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Artikel „Reinald v. Dassel“ von Wilhelm Martens in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 27 (1888), S. 728–735, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Rainald_von_Dassel&oldid=- (Version vom 7. Oktober 2024, 05:34 Uhr UTC)
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Band 27 (1888), S. 728–735 (Quelle).
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Reinald: R. v. Dassel, Erzbischof von Köln und Kanzler des römischen Reiches, stammte aus dem gleichnamigen sächsischen Grafengeschlecht, welches über einen umfangreichen Güterbesitz auf dem rechten Ufer der Weser verfügte. Sein Vater, Graf Reinald I., ist von 1097 bis 1129 urkundlich bezeugt; sein älterer Bruder, Graf Ludolf I., wurde gleichzeitig mit ihm 1167 ein Opfer der Pest. Wer seine Mutter gewesen, ist unbekannt, ebenso wie das Jahr seiner Geburt. Doch dürfte er kaum vor 1115 geboren sein, da ihn Ragewin noch 1158 als jung bezeichnet. Als jüngerer Sohn wurde er zum geistlichen Stand bestimmt. Zur Vorbereitung hierzu besuchte er die Stiftsschule zu Hildesheim, später wohl auch die Schulen zu Paris; für classische und philosophische Studien scheint er eine besondere Neigung gehabt zu haben. Nach Vollendung derselben trat er in das Domcapitel zu Hildesheim und stieg nun rasch zu Würden und Ehren. 1148 wurde er Propst zu Hildesheim, 1154 auf dem Petersberg zu Goslar; daneben besaß er noch die Propstei des Hildesheimer Moritzstiftes, ein Kanonikat des dortigen Marienstiftes und ward (nicht vor 1154) Propst des Domcapitels zu Münster. Als ihm, dem jungen Mann, 1154 die Würde eines Bischofs von Hildesheim angetragen ward, lehnte er die Annahme ab, wohl aus keinem andern Grunde, als weil er sich schon damals sein Ziel höher gesteckt hatte. Stand er doch in den besten Beziehungen zu dem einflußreichen Abt Wibald von Stablo und Corvei und zu Otto von Freising, dem Stiefoheim des Kaisers. Seine Stellung als Propst von vier Stiftern gab ihm reichlich [729] Gelegenheit, sich in Staatsgeschäften auszubilden und förderliche Beziehungen anzuknüpfen. 1153 finden wir ihn in Rom, wahrscheinlich als Mitglied der Gesandtschaft, welche Friedrich I. an Eugen III. geschickt hatte.

Einen wichtigen Abschnitt in seinem Leben bildete seine im Mai 1156 vom Kaiser verfügte Ernennung zum Reichskanzler für Deutschland wie für Italien. Von nun an weilte er fast ununterbrochen in unmittelbarer Nähe Friedrich’s I., dessen rechte Hand er ward. Mit welchem Eifer er sich der Sache des Kaiserthums zu widmen entschlossen war, zeigte er zum ersten Mal auf dem bekannten Reichstag zu Besançon, October 1157. Hier verfocht er die kaiserlichen Rechte gegenüber der hierarchischen Anmaßung mit einer Rücksichtslosigkeit, die Staunen erregte, aber auch mit einem Geschick, welches nicht wenig dazu beitrug, Hadrian IV. in den Augen der anwesenden geistlichen Fürsten in Nachtheil zu setzen. Uebrigens scheint die Gefährlichkeit Reinald’s für die Durchführung der herrschsüchtigen Pläne des Papstthums schon früh von Hadrian IV. erkannt worden zu sein; wenigstens kann der Hinweis in jenem anmaßenden päpstlichen Brief „auf den verderblichen Menschen in der Umgebung des Kaisers, der Unkraut säe“, kaum auf jemand anders als auf ihn bezogen werden; und in dem Sendschreiben, welches bald darauf Hadrian über die Vorgänge auf dem Reichstag zu Besançon an die deutschen Bischöfe richtete, werden diese eindringlich aufgefordert, auf die Bestrafung des Kanzlers „wegen seiner gotteslästerlichen Beleidigungen der päpstlichen Legaten und des päpstlichen Stuhls“ hinzuwirken. Wenn der Kaiser, in dessen Umgebung R. 1158 verschiedene Gegenden Deutschlands bereiste, sich damals vorübergehend mit der Absicht trug, die deutsche Kirche von Rom loszulösen und unter einen eigenen deutschen Papst – Hillin von Trier war dazu ausersehen – zu stellen, so dürfte der Urheber dieses grandiosen, wenn auch nicht neuen Gedankens, leicht zu finden sein. Noch früh im Jahr 1158 machte