ADB:Reichard
Friedrich und Georg in der Matrikel der Universität Köln, 1535 weilte er mit Georg in Orleans, von wo ihn die drohenden kriegerischen Verwickelungen in das Vaterland zurückriefen, 1538 auf der Hochschule in Löwen. Frühe mit geistlichen Würden überhäuft, wurde er 1535 Domherr in Speier, wohin sein Vater bald darauf als Vorsitzender des Kammergerichts seinen Wohnsitz verlegte, und erhielt hier nach Beendigung seines akademischen Bienniums und seines Residenzjahres am 4. November 1539 Sitz und Stimme im Capitel. Auch in Straßburg, Köln und Mainz, wo er am 1. Juli 1545 sein Residenzjahr begann, bekleidete R. die Würde eines Domherrn. Zudem waren ihm von seinem Vater die Pastoreien [419] Bell und Kirchberg übertragen worden, deren Einkünfte er noch als weltlicher Fürst bis zu seinem Tode bezog. 1556 übergab ihm Kurfürst Otto Heinrich die Administration des Klosters Waldsassen in der Oberpfalz, welche er auch nach Niederlegung seiner Pfründen an den Domstiftern noch weiterführte. 1559 wählten die Stiftsherren zu St. Victor bei Mainz R. zu ihrem Propste, doch verzichtete er noch in demselben Jahre auf diese Würde, nachdem er zum Dompropste in Mainz erhoben worden war. Bald darauf wurde er auch Dompropst in Straßburg. Bei dem Tode Philipp’s von Flörsheim 1552 sahen Viele in R. den künftigen Bischof von Speier, und als 1555 der Mainzer Kurfürst Sebastian von Heusenstamm starb, scheint R. selbst ernstlich daran gedacht zu haben, daß man ihn zu dessen Nachfolger erwählen werde. Aber in beiden Fällen traf die Wahl des Capitels Andere, wie es scheint, besonders deshalb, weil die katholische Gesinnung Richard’s nicht mehr unbezweifelt war. Hatte er doch schon bei dem Reformationsversuche Hermann’s von Wied in Köln der Minderheit des Domcapitels angehört, welche zu dem Kurfürsten stand, und sich durch seinen Anschluß an dessen Appellation vom 10. Juli 1545 eine Citation vor Papst Paul III. nach Rom zugezogen. Doch blieb R., obwohl er sich gleich seinen älteren Brüdern schon frühe den Grundsätzen der Reformation zuneigte, noch längere Zeit in der katholischen Kirche und dem Genusse seiner reichen Pfründen. Erst als nach Otto Heinrich’s Tode (1559) sein Bruder Friedrich III. den pfälzischen Kurhut empfangen hatte und Georg dessen Nachfolger im Fürstenthum Simmern geworden war, trat R. offener hervor, gab seine Domherrnstellen allmählich auf und resignirte namentlich auch am 3. November 1562 auf seine Würde als Dompropst von Mainz.
Richard, Pfalzgraf, von seinen Zeitgenossen Reichard genannt, Herzog von Pfalz-Simmern, geb. zu Simmern am 25. Juli 1521, † in Ravengirsburg am 13. Januar 1598. – Als dritter und jüngster Sohn des kinderreichen Herzogs Johann II. wurde R. für den geistlichen Stand bestimmt und erzogen. Bereits 1528 finden wir ihn mit seinen älteren BrüdernVon dieser Zeit an lebte der Pfalzgraf als weltlicher Fürst und nahm seinen Wohnsitz in Waldsassen. Auch an kriegerischen Unternehmungen betheiligte er sich und kämpfte 1566 in Ungarn gegen die Türken. Bei den um diese Zeit in der evangelischen Kirche entbrennenden Lehrstreitigkeiten stand R. auf lutherischer Seite und leistete seinem kurfürstlichen Bruder bei dessen Versuch, die Heidelberger Kirchenordnung auch in der Oberpfalz einzuführen, beharrlichen Widerstand.
