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Artikel „Roth, Simon“ von Johannes Bolte in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 29 (1889), S. 340–341, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Roth,_Simon&oldid=- (Version vom 25. November 2024, 22:05 Uhr UTC)
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Roth: Simon R. (Rot), Dramatiker des 16. Jahrhunderts. Nach seiner eigenen Angabe stammte er aus Steiermark (Tauriscus), war 1557–61 und wahrscheinlich noch länger als lateinischer Schulmeister zu Newen Otting (Neuötting am Inn) in Baiern angestellt und lebte noch im J. 1567. Er war wol ein Sohn des Martin Roet, welcher 1538 als lateinischer Schulmeister zu Newen Otting eine Verdeutschung von Reuchlin’s Komödie Sergius (Augspurg. Ph. Ulhart) herausgab. Ob er der katholischen Kirche angehörte, ist nicht ganz sicher. – Er [341] übersetzte mehrere neulateinische Werke in Vers und Prosa: das erbauliche Gespräch Tilianus des Waldburgskirchener Pfarrers J. P. Dugo (o. O. 1557), die Spruchverse des Italieners Janus Anysius („Sententiae senariis conscriptae versibus, germanicis rythmis, et puerilibus scholiis illustratae“, Dilingen 1562. Darin vieles Gelungene) und die Räthselsammlung des Joh. Bohemus („Sacrorum aenigmatum libellus“ o. O. 1568). Unter seinen Schulkomödien verdienen die 1557 o. O. erschienenen Verdeutschungen der Rebelles und der Aluta des talentvollen Niederländers Macropedius (s. A. D. B. XX, 23 f.) Lob wegen der Geschicklichkeit, mit der R., ohne einen wesentlichen Zug des Originals aufzugeben, das antike Gewand desselben abstreift und ihm dafür die Anschauungen und das Colorit des deutschen Bürgerlebens verleiht. Selbst die bedeutungsvollen Personennamen erscheinen in deutscher Form; Harpax wird zu Schnaphan, Clopicus zu Pechshäntl, Cacolalia zu Fraw scharff im maul oder Blodermairin, Melancia zum stiflpraunen Maidl, Dromella zu Schickmaidl. Bacchus ist ihm Rebhensel, Lamia der Bockelman, Deum optimum ter maximumque übersetzt er: den lieben Got ins himels thron. Aus dem heimischen Dialecte entlehnt er eine Menge charakteristischer Ausdrücke, die Bäurin Aluta (oder Frau Unlustika) läßt er schwäbisch reden. Neben den gewöhnlichen vierfüßigen Reimpaaren baut er auch Verse zu 2, 3 und 5 Hebungen. In der selbständig gedichteten „Comedi von dem H. Propheten Jona“, welche in einem Nachdrucke des 17. Jahrhunderts (Augspurg, bey Marx Anthoni Hannas) vorliegt, schildert R. die Bußpredigt des Jonas und ihre Wirkung auf die verschiedenen Stände zu Ninive von den Gassenbuben bis zu den Rathsherren und dem Könige hinaus recht anschaulich, ausführlicher als sein Vorgänger Hans Sachs (1551) und mit mehr dramatischem Geschick als der das Lasterleben der Niniviten breit ausmalende Ambrosius Pape (1605, vgl. A. D. B. XXV, 134). Getreu dem biblischen Bericht wird Gott redend eingeführt, aber er bleibt unsichtbar „an einem verborgenen Ort“. Einmal klingt ein Luther’sches Lied durch: „Dann wo nit ist dein Gnad und Gunst, da ist all unser Thun umbsunst“. Das Stück wurde von einem in Süddeutschland herumziehenden Schauspieler Balthasar Klein aus St. Joachimsthal umgearbeitet und in Augsburg (1578), Nördlingen (1580, 1582) und anderwärts gespielt, wahrscheinlich mit Marionetten. Klein hat, wie der 1582 zu Schweinfurt erschienene Druck zeigt, die längeren Reden gekürzt, einige Abschnitte aus Hans Sachsens Jonas und weitere Gespräche zwischen gläubigen und ungläubigen Niniviten eingeschaltet und, um die Schaulust zu befriedigen, den bei R. nur erzählten Vorgang auf dem Meere sichtbar dargestellt. Einen knappen Auszug aus diesem Machwerke hat endlich ein Wormser Jude Eisak Wallich in seine um 1600 angelegte Sammlung deutscher Lieder aufgenommen.

Goedeke, Grundriß² II, 385. – Weller, Annalen II, 254. 287. – S. Günthner, Geschichte der litterarischen Anstalten in Baiern II, 173. 202 (1810). – Trautmann, Archiv f. Litteraturgesch. XIII, 67 f. und Jahrbuch für Münchener Gesch. 3. – Rosenberg, Zeitschrift für die Gesch. der Juden in Deutschland II, 273 f. – Der von Pichler, Oesterr. Revue 1866, I, 31 citirte Sammelband liegt jetzt im Ferdinandeum zu Innsbruck. Zum Jonas des Hans Sachs ist auch Cod. germ. Monac. 3635 Bl. 37b zu vergleichen. Durch Notizen aus der Münchener Bibliothek hat mich Dr. K. Trautmann zu Dank verpflichtet.