sich sodann R., dem gleichgesinnten, thatkräftigen Pfalzgrafen Otto v. Wittelsbach folgend, im Auftrag des Kaisers nach Italien auf, um seinem Herrn für den bevorstehenden Römerzug in diesem Land, das zum großen Theil wieder dem Reich entfremdet war, Anknüpfungspunkte und Beziehungen zu schaffen. Unterwegs brachten die beiden Abgesandten die Burg Rivoli im Etschthal, welche die Straße nach Italien an der Veroneser Clause beherrschte, in ihre Gewalt, nahmen die Einwohner von Verona für den Kaiser in Pflicht und bestärkten die Cremonesen in ihrer Treue. Auf dem Tag der lombardischen Städte und Großen, den sie in der Stadt der letzteren abhielten, erreichten sie eine Menge werthvoller Zugeständnisse und Zusicherungen. Durch kühne Entschlossenheit und persönliche Tapferkeit retteten sie im Verein mit dem treuen Erzbischof Anselm dem Kaiser den Besitz von Ravenna, welches fast durch den Grafen Wilhelm von Traversari den Griechen in die Hände gespielt worden wäre. Aehnliche Erfolge trugen sie in Ancona über die Ränke der Griechen davon. Auch Piacenza wurde zum großen Schaden der Mailänder im Juni 1158 zum Abschluß eines Vertrags mit dem Kaiser gewonnen. Dies alles erregte im Papst die lebhaftesten Besorgnisse und bewog ihn zur Nachgiebigkeit, indem er durch Abordnung einer Gesandtschaft nach Deutschland den ersten Schritt des Entgegenkommens that.

Nachdem inzwischen der Kaiser selbst über die Alpen gekommen war, finden wir R. in rastloser Thätigkeit. Er kämpft im August vor Mailand mit gegen die trotzigen Städter, er vermittelt Anfang Septembers ein Abkommen des Kaisers mit dieser Stadt, er wohnt im November dem Reichstag in der Ebene von Roncaglia bei und ist gleich darauf unterwegs, um die Ausführung der hier gefaßten Beschlüsse in Genua und Mailand zu bewirken, eine Aufgabe, eben so ehrenvoll als schwierig, wenn man die in beiden Städten herrschende bedenkliche Stimmung in Erwägung zieht. Um die Wende 1158/9 erreichte er in Genua (wo man [730] anfangs durchaus keine Neigung dazu gezeigt hatte), daß die Bürger sich zu einem Vertrag und der Leistung des Treueids herbeiließen. Ende Januars traf er mit Otto v. Wittelsbach und dem Grafen Gozwin v. Heinsberg in Mailand ein, um auch hier die kaiserlichen Befehle zu vollstrecken. Mit welchem Mißerfolg, ist bekannt. R. mußte sich, nachdem seine Genossen schon früher den brennenden Boden verlassen hatten, noch glücklich schätzen, (Anfang Februars) lebendig dem Ausbruch der Volkswuth zu entkommen. Bis Ende Julis 1159 weilte er von nun ab wieder in der Umgebung Friedrich’s und wohnte unter anderm dem Tag von Occimiana (6. Februar) bei, auf welchen die Mailänder zur Verantwortung vorgeladen wurden. Da kam die Kunde aus Deutschland, daß am 15. December 1158 der Erzbischof Friedrich II. von Köln gestorben sei. Auf Betreiben des Kaisers, der offenbar schon vor Jahren seinem Kanzler Aussichten auf einen ähnlichen hohen Posten eröffnet hatte, wählten das Capitel und die Stadtgemeinde, die gern eine solche Gelegenheit ergriffen, sich die kaiserliche Gunst zu sichern, R. zu seinem Nachfolger (in der Zeit zwischen dem 19. Februar und 26. März 1159), freilich nicht ohne mannigfachen Widerspruch, dessen Urheber wohl in den Cisterciensern der Diöcese und dem in seinen Hoffnungen betrogenen Propst Gerhard von Bonn zu suchen sind. Die Geschäfte des Erzkanzlers führte R. auch nach seiner Erhebung ausnahmsweise bis 1162, d. h. bis zur Ernennung des Kanzlers Christian, weiter. Der Kanzler Ulrich, welcher an seiner Stelle ernannt worden war, scheint nur mit der Erledigung minder wichtiger Dinge betraut worden zu sein. Ende Junis oder im Lauf des Julis erhielt R. die Nachricht von der auf ihn gefallenen Wahl, zugleich mit der kaiserlichen Bestätigung. Zwar verbitterte Hadrian IV. die Freude einigermaßen, indem er – wie nicht anders zu erwarten – die Anerkennung verweigerte; aber nichtsdestoweniger reiste R. nach Köln, um sein Amt anzutreten, und schon im October langte er wieder mit 300 Rittern beim Kaiser vor Crema an.

