgte durch Harnisch 1621 in Goslar und endlich noch 1682 von Melchior Vulpius in seinem Gesangbuche. Da Schütz’ Auferstehungsgeschichte 1623 erschien und die Passion nach Johannis erst 1664 geschrieben wurde, so läßt sich dadurch die Wichtigkeit von Scandello’s Passion und Auferstehungsgeschichte am besten beurtheilen. Scandello’s „Passio et Resurrectio“ behandelt noch die Aussprüche der Personen als Chorsätze und nur den Evangelisten läßt er im Recitativ singen. Eine Begleitung fehlt noch durchweg. So läßt er Christus im vierstimmigen Satze singen, die Magd dreistimmig, ebenso Petrus, dagegen den Pilatus im zwei- und dreistimmigen Satze und den Knecht nur zweistimmig. Diese Tonsätze sind gewiß nicht für eine chormäßige Ausführung bestimmt, sondern als Duette, Terzette und Quartette aufzufassen. Im Neudruck ist die Bearbeitung von Vopelius in Schöberlein’s Schatz des liturgischen Chor- und Gemeindegesanges im 2. Bande erschienen. Bruchstücke aus dem Epiphthalamium auf Kurfürst Moritz von 1553 finden sich in Ambros’ Musikgeschichte Bd. V, S. 428. Ebendort die Bearbeitung des geistlichen Liedes „Nu komm der Heiden Heiland“ und das für Scandello’s Auffassung des deutschen Liedes so charakteristische Trinklied „Der wein der schmeckt mir also wohl“. Auch eine Canzone ist S. 460 mitgetheilt, so daß uns für jede Gattung der Kunst, in der S. sich ausgezeichnet hat, ein treffliches Beispiel zur Hand ist. Andere Neuausgaben sind in meinem Verzeichniß neuer Ausgaben (Berlin 1871) und Nachträge in Monatsh. f. Musikg., 9. Bd., zu finden. – S. starb am 18. Januar 1580 Abends 7 Uhr zu Dresden. Eine treffliche Darstellung seines Lebens und seiner Werke hat der jüngst verstorbene M. Fürstenau im Archiv für die sächsische Geschichte, Leipzig (Tauchnitz) 1865, 4. Bd., 2. Heft, S. 167–203 veröffentlicht.