ADB:Richard von Greifenklau zu Vollrads

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Artikel „Richard von Greifenklau zu Vollraths“ von Max Bär in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 28 (1889), S. 413–418, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Richard_von_Greifenklau_zu_Vollrads&oldid=- (Version vom 11. Oktober 2024, 06:51 Uhr UTC)
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Richard von Greifenklau zu Vollraths, Erzbischof und Kurfürst von Trier, entstammte einem alten rheingauischen Geschlechte und wurde 1467 als Sohn des Johann von Greifenklau und der Clara von Rathsamhausen geboren. Er war schon früh für den geistlichen Stand bestimmt und trat noch jugendlichen Alters in die durch den Tod des Bischofs Rudbrecht von Straßburg erledigte Stelle ins Trierer Domcapitel ein. Als Mitglied dieses Capitels suchte er um die Erlaubniß nach, seine Studien fortsetzen zu dürfen; wahrscheinlich hat er dieselben in Paris beendet. Es zeugt für seine Begabung und sein Geschick in Behandlung geschäftlicher Angelegenheiten, daß man ihn schon in jungen Jahren im J. 1492 in einer Streitsache des Domcapitels als dessen Sachwalter nach Rom entsandte. Im J. 1511 war der Trierer Erzbischof Jacob II. von Baden am 27. April zu Köln verstorben. Noch vor seinem Ableben hatte er den Domsänger R. v. Greifenklau als den zur Nachfolge auf dem erzbischöflichen Stuhle geeignetsten bezeichnet. Als daher das Domcapitel sich im Mai zur Wahl eines neuen Erzbischofs versammelte, vereinigten sich alle Stimmen auf R. Bis zur päpstlichen Bestätigung und erzbischöflichen Weihe verlief über ein Jahr. Die Kriegsunruhen in Italien hatten des Erzbischofs zu obigem Zwecke nach Rom abgeordnete Gesandtschaft veranlaßt, bereits in Innsbruck wieder die Heimreise anzutreten. Erst im April 1512 brachte sein neuerlicher Abgesandter, der Domherr Jacob von Elz, die päpstliche Bestätigung nach Trier.

Bald darauf, am Pfingsttage, erfolgte im Dom zu Trier die erzbischöfliche Weihe, welche der Erzbischof von Mainz unter Anwesenheit der Bischöfe von Straßburg und Worms ertheilte. Mit außergewöhnlicher Förmlichkeit und Pracht vollzogen sich diese und die sich anschließenden Festlichkeiten, die um so glänzender und reicher waren, als der Kaiser Max für das Frühjahr 1512 einen Reichstag nach Trier einberufen hatte. Fortsetzung der Versuche einer Aenderung der Reichsverfassung, sowie Geldforderungen des Kaisers zur Unterstützung seiner venezianischen Kriege waren Gegenstand der Reichsverhandlungen. Schon von März an weilte der Kaiser in Trier. Er nahm an den kirchlichen Festen der Ostertage Theil und auf seinen Wunsch wurde der vornehmste Schatz des Trierer Doms, der heilige Rock, erhoben und öffentlich gezeigt. Jene Feste verursachten [414] begreiflicher Weise einen großen Zusammenfluß von Menschen in Trier und dieser wird, wenn er nicht die Veranlassung der auftretenden Krankheitserscheinungen war, so doch dieselben in hohem Maße begünstigt haben. Sie nöthigten den Kaiser, den Reichstag von Trier nach Köln zu verlegen. Dorthin folgte auch R. und empfing im Gürzenich die Belehnung mit den Regalien. Die folgenden Jahre durfte R. im wesentlichen der Fürsorge für das Erzstift widmen. Seine Thätigkeit für die Verwaltung und das Wohl des Landes entsprach in hohem Maße den Erwartungen, die man an seine Wahl geknüpft hatte. Den geistlichen wie den weltlichen Verhältnissen widmete er gleiche oberhirtliche und landesherrliche Sorgfalt. Verschiedene Verordnungen in Ansehung der Verfassung der weltlichen Gerichtsbarkeit fielen in die ersten Jahre seiner Regierung. Dadurch entstandenen grundsätzliche Streitfragen auf dem Boden von Verwaltung und Gericht nahmen seine schlichtende und ordnende Thätigkeit häufig in Anspruch. Aenderungen im Münzwesen, Verordnungen in Bezug auf die Verhältnisse der Juden zu einander und zu den Städten, die Behandlung städtischer Verfassungsfragen waren Gegenstand seiner thatkräftigen und zielbewußten Verwaltung. Gerade diese letzteren, die wachsenden Ansprüche und Forderungen von Stadtgemeinden in Ansehung einer selbständigen Verwaltung sollten ihn noch in den letzten Jahren seiner Regierung beschäftigen.