In Italien war inzwischen ein folgenschweres Ereigniß eingetreten. Am 1. September 1159 hatte Papst Hadrian IV. das Zeitliche gesegnet. Durch die Doppelwahl Alexander’s III. und Victor’s IV. ward dann jenes verhängnißvolle Schisma heraufbeschworen, dessen Aufrechterhaltung durch Friedrich I. zwar nicht unmittelbar dem Einfluß Reinald’s zugeschrieben werden darf, – da er zur Zeit, als sich der Kaiser gegen den rechtmäßigen Papst entschied, noch in Deutschland weilte – für dessen lange Dauer aber ihn entschieden in erster Reihe die Verantwortlichkeit trifft. Er war „die Seele aller Unternehmungen zu Gunsten des kaiserlichen Papstes“, „der Bannerträger der Schismatiker“. Die Gründe für diese Parteinahme ergeben sich aus Reinald’s Vergangenheit und aus der Lage der Dinge in Rom und Deutschland von selbst. Vom Sieg des Kaisers war für ihn in diesem Kampf alles zu hoffen, von der im Cardinalscollegium herrschenden Richtung eines Hadrian IV. und des Kanzlers Roland kaum die Hand zur Versöhnung, geschweige denn Anerkennung und Erhöhung. Er war es, der es mit wenigen Geistlichen wagte, die Protokolle der Verhandlungen zu unterzeichnen, durch welche Victor IV. als vom Concil zu Pavia anerkannter Papst proclamirt wurde; dafür wurde er auch ohne Weiteres mit der päpstlichen Bestätigung seiner Würde erfreut.

Im Frühjahr 1160 (zwischen Ende Februars und 24. Juni 1160) reiste er als kaiserlicher Gesandter an den Hof des französischen Königs und, in Begleitung seines Verwandten, des Grafen Adolf II. von Schaumburg, zu Heinrich II., der damals wohl in der Normandie weilte. Seine Mission war eine außerordentlich schwierige, wenig Erfolg verheißende; er sollte die beiden Könige, die schon völlig für Alexander III. gewonnen waren, zu Gunsten von dessen Gegenpapst umstimmen. [731] In der That erreichte er auch bloß bei dem englischen König wenigstens soviel, daß dieser die beabsichtigte öffentliche Erklärung für Alexander III. unterließ. Auf dem Rückweg besuchte er als kaiserlicher Bevollmächtigter Deutschland und verbreitete durch rücksichtslose Ausführung der vom Kaiser über die Anhänger Alexander’s III. verhängten Maßregeln gewaltigen Schrecken. Am 25. Juli 1160 hielt er zu Erfurt einen Fürstentag ab, auf welchem Beschlüsse über die dem Kaiser zu sendenden Hülfsmannschaften gefaßt und die Acht über Mainz wegen der Ermordung Arnold’s ausgesprochen ward. Schon im Frühjahr 1161 sehen wir ihn wiederum an der Spitze von 500 Rittern mit anderen deutschen Fürsten über