ADB:Russ, Melchior (Schweizer Staatsmann)

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Artikel „Ruß, Melchior“ von Theodor von Liebenau in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 30 (1890), S. 8–9, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Russ,_Melchior_(Schweizer_Staatsmann)&oldid=- (Version vom 25. November 2024, 09:09 Uhr UTC)
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Ruß, Karl (Maler)
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Ruß: Melchior R. von Luzern, Sohn des Rathsherrn German Ruß (de Rubeo oder Rubeis) und der Ida von Küßenberg, wurde um das Jahr 1435 geboren. Er gehörte einer wohlhabenden, seit 1357 in Luzern eingebürgerten mailändischen Adelsfamilie an, die sich nach dem im mailändischen Districte Como (jetzt tessinischen Bezirke Balerna) gelegenen Stammschlosse de Rubeo de Castello San Pietro nannte. Seit 1455 Mitglied des Großen Rathes, war R. als naher Anverwandter des einflußreichen Schultheißen Anton Ruß, ein in die politischen Fragen der Eidgenossenschaft frühzeitig wohl eingeweihter Mann, doch war er in früher Jugend mehr ein Mann der That, als ein gewandter Diplomat. Denn R. gehörte 1458 zu den Schützen, welche den Freischarenzug nach Constanz zur vermeintlichen Rettung der daselbst auf dem Schützenfeste beleidigten Schweizerehre – den sog. Plappartkrieg – in muthwilligster Weise in Scene setzten. R. war damals schon Richter, 1464 wurde er Schützenmeister. Als nach dem Tode des Hans Sax, genannt Dietrich, 1460 das Amt des Stadtschreibers ledig war, bewarb sich neben Landschreiber Hans Fründ, dem trefflichen Darsteller des alten Zürichkrieges, und Hans Ammann von Stockach, dem langjährigen Kanzler der Ritterschaft des St. Georgenschildes in Schwaben, auch R. um diese Stelle, obwohl er weder in den alten Sprachen noch in der Rechtswissenschaft besonders bewandert war. Aus Rücksicht auf den um Luzern wohlverdienten Fründ, der in seiner Jugend, schon ehe er als Kanzlist Egloff Etterlin’s in der Staatskanzlei Verwendung gefunden hatte, eine Luzerner Chronik verfaßt hatte, wie mit Bezugnahme auf die persönlichen Verhältnisse des einflußreichen R., wurde eine Reorganisation der Staatskanzlei vorgenommen, man trennte die Protokollführung in Rath und Gericht, ernannte am 31. Juli 1461 R. zum Stadtschreiber, Fründ aber zum Gerichtsschreiber. Zur Ausfertigung lateinischer Schreiben wurden Geistliche, namentlich etwas später der Humanist Konrad Schoch von Sursee, beigezogen. Seit dieser Zeit war R. auch häufig Kanzler der eidgenössischen Tagsatzung und gewann dadurch im In- und Auslande an Ansehen. Diesen Einfluß benutzte er namentlich auch zur Geltendmachung der von seinem Vater ererbten Ansprüche auf die vormals von den Herzogen von Mailand occupirte Herrschaft Castel S. Pietro. Als Antonio da Besana mit der Schweiz im Namen der Herzoge von Mailand ein Capitulat abschloß, suchte der Herzog von Savoyen dasselbe zu verhindern; er wagte selbst, wie R. versichert, 60 000 Ducaten, um diesen Staatsvertrag zu hintertreiben und anerbot R. 300 Ducaten, wenn er seinen Einfluß gegen das Zustandekommen dieses Capitulates geltend mache. R. schlug das Geschenk aus und schrieb sich nicht das geringste Verdienst am Mailänder Capitulat von 1467 zu. Aber erst 1473, als der Ausbruch eines neuen Krieges mit Mailand bevorstand, konnte er eine Entschädigung für seine Ansprüche auf die Herrschaft S. Pietro erwirken. R. erwarb darnach (1476) die Herrschaft Sins und Rüßegg im Aargau und betrieb auch ein Goldbergwerk im Entlebuch, das aber gewiß weniger erträglich war, als der Gewinn von den Pensionen, die R. seit Beginn der Burgunderkriege von Königen und Fürsten bezog. Wie im Rathe war R. auch im Felde ein einflußreicher Mann. So setzte R., der dem Luzerner Banner 1476 als Feldschreiber folgte, vor der Schlacht zu Granson den Beschluß durch, daß der Staat für die Verwundeten und für die Nachkommen derjenigen sorgen solle, die im Kampfe für das Vaterland ihr Leben einbüßen. Nach den Burgunderkriegen wurde R. von der Tagsatzung wie vom Rathe von Luzern oft zu Gesandtschaften verwendet, so reiste er 1480 und 1481 mit Schultheiß Caspar v. Hertenstein in geheimer Mission an den Hof König Ludwig’s XI. von Frankreich, dessen Staatskassen über das durch Kriege, Bauten und Kauf von Herrschaften verarmte Luzern einen neuen Goldregen ergießen sollten. Die [9] beiden Gesandten traten mit solcher republikanischen Bescheidenheit auf, daß der argwöhnische König, an dessen Tafel Ritter Caspar v. Hertenstein früher oft den Ehrenplatz eingenommen hatte, gar nicht glauben wollte, daß die beiden Luzerner in amtlicher Stellung gekommen seien. Schließlich, als ein Standesläufer sie begleitete, erreichten sie ihren Zweck. 1482 erschien R. – wie 1467 – wieder am Hof der Sforza als Gesandter der Eidgenossen. Weniger glücklich war er bei der Gesandtschaft nach Zürich, wo es ihm 1487 nicht gelang seinen Mitbürger Frischhans Theilling, den Helden von Giorniko, dem Schaffot zu entreißen. Reich an Jahren, die er fast alle im Dienste der Republik zugebracht hatte, starb R. zu Ende October 1493 in Luzern. Wie fast alle Luzernischen Stadtschreiber des 15. Jahrhunderts hinterließ er historische Nachrichten zur Geschichte seiner Zeit, in denen er mit der den Luzernischen Kanzlisten eigenen Selbstgefälligkeit seine Verdienste hervorhob. Solche legte er nieder theils im Rathsprotocoll, theils im Bürgerbuch, theils im „Bekenntnißbuch“, das von Jakob Mutschel dem Rathe geschenkt worden war. Die beachtenswertheste seiner Arbeiten ist die Relation über den Hochverrathsproceß des Peter Amstalden.

Jahrbuch für schweizer. Gesch. VI, 262 ff. – Th. v. Liebenau, Eine luzernische Gesandtschaft am Hofe Ludwigs XI. von Frankreich (Monatrosen 1871). – Frischhans Teilling und der Geschworne Brief von Luzern 1489 (Monatrosen 1872). – Der Hochverrathsproceß des Peter Amstalden, Geschichtsfreund XXXVII, 155–185. – Dalla Storia di Castel S. Pietro. Estratto dal Bollettino storico della Suizzera Italiano, 1883. – H. Holbein und die Familie v. Hertenstein, 79–88.