Wenige Jahre nach dem Antritt seiner Regierung begann jene bewegteste Zeit des alten Reichs, als kirchliche und weltliche Aenderungen mit gleicher Stärke sich Bahn zu brechen suchten. Von hier ab galt das Hauptinteresse Richard’s den wichtigeren Angelegenheiten des Reichs. Mit dem Regensburger Reichstag des Jahres 1518 begann diese seine neue und reiche Thätigkeit. Der Türkengefahr sollte gesteuert werden. Aber die Frage der Nachfolge des alternden Kaisers Max gab doch den Hauptgegenstand der Verhandlungen ab. Dieser hatte seit Beginn seiner Regierung nichts so sehr gefürchtet und verabscheut, als daß das französische Königthum sich des Thrones bemächtigen könnte. Seine Bemühungen gingen daher dahin, seinem Enkel Karl die Krone zuzuwenden und in dieser Hinsicht bindende Abkommen mit den Kurfürsten zu treffen. Nicht minder eifrig bemühte sich indessen der französische König. Schon jetzt trat die enge Verbindung zu Tage, in welcher R. zum König Franz I. von Frankreich[WS 1] stand und die ihn veranlaßte, gegen die Wahl Karl’s zu arbeiten. Trotzdem schien dessen Wahl gesichert, als Max plötzlich im Januar 1519 starb und die Gegner seines Enkels ihre Bemühungen nunmehr umsomehr verdoppelten, als der junge Karl sich offen um die Krone bewarb. Es war ein häßliches Bild: um Geld und Gnadenverleihungen ließen die Kurfürsten – der von Sachsen allein ausgenommen – von beiden Bewerbern um ihre Wahlstimmen handeln. Das Haupt dieser Gegner einer Wahl Karl’s in Deutschland war Kurfürst R.; er wirkte am längsten und nachdrücklichsten für die Wahl des französischen Königs zum Nachfolger des verstorbenen Max. Seit langer Zeit schon stand Franz I. von Frankreich in engen Beziehungen zum Kurfürsten von Trier, Beziehungen, die auch später nicht unterbrochen wurden; war er doch auch zur Zeit des Nürnberger Reichstages vom Jahre 1524 noch ein warmer Anhänger und Förderer der französischen Bestrebungen. In dem bei Pavia erbeuteten Lager des französischen Königs fand man Briefe auch von Trierischer Seite vor, welche sich mit der Erwählung eines neuen römischen Königs von Frankreichs Gnaden getragen hatten. So galt der Kurfürst schon jetzt als das Haupt der Franzosenfreunde. Thatsächlich war er denn auch geradezu der Beauftragte des Königs in dessen Wahlangelegenheiten. Franz hatte ihn zu seinem Commissar ernannt und zur Verhandlung mit den übrigen Kurfürsten, zur einmaligen Zahlung von Geldern oder Bewilligung von Jahresgehältern nach eigenstem Ermessen ausdrücklich ermächtigt. Was er für [415] zweckdienlich halte, um seine Mitkurfürsten für eine Stimmabgabe zu Gunsten seines Auftraggebers zu gewinnen, was er zu dem Ende für Versprechungen leistete, welche Abkommen er treffe, alles das solle volle Gültigkeit haben. R. hatte zugleich den Auftrag, im Falle des glücklichen Ausfalls der Wahl im Namen des französischen Königs den Eid zu leisten. Aber der Ausfall war Franz nicht günstig. Wohl hatten die Bemühungen des Kurfürsten und der französischen Gesandten Erfolge aufzuweisen: aber je näher der Wahltag rückte, desto mehr wurden, nicht zum wenigsten unter dem Drucke der öffentlichen Meinung, der Wahl Karl’s die Wege geebnet. Als dann die Aussichten für die Wahl des Letzteren immer besser sich gestalteten, die Verhandlungen der Gesandten desselben bei den Kurfürsten immer erfolgreicher wurden, behielt doch Kurfürst R. allein sich seine Stimme vollkommen frei und ließ sich durch keine Vorstellungen beeinflussen. So sehr war er gegen eine Wahl Karl’s eingenommen, daß er, als die Bestrebungen des französischen Königs gänzlich aussichtslos geworden waren, noch kurz vor der Wahl sich lebhaft und persönlich bemühte, den Kurfürsten Friedrich von Sachsen zur Annahme der Krone zu bewegen. Aber dieser ging mit Rücksicht auf sein hohes Alter und den Mangel einer Hausmacht auf keine Anerbietungen ein. Als er ablehnte, stimmte Kurfürst R. selbst als erster für Karl.