die Alpen nach Italien ziehen. Nachdem er im Mai zum kaiserlichen Heer vor Mailand gestoßen war, betheiligte er sich im folgenden Monat an der Synode von Lodi. Anfang Augusts wäre er vor Mailand fast ein Opfer seiner Treulosigkeit geworden. Wenigstens ist es aus mehrfachen Gründen wahrscheinlich, daß er um den verrätherischen Ueberfall, welchen die kölnischen Dienstmannen bei dem Kloster Bagnolo auf die mailändischen Consuln machten, trotzdem diesen von dem Pfalzgrafen Konrad, dem Landgrafen Ludwig von Thüringen und dem Herzog Dietbold von Böhmen sicheres Geleit zugesagt worden war, gewußt, ja denselben sogar angeordnet hat. Nur der energischen Verwendung des Kaisers, der im Herzen wol nur das Mißlingen des Streiches bedauerte, hatte er es zu danken, daß er der Rache der in ihrer Ehre gekränkten Fürsten entging. Auf seinen Rath hauptsächlich wurde jede Unterwerfung der Mailänder, die nicht auf Gnade und Ungnade lautete, verworfen; er fertigte auch die Urkunde aus, durch welche der Untergang der verhaßten Stadt besiegelt wurde; am 26. März 1162 hielt er im Gefolge Friedrich’s den triumphirenden Einzug in dieselbe.

Darnach dachte Friedrich energisch daran, König Wilhelm I. von Sicilien zur Unterwerfung unter die kaiserliche Gewalt zu zwingen. Ein solches Unternehmen war ohne die Mitwirkung der italienischen Seemächte undurchführbar. Daher wurde R. mit der wichtigen Aufgabe betraut, mit Pisa und Genua Verträge zu dem geplanten Zug abzuschließen. Die Erfolge, welche das Ansehen und das diplomatische Geschick des Erzbischofs hierbei erzielten, waren anfangs geradezu glänzend. Pisa, schon seit Jahrzehnten von bewährter Treue gegen die kaiserliche Sache, verstand sich schon am 6. April zu den gewünschten Zusagen. Aber auch Genua, dessen Abneigung infolge eines natürlichen Gegensatzes zu Pisa so groß zu sein schien, daß der Kaiser an eine gewaltsame Unterwerfung dachte, wurde nach längeren Verhandlungen am kaiserlichen Hoflager zu Pavia gewonnen. Am 5. Juni 1162 huldigten die genuesischen Abgesandten aufs neue dem Kaiser und sicherten gleichfalls zu, ihm eine Flotte zur Verfügung zu stellen. Als trotz alledem gleich darauf ein Krieg zwischen den beiden Rivalen ausbrach, gelang es R. zum zweitenmale, eine Aussöhnung herbeizuführen, ja nicht lange nachher noch ein drittes mal (Juni bis August 1162); aber es war offenbar, daß an ein Zusammenwirken der beiden Seestädte nicht zu denken sei. Der Kaiser gab dann auch von selbst den Zug gegen Sicilien auf.

