ADB:Christian I. (Erzbischof von Mainz)

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Artikel „Christian I., Erzbischof von Mainz“ von Konrad Varrentrapp in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 4 (1876), S. 168–170, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Christian_I._(Erzbischof_von_Mainz)&oldid=- (Version vom 28. März 2024, 17:41 Uhr UTC)
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Christian I., Erzbischof von Mainz, nach Schlosser’s Urtheil „ein Hauptcharakter der deutschen Geschichte“, † 25. August 1183, war gebürtig aus Thüringen. Ueber seinen Vater gibt keine zuverlässige Nachricht uns Aufschluß; erst im 16. Jahrhundert bezeichnet Kaspar Brusch ihn als Grafen von Buch; seine Mutter war die Schwester des Grafen Friedrich I. von Beichlingen. Von ihm selbst hören wir zuerst bald nach der zwiespältigen Papstwahl von 1159: als Gesandter Victors IV. ging er nach Dänemark. Er war damals Propst von Merseburg, und zugleich Propst der Kirche St. Maria ad gradus in Mainz. Als hier 1160 Erzbischof Arnold von Seelenhofen ermordet wurde, suchten als seinen Nachfolger Pfalzgraf Konrad und Landgraf Ludwig von Thüringen eben unseren Ch. durchzusetzen; doch gelang es ihm nicht, die Bestätigung des Kaisers zu gewinnen; unter dessen unmittelbarem Einfluß wurde vielmehr Konrad von Wittelsbach 1161 auf den Mainzer Erzstuhl erhoben. Jedenfalls nicht Geringschätzung von Christians Persönlichkeit scheint der Grund seiner Zurücksetzung gewesen zu sein; im Herbst 1162 wurde er zum Reichskanzler ernannt. Als solcher begleitete er Friedrich auf seinen Zügen durch Deutschland, er folgte ihm 1163 nach Italien, er war bei ihm in Pavia, als Victor IV. starb und an dessen Stelle Paschalis III. erhoben wurde. Zu dessen Vertheidigung blieb Ch. jenseits der Alpen zurück, da Friedrich im Herbst 1164 nach Deutschland heimkehrte; durch bedeutende Zugeständnisse, die er in sardinischen Händeln den Pisanern machte, gewann er deren Unterstützung; so sah er sich in den Stand gesetzt, die Römer hart zu bedrängen. Noch befand er sich in Italien, als ihm, wol zur Belohnung der hier im kaiserlichen Dienst vollbrachten Thaten, die Würde übertragen wurde, auf die er vier Jahre früher hatte verzichten müssen. Erzbischof Konrad von Mainz hatte sich umsonst bemüht, nach Victors IV. Tode den Kaiser zur Aussöhnung mit Alexander III. zu bewegen; da Friedrich für eine durchaus entgegengesetzte Politik sich entschloß, da er nicht blos selbst sich eidlich verpflichtete, stets an Paschalis III. festzuhalten, einen gleichen Eid auch von allen deutschen Fürsten forderte, entfloh Konrad aus Deutschland; an seiner Stelle wurde im September 1165 Ch. zum Erzbischof erwählt. Erst mehr als ein Jahr später wurde er vom Kaiser investirt, im März 1167 geweiht. Beides geschah auf Friedrichs viertem italienischen Zug; eben während desselben erfocht Ch. seinen glänzendsten Sieg. Der Kaiser, der Ancona belagerte, hatte Reinald von Köln und Ch. nach dem Westen Italiens entsendet; als sie sich Rom näherten, zogen die Römer mit einem gewaltigen Heere ihrer kleinen Schaar entgegen; so kam es am Pfingstmontag, am 29. Mai 1167 zur Schlacht bei Tusculum. Trotz ihrer bedeutenden Ueberzahl wurden die Römer vollständig geschlagen; ihr großes Lager, Tausende von Gefangenen fielen in die Hände der Erzbischöfe; in Rom verglich man die Niederlage mit der Schlacht von Cannä. Auf diese Kunde rückte der Kaiser von Ancona herbei, zwei Monate nach dem großen Siege seiner Feldherren hielt er zusammen mit Paschalis III. seinen [169] Einzug in Rom. Aber unmittelbar darauf brach in dem deutschen Heere eine furchtbare Pest aus, die mehrere der hervorragendsten Führer dahinraffte; auch Ch. wurde damals todt gesagt. Mit Unrecht; er geleitete den Kaiser auf dem nothwendig gewordenen Rückzug wenigstens bis Pisa; dann eilte er seinem Herrn voran über die Alpen zur Schlichtung des Streites, der in Sachsen zwischen Heinrich dem Löwen und den übrigen geistlichen und weltlichen Fürsten entstanden war. Zwei andere wichtige diplomatische Sendungen Christians werden uns aus den folgenden Jahren berichtet: 1168 ging er nach Rouen, 1170 nach Konstantinopel. Schon ein Jahr darauf wurde er wieder nach Italien gesandt; dort hat er bis zu seinem Tode als kaiserlicher Generallegat eine rastlose Thätigkeit entfaltet; nur auf ganz kurze Zeit scheint er Ende 1173 noch einmal nach Deutschland zurückgekehrt zu sein. Namentlich den Verhältnissen Mittelitaliens wandte er seine Aufmerksamkeit zu; mannigfache Erfolge trug er gegen die dortigen Gegner des Kaisers davon, die in ihrem Widerstande durch den griechischen Kaiser gestärkt wurden. Doch vermochte er nicht den Vorort der byzantinischen Partei, Ancona, zur Uebergabe zu bringen; nach sechsmonatlichen bedeutenden Anstrengungen mußte er im October 1173 die Belagerung der Stadt aufheben. Und da bald darauf Alessandria nicht minder muthvollen und glücklichen Widerstand seinem kaiserlichen Herren leistete, da dieser selbst 1176 bei Legnano von den Lombarden geschlagen wurde: da war es Ch., der eifrig zum Frieden mit Friedrichs bedeutendstem italienischen Gegner, mit Alexander III. rieth, der persönlich den wichtigsten Antheil an den Verhandlungen mit dem Papste nahm. So ist der Abschluß des Friedens von Venedig nicht zum wenigsten sein Werk. Ihm selbst wurde in einem Artikel der Friedensurkunde der Besitz des Erzbisthums Mainz ausdrücklich zugesichert; Konrad von Wittelsbach, den bisher Alexander III. als allein legitimen Erzbischof von Mainz anerkannt hatte, wurde durch Salzburg entschädigt, aus den Händen eines Cardinals Alexanders empfing Ch. ein neues Pallium, nachdem er eigenhändig zuvor das ihm früher von Paschalis III. verliehene verbrannt hatte. Durch ihn wurde Alexander nach Rom zurückgeführt, die ihm entrissenen Theile des Patrimoniums ihm restituirt; der Erzbischof war anwesend auf dem Concil, das der Papst 1179 im Vatican hielt. Aber wenn auch nicht mehr wie früher vereint mit dem Papst, auch jetzt machte die byzantinische Partei in Italien Ch. zu schaffen, ja er gerieth in die Gefangenschaft Konrads von Montferrat; länger als ein Jahr dauerte seine Haft. Schließlich wurde er gegen ein ansehnliches Lösegeld freigelassen; besonders kräftig und erfolgreich scheint er gerade nach seiner Befreiung seinen und des Reiches Gegnern entgegengetreten zu sein. 1183 rief Papst Lucius III. ihn zu Hülfe gegen die Römer herbei, die damals mit ihm im Kampf sich gegen ihre alte Feindin, gegen Tusculum, wandten; die Nachricht von Christians Kommen genügte, die Römer zur Aufhebung der Belagerung von Tusculum zu bestimmen. Er zog in die Stadt ein und begann für den Wiederaufbau der niedergerissenen Mauern zu sorgen; da erfaßte ihn das Fieber; er starb am 25. August 1183.