Auf dem Reichstage zu Worms im J. 1521 nahm R. den hervorragendsten Antheil an jenen Verhandlungen, welche die folgenschwerste Angelegenheit der neuen Weltgeschichte betrafen. Er erschien auf dem Reichstag in der Begleitung seines gewandten Officials Johannes Eck, welcher, als Luther vor dem Reichstag erschien, das Verhör vornahm. Der Trierer Kurfürst hatte wie Keiner sonst das Wesen und die Bedeutung der lutherischen Bewegung erkannt. Er erkannte, daß ein Gewährenlassen ebensosehr wie ein allzuschroffes Vorgehen zu schwerem Unheil für die alte Kirche, wie auch zu großen Gefahren für das Reich führen könne. Diese Anschauung gab ihm die Richtung an, in der er seine Thätigkeit entfalten zu müssen glaubte. Er stand an der Spitze des Ausschusses, welcher Luther zum Widerruf seiner Schriften bewegen wollte. Aber damit nicht genug, bemühte sich R. auch persönlich wiederholt, Luther umzustimmen, ihn zum Einlenken zu bringen, ihn zu vermögen, daß er sich dem Urtheil des Kaisers und der Fürstenversammlung bedingungslos unterwerfe. Aber alle Versuche des wohlwollenden Kurfürsten, eine Vermittelung herbeizuführen, scheiterten und mußten scheitern an der unerschütterlichen Ueberzeugung des Reformators. Dieser hatte zu dem freundlichen Kurfürsten großes Vertrauen. Unter dem Siegel des Beichtgeheimnisses eröffnete er ihm in einer letzten unter vier Augen abgehaltenen Unterredung sein Herz und seine innersten Gedanken und Ueberzeugungen. Es waren vielleicht wichtige Mittheilungen, die hier gemacht wurden; man vermuthete das: denn der päpstliche Gesandte Aleander forderte sogar vom Kurfürsten den Bruch des Beichtgeheimnisses gegenüber dem Ketzer. Vergebens. Aber vergeblich waren auch diese letzten Bemühungen und Ueberredungsversuche des Kurfürsten gewesen. „Ist der Rath oder das Werk aus den Menschen, so wird es untergehen, ists aber aus Gott, so könnt ihrs nicht dämpfen.“ Der Kurfürst entließ Luther freundlich und versprach ihm auf seinen Wunsch, ihm beim Kaiser die Erlaubniß zur Abreise zu erwirken. Dies Versprechen hat er ihm auch wohlwollend gehalten.

Im folgenden Jahre, 1522, wurde der Kurstaat und besonders die Hauptstadt Trier durch den Sickingenschen Angriff bedroht und geschädigt. Aber der fehdegeübte Raubritter fand an R. einen entschlossenen Gegner, das Glück des Ersteren wie das Raubritterthum überhaupt eine unrühmliches Ende. Der tiefer liegende Grund zu jener Fehde war für Franz von Sickingen lediglich sein geheimes und auch während der Trierer Fehde sogar offen von ihm ausgesprochenes Streben [416] nach Erlangung einer fürstengleichen Stellung. Wie er dieselbe erlangte, durch Angriff auf welche geistliche oder weltliche Macht auch immer, galt ihm gleich. Die Rüstungen, welche er betrieb, sollten sich gegen das Land richten, das er für die Erreichung seiner Pläne je nach Verbindungen und Lage desselben als das geeignetste, d. h. das am wenigsten widerstandsfähige hielt. Daß auch persönliche Gegensätze, ein begründeter Haß Sickingen’s gegen den Erzbischof, hierbei mitwirkten, war natürlich.