Noch weniger glücklich war er in seinen Unterhandlungen mit König Ludwig VII., der Hauptstütze Alexander’s III. im Auslande. Auch ihn sollte R. auf die Seite des Kaisers herüberziehen. Aber in der Unterredung mit R. zu St. Jean de Losne am 19. September wies der französische König, der noch persönlich erbittert war über eine Treulosigkeit des Kanzlers, alle Vorschläge desselben mit Hohn zurück. Um so schärfer verfocht R. auf der kurz zuvor abgehaltenen Synode zu Dôle das Recht des Kaisers, unabhängig von jeder andern weltlichen wie geistlichen Gewalt über die Besetzung des päpstlichen [732] Stuhles zu entscheiden, dessen Inhaber zu dem weltlichen Herrn Italiens in keinem andern Verhältnisse stehe, als ein französischer Bischof zum Könige von Frankreich – eine Ansicht, mit der er freilich kaum innerhalb, geschweige denn irgendwo außerhalb des Reiches durchzudringen hoffen durfte. Die Folge dieser Kühnheit war, daß er im Frühjahr 1163 auf dem Concil von Tours von Alexander III. mit dem Bann belegt ward. Gleich nach der Rückkehr aus Frankreich, noch im Herbst 1162, begab sich R. nach Italien. Er sollte dort, mit fast unumschränkten Vollmachten ausgerüstet, an Kaisers Statt die Neuordnung der Verwaltung gemäß den Beschlüssen der roncalischen Versammlung durchführen, ein Geschäft, wofür er alle nöthigen Eigenschaften in hohem Grad besaß. Die Unschlüssigen gewann er durch kluges Entgegenkommen, die Treuergebenen sicherte er sich durch Auszeichnungen und Versprechungen, ausgesprochene Gegner wurden aufs grausamste verfolgt, damit man mit ihren Stellen und Gütern die bisherigen Anhänger belohnen und neuen Anhang werben könne. So entfaltete er vom Spätherbst 1162 bis Spätherbst 1163 in der Lombardei und Tuscien eine höchst fruchtbare Thätigkeit für die Sache des Kaisers; am 20. September 1163 feierte er im Dom zu Pisa das Dankfest „für die herrlichen Erfolge, welche ihm Gott beschieden habe“. In den beiden letzten Monaten des Jahres durchreiste er mit Friedrich, der am 29. October ohne Heer in Lodi eingetroffen war, aufs neue Oberitalien. Am 20. April 1164, während R. in Tuscien weilte, starb unerwartet Papst Victor IV. in Lucca. Noch ehe sich der Kaiser in Pavia entschieden hatte, ob durch Aufstellung eines neuen Gegenpapstes das Schisma verlängert werden solle oder nicht, wurde er durch die Botschaft überrascht, daß die Wahl eines solchen, des bedeutungslosen Paschalis III., in Lucca bereits von R. auf eigene Faust vorgenommen worden sei. Es war ein durchaus eigenmächtiger, folgenschwerer Schritt, den der Kaiser kaum jemals gethan hätte. Es ist sicher, daß er schon Boten an seinen Kanzler abgeschickt hatte mit dem Befehl, keine Neuwahl vorzunehmen; aber sie kamen zu spät. Die tiefern Beweggründe Reinald’s für seine Gewaltthat hat man wol mit Recht in dessen überlegener Einsicht und Energie gesucht, in der Entschlossenheit, um keinen Preis abzufallen vom Kampf um die Superiorität des Kaiserthums gegenüber dem Papstthum, und in der Erkenntniß, daß ein Zurückgehen aus der einmal betretenen Bahn für das Kaiserthum eine nimmer auszuwetzende Niederlage bedeute. Da er bei seinem Herrn mit Recht ein bedenkliches Schwanken fürchtete, so galt es, ihn einfach mitzureißen auf jede Gefahr hin. „Nicht die Verhältnisse des Augenblicks waren es, die ihn leiteten“, sondern der Gedanke der Allmacht des deutschen Kaiserthums; „das Kaiserthum galt ihm mehr als der Kaiser Friedrich“. Wann der letztere seine Zustimmung gab, läßt sich nicht mit Genauigkeit feststellen, wahrscheinlich gegen Ende des Mais, als R. nach Pavia zurückkehrte, jedenfalls vor der Synode von Vienne (Juni 1164). Sie scheint übrigens eine volle und rückhaltslose gewesen zu sein; denn die Papstwahl hat R. nicht nur keinen Abbruch gethan in der Gunst seines Herrn, sondern er stand von da ab noch höher als je in derselben.