Schon die angeführten Thatsachen zeigen, wo der Schwerpunkt von Christians Thätigkeit lag. Nicht den geistlichen Aufgaben seines Amtes, nicht den Angelegenheiten seiner Diöcese: dem Dienst seines Kaisers, den Geschäften des Reichs hat er fast ausschließlich seine hervorragenden Kräfte gewidmet. Er war ein geschickter Diplomat, er verfügte über bedeutende Sprachkenntnisse, vor allem war er Soldat. Einer seiner Notare, später Scholasticus in Bremen, hat dem Historiker Albert von Stade in bunten Farben das Leben und Treiben des kriegerischen Erzbischofs geschildert, wie er hoch zu Roß, über dem Panzer eine hyazinthenfarbige Tunica, einen vergoldeten Helm auf dem Haupt, mit einer gewaltigen Streitkeule bewaffnet, in einem Treffen persönlich neun Feinde niederstreckte, [170] wie er ein ander Mal zwanzig Edelen mit eigener Hand die Zähne einschlug, wie seine Esel ihn mehr gekostet als des Kaisers ganzer Hofstaat, wie einst die Geistlichen und Frauen seines Heeres zwei stark befestigte Burgen erobert. Auch bei ihm, wie bei den meisten seiner Zeitgenossen, verhindert uns die Dürftigkeit unseres Quellenmaterials ein klares Bild der einzelnen Züge seines Wesens zu entwerfen, ein bestimmtes Urtheil über einzelne seiner Thaten zu fällen; aber nach allem, was wir über ihn hören, tritt in ihm eine kräftige, bedeutende, eigenartige Persönlichkeit uns entgegen, eine glänzende Erscheinung, ein Bischof auf weltliche Thätigkeit und weltlichen Genuß gerichtet, ein treuer Diener seines Kaisers, ein eifriger Vorfechter staufischer Politik.

Varrentrapp, Christian von Mainz. Berlin 1867. – Ficker, Forschungen zur Reichs- und Rechtsgeschichte Italiens 2, 139 ff., 308. 4, 179 ff.