ADB:Doebbelin, Carl Theophilus

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Artikel „Doebelin, Karl Theophilus“ von Joseph Kürschner in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 5 (1877), S. 285–288, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Doebbelin,_Carl_Theophilus&oldid=- (Version vom 2. Dezember 2024, 11:12 Uhr UTC)
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Doebelin (auch Döbelin und Döbbelin geschrieben): Karl Theophilus D., Schauspieler und Theaterdirector, geb. 27. April 1727 zu Königsberg i. M., † 10. Dec. 1793 zu Berlin. Zu den bedeutungsvollen Persönlichkeiten in der deutschen Theatergeschichte des vorigen Jahrhunderts gehört unzweifelhaft auch D., der mit Bewußtsein höheren Zielen in der Kunst entgegenstrebte, dem das gesättigte Lustgefühl des Publicums nicht als Beweis seiner eigenen erfüllten Pflicht erschien. D. ist von Verschiedenen sehr verschieden beurtheilt worden; je genauer man aber sein Leben beobachtet, um so mehr wird man zu der Einsicht kommen, daß sich D. nicht blos den Strömungen einer neuen Epoche willig hingab, nicht nur von seinem raschen Blut veranlaßt, vorwärts schritt, sondern einen gewissen geistigen Scharfblick besaß, der das Urmotiv all seiner künstlerischen Handlungen gewesen ist. Möglich, daß sich D. hie und da ein grobes Auftreten hat zu Schulden kommen lassen, daraus aber mißgünstig auf seinen Charakter zurückzufolgern – wie geschehen – ist ein entschiedenes Unrecht. Es kann kaum ein besseres Zeugniß tiefen Empfindens, höchst moralischer Ansichten geben, als Doebelin’s Brief (abgedr. in Reichard’s Theater-Kalender, 1787, S. 58 ff.) über den Selbstmord seines Sohnes Friedrich († 23. März 1784) an dessen Bruder Karl Konrad Kasimir. Auch sonst gab er Beispiele eines guten Sinnes in Menge. – Seine erste Bildung hatte D. im grauen Kloster zu Berlin empfangen, sich dann und nachdem er kurze Zeit Soldat gewesen war „studirenshalber“ in Frankfurt a. O., Halle und Leipzig aufgehalten. Die Rechtswissenschaft behagte ihm indessen an keinem dieser Orte, er gab sie deshalb auf, ging zur Neuberin und debütirte bei deren Truppe in Zerbst als Cinna. Bald darauf verheirathete er sich mit der feingebildeten Schauspielerin Schulz, die leider 1759 bereits verstarb. 1752 ging D. zur Schuchischen, 1754 zur Ackermann’schen Gesellschaft. Als er zwei Jahre später 6000 Thaler gewann, beabsichtigte er eine große Reise zu unternehmen, ließ sich aber durch Gottsched bereden eine Schauspielergesellschaft zu begründen. In Dresden warb er 15 Mitglieder, begann in Erfurt mit Voltaire’s Oedip im April seine Vorstellungen und gefiel so außerordentlich, daß man ihn dauernd gefesselt haben würde, wenn nicht der Krieg zum Hinderniß geworden wäre. D. wandte sich deshalb nach Weimar, wo er seine Truppe durch Bruck, Witthöfft, Mad. Mecour u. A. verstärkte und ebenso wie in Erfurt dem regelmäßigen Schauspiel allen Vorschub zu leisten bemüht war. Durch den Verlust der herzoglichen Gnade gezwungen Weimar und seine Truppe (die der Hof übernahm) zu verlassen, errichtete er 1757 eine neue Gesellschaft. Obgleich derselben Künstler und Künstlerinnen, wie Schuberth, Mad. Steinbrecher und vor allen die später berühmt gewordene Karoline Schulz angehörten, mußte er sie doch im folgenden Jahre, nach kurzer Wirksamkeit in Köln und Düsseldorf auflösen. Er selbst ging zu Ackermann (damals in Zürich), blieb bei diesem bis 1766, in welchem Jahre er zu Schuch in Berlin übertrat und hier seine zweite Frau, eine geb. Neuhoff aus Brüssel, ehelichte. Die wenig glückliche Verbindung wurde 1775 wieder getrennt. Auch bei Schuch bemühte sich D. im Verein mit seiner Frau und Brandes, den Hanswurst abzuschaffen, ein Bestreben, das guter Erfolg lohnte. Ein Bericht in den „Logen“ von 1772 sagt von ihm u. a.: „In ihm sah Berlin den ersten deutschen Acteur auf seiner Bühne.