Reich belohnt trat er am 10. Juni 1164 von Pavia aus seine Rückreise nach Deutschland an. Seine Anwesenheit erheischte hier vor allem die Bedrohung seiner Erzdiöcese durch einen Bund feindlicher Fürsten (des Pfalzgrafen Konrad, des Landgrafen Ludwig und des Herzogs Friedrich von Rothenburg), die ihm zum Theil noch wegen seiner Gewaltthat gegen die Mailänder Consuln grollten. Zwar wurde die Hauptgefahr noch vor seinem Aufbruch aus Italien durch seinen wackern Domdechanten Philipp v. Heinsberg abgewandt (s. A. D. B. XXVI, 3), aber nichtsdestoweniger drängte es ihn nach Hause. Er brachte unter anderm seinen Kölnern [733] ein kostbares Heiligthum, die Gebeine der heiligen drei Könige, mit, die 1158 entdeckt, nach der Eroberung Mailands in die Hände des Kaisers gefallen und von diesem an R. als Geschenk verliehen worden waren, und außerdem die Gebeine des heiligen Felix und des heiligen Nabor. Da der Weg durch das südliche Deutschland in das Gebiet seiner Feinde geführt hätte, zog er es vor, über Burgund zu wandern. Seinen Aufenthalt daselbst benutzte er, um für die Sache Friedrich’s I. und seines Papstes zu wirken. Zu diesem Zweck berief er einen Fürstentag nach Vienne; jedoch scheinen seine Bemühungen für die Anerkennung Paschalis’ III. nur bei der Minderheit der Anwesenden von Erfolg gekrönt gewesen zu sein. Weil auch die Reise durch Lothringen seine persönliche Sicherheit gefährdete, wandte er sich von Vienne durch Hochburgund an den Rhein und zog diesen entlang. Am 24. Juli 1164 hielt er unter ungeheurem Jubel der Bevölkerung seinen Einzug in dem getreuen Köln. Wohl hatten dessen Bewohner reichlichen Anlaß, sich ihm dankbar zu bezeigen. Denn der Besitz der Reliquien machte bald ihre Stadt zu einem der berühmtesten Wallfahrtsorte des Abendlandes und wurde für sie eine Quelle des Reichthums und der Macht, so daß man im folgenden Jahrhundert das Prachtgebäude des Doms über der Ruhestätte der heiligen Gebeine beginnen konnte. Bald darauf, am 18. November, hielt der Kaiser, welcher Anfang Octobers diesseits der Alpen eingetroffen war, einen Reichstag in Bamberg. Auch R. fand sich hier ein und zog sich wegen seines Verhaltens gegen den Pfalzgrafen Konrad eine ernste Zurechtweisung zu. Indeß wußte er durch seine Beredsamkeit den Kaiser wieder so umzustimmen, daß in Wirklichkeit der Pfalzgraf der unterlegene Theil gewesen zu sein scheint.

Die Sympathien für den kaiserlichen Papst waren damals in Deutschland außerordentlich schwach. R. war fast der einzige geistliche Fürst, der an Paschalis festhielt, während die Erzbischöfe von Mainz, Trier, Salzburg und Magdeburg offen die Partei seines Gegners ergriffen hatten. Die Lage war so ernst, daß Friedrich wohl, trotz R., hätte nachgeben müssen, wenn nicht die kirchenpolitischen Verwicklungen, in welche sich gerade jetzt Heinrich II. von England stürzte, ihm hier einen unerwarteten Beistand geschaffen hätten. Mit Eifer ergriff er die willkommene Gelegenheit; und in wem hätte er einen geeigneteren Unterhändler finden können, als in R.? So machte sich denn der letztere dem Namen nach als Brautwerber um die Hand zweier englischer Prinzessinnen (für Heinrich, den kaum einjährigen Sohn des Kaisers, und Herzog Heinrich von Sachsen), in Wirklichkeit, um eine gemeinsame kirchenpolitische Action anzubahnen, auf den Weg an das königliche Hoflager, welches sich damals zu Rouen befand. Nicht gering waren die Hemmnisse, welche aus dem Weg zu räumen waren; nicht etwa wegen der Verlöbnisse, die nach dreitägigen Unterhandlungen vereinbart wurden; dagegen waren die Anknüpfungspunkte für die Erfüllung seiner eigentlichen Aufgabe sehr schwer zu finden. Die Mutter des Königs und die höhere Geistlichkeit scheuten jeden Verkehr mit dem Gebannten. Und doch erreicht es R., daß Heinrich II. Verpflichtungen für Paschalis und gegen Alexander eidlich übernahm und zwei Geistliche als Bevollmächtigte an den kaiserlichen Hof sandte zu dem bevorstehenden Reichstag von Würzburg.

