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Artikel „Rüthling, Bernhard“ von Max Bernstein in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 30 (1890), S. 49–50, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:R%C3%BCthling,_Bernhard&oldid=- (Version vom 25. November 2024, 14:16 Uhr UTC)
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Rüthling: Bernhard R., ein bedeutender Schauspieler, geboren zu Meiningen am 18. April 1834, † zu München am 22. April 1881. Die Schauspielerfamilie R. entstammt aus der Mark. Ihr künstlerisches Merkmal ist die Aufrechterhaltung der Brockmann-Iffland’schen Ueberlieferung naturwahrer Darstellung. Bernhard’s Oheim war im ersten Drittel unseres Jahrhunderts als Komiker ein Liebling des Berliner Hoftheaterpublicums. Sein Vater war zuerst in Berlin, dann in Meiningen engagirt, bis er infolge ungünstiger Umstände sich von seiner Familie trennte und sich kleinen Wanderbühnen anschloß. Die Mutter fand eine Stellung als Choristin in Kassel, wo sie mit ihren drei Kindern, deren ältestes Bernhard war, in größter Armuth lebte. Mit 16 Jahren zog R. in die Welt. In Bromberg fand er sein erstes Engagement, mit einem Monatsgehalte von drei Thalern. Dann kam er nach Memel. Durch den Brand des dortigen Theaters wieder seiner Stellung verlustig, erfuhr er auf langen Streifzügen mit wandernden Komödiantentruppen das bitterste Elend brodloser Kunst. Endlich gelang es ihm, in Meiningen unterzukommen. Von da an ging sein Lebensweg empor. Ende der fünfziger Jahre fand er Engagement in Augsburg, wo er nebenbei auch als Sänger in den Rollen des „Gouverneurs“ im Don Juan, des „Eremiten“ im Freischütz u. s. w. beschäftigt war; während der Sommermonate war er am Kurtheater in Kissingen thätig. In Augsburg sah ihn der treffliche baierische Hofschauspieler Jenke und lud ihn zu einem Gastspiel nach München. Im J. 1863 trat R. in das Münchener Schauspiel ein, welchem er als eine seiner schönsten Zierden angehört hat, bis ihn eine Krankheit, deren Keim die Entbehrungen und Leiden seiner Jugend gelegt hatten, aus seinem reichen Wirkungskreise hinwegnahm. Einfachheit und Kraft, Naturwahrheit und Herzenswärme – das sind die Eigenschaften, welche die „Helden“ und „Liebhaber“ in Rüthling’s Darstellung auszeichneten; gleichviel, ob er (nachdem er in der aushülfsweise übernommenen Rolle des [50] „Arkas“ die Gunst des Königs Ludwig II. gewonnen) als Posa, Karl Moor, Egmont, Uriel Acosta, Essex u. s. w. große Aufgaben mit großem Erfolge löste oder in heiteren, modernen Stücken die Zuschauer durch seinen von jeder satirischen Schärfe freien Humor entzückte. Eine männlich schöne Gestalt, eine Stimme von großem Wohllaut, die schon mit einem einzigen Tone, einer leisen Bewegung bei dem Hörer Thränen oder Lächeln zu erwecken vermochte, waren die Mittel – Begeisterung für die Poesie und ein redlich treues Gemüth waren die Quellen seiner Kunst. Er hatte den Höhepunkt seines Schaffens noch nicht überschritten, vielleicht noch nicht einmal ganz erreicht, als er starb und München einen seiner Lieblinge, die deutsche Schauspielkunst einen ihrer Auserwählten verlor, welchen Ernst Possart in seiner Grabrede als den berufenen Nachfolger des großen Eßlair bezeichnen durfte.

Vgl. Südd. Presse vom 23. April 1881. – Neueste Nachrichten und Allgemeine Zeitung vom 23. und 24. April 1881. – Die Gegenwart, Nr. 19 vom 7. Mai 1881.