Wenngleich nur aus ritterschaftlichem Geschlecht entsprossen, hatte R. doch dem fürstlichen Standesbewußtsein Ausdruck zu geben, vielfach Gelegenheit genommen. Dadurch hatte er aber, wie vor und nach ihm manche andere geistliche Fürsten und Prälaten gleicher Herkunft, die früheren Standesgenossen verfeindet, welche vielmehr eine Unterstützung ihrer Interessen erwarten zu dürfen glaubten. Sein schroffes Auftreten gegen ritterschaftliche Anmaßungen hatte Mißstimmung in diesen Kreisen erregt. Mit ungewöhnlicher Schärfe und harten Worten hatte er sich auf dem Augsburger Reichstage von 1518 über die kriegerischen Unternehmungen Sickingen’s gegen Hessen ausgelassen und auf die Gefahren aufmerksam gemacht, welche aus solchem Freibeuterthum erwachsen müßten. R. suchte geradezu zum Einschreiten gegen den friedestörenden Ritter zu veranlassen. Auch seine franzosenfreundliche Haltung bei der letzten Königswahl hatte dem Kurfürsten mannigfache Gegensätze geschaffen. Nicht weniger seine Thätigkeit auf dem Wormser Reichstage wider den Reformator. Zu diesen persönlichen Gegensätzen und der richtigen Annahme Sickingen’s, daß auch in weiten Kreisen seiner Standesgenossen die gleiche feindliche Gesinnung wider den Kurfürsten vorwalte, kamen ferner die Erwägungen über die für einen feindlichen Angriff geeignete Lage des Kurstaats, sowie über das vermuthliche Ausbleiben nachbarlicher Hülfeleitung. So erfolgte die Kriegserklärung. In den letzten Augusttagen erhielt der Kurfürst in Ehrenbreitstein den Sickingenschen Fehdebrief, in welchem die Niederwerfung und auf Sickingen’s Bürgschaft erfolgte Freilassung zweier kurfürstlicher Unterthanen, sowie die nicht erfolgte Lösung der Bürgschaft als Grund angegeben war. Auf den ebenfalls im Fehdebrief enthaltenen Vorwurf, daß der Kurfürst wider Gott und den Kaiser gehandelt habe, konnte R. mit Recht erwidern, daß Franz nicht berufen sei, als Executor in göttlichen Dingen noch als Vogt in kaiserlichen Angelegenheiten aufzutreten. R. war weit mehr Krieger als Geistlicher, „ein mannlicher tröstlicher Herr und geschickter Kriegsmann“ nennt ihn die Flersheimer Chronik. Er war weit entfernt, einer drohenden Gefahr scheu auszuweichen oder durch Verhandlungen und Einlenken abwenden zu wollen. Er liebte das Kriegshandwerk; hatte er doch das Artilleriewesen seines Staates auf eine ganz außergewöhnliche Höhe gebracht. In furchtloser Entschlossenheit ging er sofort nach seiner bedrohten Hauptstadt, um den Anmarsch Sickingen’s die Stirn zu bieten. Da eine Vertheidigung des bedrohten Trier möglich war, beschloß er auch, dieselbe vorzubereiten und die Stadt zu halten. In Treue und Ergebenheit stand die gesammte Bürgerschaft auf Seite ihres Oberherren, trotz der Sickingenschen Versuche, sie zum Abfall zu bewegen; etwa aufkommende Gedanken an Anschluß an diesen wurden schon allein durch die Anwesenheit des muthigen Kurfürsten niedergehalten. Sofort sandte derselbe auch an seine Verbündeten, an Köln, besonders an Pfalz und Hessen, um Sendung von Hülfsvölkern. Auf beides hatte Sickingen nicht gerechnet: weder auf die umsichtige Entschlossenheit des Erzbischofs noch auf das baldige und pünktliche Eintreffen der mit demselben verbündeten Fürsten bezw. ihrer Mannschaften. Zu seinem Glück hatte er zu oft erfahren, wie die Büdnißverträge jener Zeit nie auf eine schleunige und pünktliche Hülfe in der Noth zählen ließen. Unter der Erledigung von vielen Förmlichkeiten pflegte die beste Zeit zur Abwehr feindlicher Angriffe [417] vorüberzugehen. Auch diesmal sollte er die Wahrheit seiner Erfahrungen bestätigt finden: aber auf seiner eigenen Seite und zu seinem eigenen Schaden. Seine eigenen Zuzüge blieben zum großen Theil aus, Richard’s Verbündete dagegen waren schneller, wie sonst gebräuchlich, zur Stelle, vor allem die eigene Mannschaft desselben. So schlug das Unternehmen Sickingen’s fehl, er mußte die Belagerung Triers aufheben und sein Heer zurückziehen. Der Anschlag auf den Kurstaat wurde sein Verderben. Die drei Verbündeten, Trier, Pfalz und Hessen, waren nicht gewillt, sich mit der Abwehr des Angriffs zu begnügen. In kluger Berechnung wandten sie sich zunächst wider die vornehmsten Helfer des Friedstörers und bestraften dieselben, dann gegen Sickingen selbst. In seiner belagerten Burg Landstuhl fand er den Tod.