Noch rechtzeitig langte hier R. am 24. Mai 1165 an, um die Hoffnungen der zahlreich erschienenen Anhänger Alexander’s auf eine Aussöhnung zwischen Friedrich und ihrem Papst zu nichte zu machen. Es gelang ihm mit Hinweis auf die Haltung des englischen Königs, seinen Herrn und unter dessen gewaltthätiger Einwirkung die anwesenden weltlichen und geistlichen Fürsten, soweit sie sich nicht rechtzeitig entfernt hatten, zu jenem furchtbaren Schwur gegen Alexander III. und dessen Partei fortzureißen, der jede Brücke der Versöhnung für immer abbrechen [734] sollte – ein Erfolg, der, selbst wenn die Beschlüsse zum Sieg geführt hätten, des Verderblichen noch genug in sich barg. Nach einem erneuten vergeblichen Versuch, auch den französischen König zum Anschluß zu bringen, arbeitete R. und zwar, wie der 1167 ausbrechende Krieg zeigt, mit mehr Glück daran, die Freundschaftsbande des englischen und des französischen Königs zu sprengen und den erstern um so fester an die eigene Sache zu ketten. Während des nun folgenden, etwas länger als einjährigen Aufenthalts in Deutschland bekriegte R. im Bund mit Heinrich dem Löwen und den Bischöfen von Münster, Minden und Paderborn den Grafen Heinrich von Arnsberg, eroberte und zerstörte seine Burg Arnsberg und vertrieb ihn von Land und Leuten. Bald darauf aber setzte er ihn wieder ein, offenbar, weil er in ihm ein brauchbares Werkzeug zur Bekämpfung des eigen- und übermächtigen Herzogs von Sachsen erkannte. Am 2. October 1165 ließ er sich zu Köln vom Bischof Philipp von Osnabrück die Weihen ertheilen. Am 29. December vollzog er mit Zustimmung Paschalis’ III. die Heiligsprechung Karl’s des Großen zu Aachen. Beiden feierlichen Acten, von denen dem letzteren gewiß auch einige politische Bedeutung beizumessen ist, wohnte der Kaiser bei. Außerdem berichten die Quellen noch von einer langen Reihe minder wichtiger Angelegenheiten, die von der rastlosen Thätigkeit des Erzbischofs für das Gedeihen seiner Diöcese in weltlicher und religiöser Beziehung, namentlich aber auch seiner lieben Stadt Köln, Zeugniß ablegen. An dem Krieg der norddeutschen Fürsten gegen Heinrich den Löwen konnte sich R. nicht mehr betheiligen, da er inzwischen wieder nach Italien gezogen war, von wo er nicht mehr zurückkehren sollte. Doch selbst jenseits der Alpen war er die Seele der Unternehmungen gegen jenen, der geistige Mittelpunkt seiner Gegner. Worin der Grund dieser Feindschaft lag, läßt sich nicht mit Gewißheit feststellen; wahrscheinlich aber ist er in dem Ehrgeiz zu suchen, der den Welfen trieb, seine herzogliche Gewalt auch über Westfalen auszudehnen.

Im October 1166 – eben von einer nicht unbedenklichen Krankheit, dem Wechselfieber, genesen – brach R., noch vor dem Kaiser zu dem verhängnißvollen Zug nach Italien auf, der, anfangs eine ununterbrochene Siegeslaufbahn, mit dem Untergang des kaiserlichen Heeres endigte. Mit 100 Rittern stieg er über den großen St. Bernhard und langte Ende Octobers in Ivrea an. Den Rest des Jahres finden wir ihn mit der Danaidenarbeit beschäftigt, zwischen Genua und Pisa ein gutes Einvernehmen herzustellen. In der Fastenzeit 1167 zog er von Imola aus gen Rom voraus, „um dem Kaiser den Weg zu bereiten“. Unterwegs fesselte er Pisa, wo er sich acht Tage lang aufhielt, durch geschickte Unterhandlungen, allerdings auf Kosten der guten Beziehungen zu dem unzuverlässigen Genua, enger an das kaiserliche Interesse, erlangte die Zusage bereitwilliger Unterstützung und, was für den Augenblick das werthvollste war, eine Summe Geldes, dessen er für den Unterhalt seiner Söldner dringend