ADB:Rüthling, Johann Ferdinand

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Artikel „Rüthling, Johann Ferdinand“ von Paul Schlenther in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 30 (1890), S. 50–51, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:R%C3%BCthling,_Johann_Ferdinand&oldid=- (Version vom 27. November 2024, 04:00 Uhr UTC)
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Rüthling: Johann Ferdinand R., Schauspieler, geboren 1793 zu Berlin, † ebendas. am 7. August 1849. Sein Vater, Hermann Friedrich R., war gleichfalls Schauspieler und wurde 1781 von Döbbelin „für Bediente, Bauern und Juden“ angestellt. Als Döbbelin am 1. August 1787 die Direction des königlichen Nationaltheaters in Berlin übernahm, hielt R. mit einer Gage von 312 Thaler zu ihm und verblieb bei dieser Bühne bis zu seiner Pensionirung am 28. März 1811. Er war nahe befreundet mit Fleck, der seinen Sohn Ferdinand über die Taufe hielt. Dieser wirkte schon 1798 in Kinderrollen mit. 1811 wurde er für Vertraute und Nebenpartien engagirt. Seit 1816 rückte er allmählich in Wurm’s Fach ein und wurde für Jahrzehnte der erste Feinkomiker der Berliner Hofbühne. Er war eine seßhafte Natur, welche sich an dem modisch gewordenen Gastspielwesen nur selten betheiligte. Einmal spielte er in Hamburg, wo er nicht sonderlich gefiel, 1838 in Wien. Offenbar mußte man, wie bei so mancher ausgeprägten Komikerindividualität, an seine Wirkungen gewöhnt sein. Nach Küstner’s Zeugniß bestand seine Komik nicht in einer plumpen, polternden und stark auftragenden Manier, sondern in einer eigenthümlich gedehnten, zähen, besonnenen, ironisch breiten, aber doch feinen Weise, welcher der trockene Witz Raupach’s am gemäßesten war. „Die Schleichhändler“, schreibt mir ein kundiger Gewährsmann, „von ihm neben Gern als Schelle, dem unvergleichlichen alten Weiß als Zollinspector und der alten Wolf als Romantikerin zu sehen, war ein unvergeßlicher Genuß. Wer die Schleichhändler heute liest, ohne sie in dieser ihrer originalen Verkörperung gesehen zu haben, von der die Aufführungen aller andern Bühnen nur mehr oder weniger gelungene Copien waren, der begreift den so durchschlagenden und so lange anhaltenden Erfolg dieser Raupachiade gar nicht.“ Eduard Devrient führt die halb gleichgültige trockene Unscheinbarkeit des Rüthling’schen Witzes auf eine allgemeine Berliner Eigenthümlichkeit zurück, ohne sich mit ihr, obwol selbst Berliner Kind, recht befreunden zu können; doch spricht er vom „redlichen Rüthling“. Rüthling’s Kopf zeigte einen von klugem, feinem Lächeln umspielten Mund, der zwischen Kinn und Nase entschlossen zurücktrat, und eine hohe Stirn. Seine letzte Rolle war der Schreiber Licht in Kleist’s „Zerbrochenem Krug“. Auch litterarisch hat sich R. bethätigt, und zwar gab er 1846 bei Otto Janke unter dem Titel „Der Komiker in fröhlichem Familienkreise“ eine Sammlung schwunghafter Vorträge in Poesie und Prosa und in allerhand Dialekten heraus. Neben vielfach populär gewordenen Scherzgedichten und Declamationsstücken von Saphir, Lindner, Holtei, Kalisch, Angely, Görner u. A. findet sich eine [51] größere Anzahl aus der Feder von R. selbst. Er ergeht sich darin in Bibelreminiscenzen, Parodien und Berliner Localanspielungen. Auch eine bescheidene Alltagsmoral wird gepredigt. Die Laune ist recht dünn und abgestanden, und es liegt einige Berechtigung in der Selbstironie, mit der er beim „Lob des Wassers“ auch von seiner Verskunst spricht. Das bekannteste der Rüthling’schen Poeme war seiner Zeit die Ballade vom Leipziger Stadtsoldaten.

Blum-Herloßsohn-Marggraff, Allg. Theater-Lexikon VI, Altenburg-Leipzig 1846. – Album des königl. Schauspiels und der königl. Oper zu Berlin, 1858, S. 21 (Küstner). – Devrient, Gesch. d. deutschen Schauspielkunst.