An allen diesen Kämpfen nahm R. persönlich Theil. Und nicht das letzte Mal war es, daß der kampfbereite Kurfürst persönlich mit seinen Truppen ins Feld zog. Wenige Jahre später, 1525, wüthete der Bauernkrieg. Das Erzstift Trier selbst wurde zwar von den Unruhen nicht berührt, desto ärger wüthete der bedauernswerthe Aufstand in den Gebieten der verbündeten Fürsten und Nachbarn. Pfalzgraf Ludwig und das Erzstift Mainz baten dringend um Beistand. Auf die Nachricht von den Weinsberger Vorgängen rief der Kurfürst sofort seine Lehnsleute in die Waffen und bat auch den Kurfürsten von Köln und den Jülicher Herzog um Hülfesendung in die aufrüherischen Gebiete. Das war im April. Bereits im Mai rückte das trierische Hülfsheer in Stärke von 2000 Mann von Koblenz aus nach der Pfalz ab. R. selbst begab sich auf dem kürzesten Wege über den Hunsrück nach Heidelberg. Von hier aus begann der Feldzug des vereinten Heeres, die blutreichen Kämpfe gegen die aufständischen Bauernhaufen. Erst nach ihrer Beendigung im Juli kehrte R. in sein Erzstift zurück. Hier mußten die Städte Boppard und Oberwesel, welche versucht hatten, in Erinnerung an ihre einstige Reichsfreiheit gewisse Aenderungen ihrer Verfassung vorzunehmen, auf die während der Unruhen gemachten Errungenschaften verzichten. Auch die Stadt Trier hatte von der Abwesenheit des Kurfürsten im Bauernkriege und angeregt durch die allgemeinen Unruhen Vortheil zu ziehen versucht. Das Bestreben der Bürgerschaft war besonders auf eine Besteuerung der Geistlichkeit gerichtet gewesen. Die Heranziehung derselben zu den bürgerlichen Lasten sowie einige andere auf Heischung von Abgaben gerichtete Forderungen hatte die Stadt durchgesetzt. Als aber der Kurfürst zurückkehrte, mußte auch Trier von den angemaßten Ansprüchen abstehen. Ein im October 1527 zwischen den vier rheinischen Kurfürsten geschlossenes Bündniß wider die aufrührerischen Unterthanen war geeignet, gegen eine Störung der Ruhe von dieser Seite Vorsorge zu treffen. Die Reichsangelegenheiten beschäftigten ihn unausgesetzt. Ganz besonders im Anschluß an die Niederwerfung des Sickingschen Angriffs, als die Klage der drei Verbündeten gegen das Reichsregiment auf dem Reichstag zu Nürnberg zur erfolgreichen Verhandlung kam. Dasselbe Jahr brachte ihm die durch den Statthalter des Kaisers, den Erzherzog Ferdinand erfolgte Ernennung zum kaiserlichen Rath mit einem Gehalte von 6000 Gulden. Als im Jahre 1528 der Landgraf von Hessen infolge der Pack’schen Händel seine Rüstungen betrieb, trat R. in den Vordergrund der Verhandlungen. Bereits im Mai hatte er Philipp von Hessen schriftlich gemahnt, von seinen Rüstungen abzustehen und sich bereit erklärt, alles für die Aufrechterhaltung des Friedens zu thun und in den etwas vorhandenen Streitsachen als Vermittler aufzutreten. Als aber diese und weitere Ermahnungen fruchtlos waren und es offenbar wurde, daß der Landgraf sich für die Kosten seiner eigenwilligen Rüstungen durch einen Ueberfall der Stifter Mainz, Würzburg und Bamberg schadlos zu halten gewillt war, gelang es den erneuten Bemühungen [418] des Kurfürsten R., den Ausbruch des Krieges zu verhindern und durch Einwirkung auf beide Theile die Abfindung des Landgrafen mit 100 000 Gulden durch die genannten Stifter zu erwirken. Im Jahre 1531 ist R. am 13. März zu Wittlich gestorben, nachdem er bereits während des vorangegangen Jahres gekränkelt, auch den Augsburger Reichstag desselben Jahres wegen Kränklichkeit nicht mehr zu besuchen vermocht hatte. Im Dom zu Trier ist seine Leiche beigesetzt worden.