bedurfte. Auch schworen die Pisaner, mit allen Kräften für Paschalis III. einzutreten. Von hier aus eroberte er mit Unterstützung der Pisaner am 18. Mai Civita vecchia und drang verwüstend bis in die Nähe von Rom selbst vor. Freilich gerieth er zu Tusculum in schwere Noth, als am 27. Mai die Römer, mindestens 30000 Mann stark, gegen sein kleines Häuflein auszogen, in dem sich nur 140 Ritter befanden. Seine Gefahr war so bedenklich, daß Friedrich daran dachte, die Belagerung von Ancona aufzugeben, um ihn vor dem Untergang zu retten; nur die zahlreichen Feinde Reinald’s in des Kaisers Umgebung vereitelten die Ausführung dieses Vorhabens. Dagegen eilte Christian von Mainz, begleitet von Bischof Alexander von Lüttich und dem Kanzler Philipp von Heinsberg, zum Entsatz herbei. Trotzdem betrug nach Vincenz von Prag die Uebermacht der Römer noch das Zwanzigfache der Zahl der Kaiserlichen. Um so [735] glänzender war der Ruhm des Sieges, den die beiden Erzbischöfe am Pfingstmontag (29. Mai) 1167 nach hartem Kampf über die schon frohlockenden Römer erfochten. Es war eine der hervorragendsten Waffenthaten des 12. Jahrhunderts, eine Niederlage, welche der Biograph Alexander’s III., rhetorisch übertreibend, in ihrer niederschmetternden Wirkung der von Cannae zur Seite stellt. Die Sache Friedrich’s stand besser wie je; Rom lag zu seinen Füßen; Alexander schien verloren zu sein. Da machte die furchtbare Pest, die von dem Gifthauch der Sommerhitze ausgebrütet wurde, alle hochgehenden Siegeshoffnungen zu nichte. Ihr fiel auch R. am 14. August 1167 zum Opfer, nachdem er seine irdischen Angelegenheiten geordnet und die Sterbesacramente empfangen hatte. In der Mariencapelle der Domkirche zu Köln wurden seine Gebeine beigesetzt und von den dankbaren Bürgern der Stadt ein ehernes Bildniß des Verstorbenen auf künstlich gehauenem Stein gebettet.

Mit ihm ging ein Mann aus der Welt, dessen Einfluß auf den Kaiser größer war, als ihn sich je wieder einer von dessen Dienern zu erwerben wußte. Sein Leben war, so lange er an hervorragender Stelle stand, der Kampf gegen das Princip der päpstlichen Suprematie gewesen, ein Kampf, den er mit einer Rücksichtslosigkeit und Schärfe ohnegleichen führte, so daß erst nach seinem Tode ein Einlenken möglich war. Denn „er war kein Mann der Vermittlung, sondern vertrat mit Entschiedenheit die äußerste Richtung seiner Partei“. An erfinderischer Kraft des Geistes und Unbeugsamkeit des Willens seinem Herrn weit überlegen, war er das A und das O der kaiserlichen Politik, wie sich ein Zeitgenosse ausdrückt. Im Vollbesitz der Bildung seiner Zeit und einer glänzenden Beredsamkeit, dabei vorsichtig und scharfsinnig, verschlagen und von nimmer zu ermüdender Arbeitskraft, war er zum Staatsmann wie geboren. Sein kurzer, gedrungener, durch Abhärtung gestählter Körper gestattete ihm auch die Führung des Schwertes und die Ertragung der Strapazen des Krieges; wiederholt wird seine persönliche Tapferkeit gerühmt. Seine Sitten waren tadellos. „Seine Hauptleidenschaft aber scheint ein ungemessener Ehrgeiz gewesen zu sein, dessen höchste Befriedigung er im Sieg seiner Parteiansichten suchte.“

Außer den gleichzeitigen Quellen zur Reichsgeschichte die Lieder des Archipoeta Walther (eines Geistlichen und Schützlings von Reinald) in J. Grimm’s Gedichten des Mittelalters auf Kaiser Friedrich I. Berlin 1844. (Kleine Schriften III.) – Julius Ficker, Reinald von Dassel, Reichskanzler und Erzbischof von Köln 1156–1167. Nach den Quellen dargestellt. Köln 1850 (erschöpfend). – W. v. Giesebrecht, Geschichte der deutschen Kaiserzeit.