Als am 17. Mai 1569 Pfalzgraf Georg kinderlos starb, folgte ihm R. in der Regierung des Fürstenthums Simmern nach und verlegte nunmehr dahin seinen Wohnsitz. Bei den Verhandlungen über das Concordienbuch zeigte er sich, obwohl seine Theologen noch Manches dagegen zu erinnern hatten, dem Unternehmen anfänglich nicht abgeneigt, verweigerte jedoch nach einem ausführlichen Gutachten seiner Theologen, ungeachtet des Drängens der kurfürstlichen Freunde des Werkes, schließlich am 21. December 1579 seine Unterschrift und verharrte bei seiner Weigerung, da er eher eine Verschärfung des Streites, als eine Förderung der christlichen Einigkeit von dem Buche erwartete. Im Uebrigen erwies sich R., darin bestärkt von seinem Hofprediger Albrecht Hellbach (Photinus), als eifrigen Lutheraner. Nach dem Tode Friedrich’s III. stand er auf der Seite seines lutherischen Neffen, des Kurfürsten Ludwig VI., und verhehlte seine Mißstimmung nicht, als nach dem frühen Tode Ludwig’s Pfalzgraf Johann Kasimir als Vormund dessen Sohn Friedrich IV. in dem reformirten Bekenntnisse erzog. Als 1592 auch Johann Kasimir starb, machte der alte Pfalzgraf nicht nur ernstliche diplomatische Anstrengungen, um die Vormundschaft über den jungen Kurfürsten zu erhalten, dem noch einige Wochen zum achtzehnten Lebensjahre und damit zur Volljährigkeit fehlten, sondern suchte das sogar durch einen Einfall in kurpfälzisches Gebiet zu erzwingen. Ohne Zweifel war es weniger persönlicher Ehrgeiz, der ihn zu einem so unüberlegten Vorgehen brachte, als die Absicht, auf solche Weise in der Kurpfalz das Lutherthum wieder aufzurichten, für welches er [420] der jungen Kurfürsten noch gewinnen zu können gehofft haben mag. Doch blieben die Anstrengungen Richard’s ohne Erfolg; er vermochte die Belehnung Friedrich’s IV. wohl aufzuhalten, aber nicht zu verhindern. Wenige Jahre später starb R., über 76 Jahre alt. Da er keine Leibeserben zurückließ, so fiel das Fürstenthum Simmern an die Kurpfalz zurück.
Ein besonders guter Haushalter war R. nicht. Die Einkünfte des aufgehobenen Klosters Ravengirsburg verwendete er ausschließlich für sich. Ein wohlbeleibter Mann, scheint er den Freuden der Tafel nicht abhold gewesen zu sein. Doch zeigte er sich im Ganzen als wohlwollenden Fürsten, dessen Regierung die Chronisten als ein „löbliche“ zu bezeichnen berechtigt waren. Im Alter von 48 Jahren hatte er sich bald nach Uebernahme der Regierung – am 30. August 1569 – mit Julie, Tochter des Grafen Johann IV. von Wied, vermählt, welche am 30. April 1575 im Wochenbette starb. Am 26. Mai 1578 trat er zum zweiten Male in die Ehe mit Amalie von Württemberg, der Tochter des ihm nahe befreundeten Herzogs Christoph, und nach deren Tode schon nach wenigen Monaten, bereits 68 Jahre alt, im December 1589 mit der noch nicht neunzehnjährigen Anna Margaretha von Pfalz-Veldenz, Tochter des wunderlichen Pfalzgrafen Georg Hans. Die beiden letzten Ehen Richard’s blieben kinderlos, von den in erster Ehe ihm geborenen vier Kindern überlebte nur ein Töchterchen, Katharina, die Mutter, starb aber ebenfalls noch im Kindesalter.
- Außer den bekannten Schriften über pfälzische Geschichte besonders Kluckhohn, Briefe Friedrichs des Frommen; Bezold, Briefe des Pfalzgrafen Johann Kasimir, und F. Back, die evangelische Kirche im Lande zwischen Rhein, Mosel, Nahe und Glan. Band II. Bonn 1873. – Auch etliche archivalische und handschriftliche Notizen sind in dem Artikel verwerthet.