Eine vorurtheilsfreie Beurtheilung Richard’s wird stets seiner Bedeutung gerecht werden. Seine Theilnahme an den Geschäften und Angelegenheiten des Reichs übertraf an Umfang und steter Rührigkeit die seiner Zeitgenossen und Mitkurfürsten. Bei vielen Fragen stand er auf dem ersten Platze, die Lösung mancher war ein Werk seiner Geschicklichkeit und ein Erfolg seiner nimmermüden Thätigkeit. Auch da, wo sein Land und seine Interessen unberührt blieben, machte sich sein Einfluß wohlthuend und bestimmend geltend. Die wenig nationale Politik seiner ersten Regierungsjahre will aus seiner Zeit heraus beurtheilt und verstanden werden. Wie seine Begabung als Staatsmann ohne Zweifel ist, so allgemein wurde er von seinen Zeitgenossen als muthiger Kriegsherr geschätzt und gefürchtet. Der Verbindung beider, der geschickten, zielbewußten Art seiner Verhandlungen und Verträge und der muthigen, schnellen Benutzung des Schwerts verdankte er den großen Erfolg des Jahres 1522, mit der Niederwerfung Sickingen’s den größeren der Niederwerfung des Raubritterthums. Und neben allen diesen staatsmännischen und kriegerischen Eigenschaften war er auch persönlich ohne Makel. Freigebig, aber kein Verschwender, stolz, durchdrungen von seiner Würde und seiner Stellung im Reich, aber leutselig und auch seinen Untergebenen leicht zugänglich, er war mäßig, ordnungsliebend und – haushälterisch auch in der Verwaltung seines Landes: das Erzstift hinterließ er fast ganz der alten Schuldenlast entledigt. Und das gereicht seinem Werthe zu besonderem Ruhme, daß er neben seiner umfassenden Thätigkeit für das Reich und neben der geschickten Behandlung äußerer Angelegenheiten auch die innere Verwaltung seines Kurstaates und die oberhirtliche Leitung des Erzstifts nicht vernachlässigte: daß er vielmehr in der Verwaltung desselben und im Bilde ihrer Geschichte immer einen der ersten Plätze einnehmen wird. Seit des großen Balduin Zeiten sah Trier keinen solchen Herrn, als Staatsmann und Landesvater von gleichem Werthe.

Leonhardy, Geschichte des Trierischen Landes und Volkes. – Ranke, Deutsche Geschichte. – Jansen, Geschichte des deutschen Volkes. – Ullmann, Franz von Sickingen. – Bestände des Kgl. Staatsarchivs zu Koblenz.


Anmerkungen (Wikisource)

  1. Franz I. (1494–1547); französischer König aus dem Haus Valois-Angoulême, einer Nebenlinie des Hauses Valois.