“ 1772[1] gelang es ihm, das [286] preußische Privilegium mit Schuch zusammen zu erhalten und von der Gesellschaft, der er nunmehr das Dasein gab und die er bis 1789 fortführte, datirt sein wichtigster Einfluß auf das deutsche Theater. Bei einem erfolgreichen Gastspiel in Hamburg, wo er am 12. Nov. als Zamor auftrat, gewann er Schmelz, Garbrecht und Merschy mit ihren Frauen, Hensel, Lambrecht, Mad. Schulz und Dlle. Falbrich, die seine Gesellschaft bildeten; wenn er trotz dieser guten Kräfte auch außerhalb Berlins spielen mußte, so wird mehr die Vorliebe für das französische als eine Unzulänglichkeit des deutschen Theaters der Vorwurf treffen. Seine Bühne war eine gereinigtere, auf der das Trauerspiel bevorzugt wurde, wenn auch Operette und Singspiel, so sehr D. sonst gegen das Opernunwesen eiferte, der französischen Concurrenz wegen, einen Platz fanden. Trotz dieses Zugeständnisses hatte er kein besonderes Glück in Berlin und nur der unerhörte Beifall, den Lessing’s „Minna von Barnhelm“ (21. März 1768) fand, entzog ihn ernstlichen Verlegenheiten. Nun wandte er sich nach Potsdam, Stettin, Danzig und Königsberg i. Pr., kehrte 1769 im März nach Berlin zurück, wo er das Berger’sche Schauspielhaus bei Monbijou erwarb. Dann bereiste er die östlichen Provinzen, gab wieder vom Ende November 1770 bis Fastnacht 1771 in Berlin, hierauf in Potsdam und schließlich in Leipzig (vom 22. April 1772) wie auch in Dresden Vorstellungen. Bemerkenswerth ist, daß bei seiner Anwesenheit in Magdeburg 1771 ein, längere Zeit sich fortspinnender Streit über die Sittlichkeit der Schaubühne entstand (vgl. Chronologie des deutschen Theaters S. 331 ff.), während er 1772 in Braunschweig den Titel eines Hofschauspielers erhielt. – Nach Koch’s Tod kam D. in den Besitz des Privilegiums für Berlin (theilweise abgedruckt in Teichmann’s litt. Nachlaß S. 25 ff.), was seiner Gesellschaft, die jetzt aus den Mitgliedern: Christ, Fischer, Lanz, Reinwald, Brückner, Henke mit ihren Frauen, Murr, Unzelmann, Hempel, Thering, Teller, Pustrich, Pessel, den Schwestern Schulz, Klotz, Mlle. Schick, der Huber’schen, Withöfft’schen und endlich der Doebelin’schen Familie bestand, einen festeren Halt und größere Gewährleistung für die Erreichung ihrer Ziele gab. Am 17. April 1775 eröffnete er seine Bühne in dem früher Schuch’schen Comödienhaus in der Behrenstraße und bot dem Publicum bis zu seinem Rücktritt von der Bühne ein reichhaltiges Repertoir, wie er ihm auch die ersten Kräfte als Gäste vorführte. Er war es der am 24. Februar 1781 allen anderen Bühnen mit einer Todtenfeier Lessing’s (vgl. Reichard, Theater-Kal. 1782 S. 80 ff.) voranging, er brachte am 4. April 1783 den „Nathan“ zum ersten Male auf die Bretter, unter seiner Direction sahen die Berliner einen Schröder, Brockmann, Reinecke und Opitz. Seine Gesellschaft vervollständigte sich stets: 1783 u. a. durch Fleck von Hamburg, und als er 1789 seine Rechte auf das Theater dem König übertrug, zeigte das Mitgliederverzeichniß neben einigen früher Genannten: Böheim, Bötticher, Engst, Kreibe, Herdt, Kaselitz, Labes mit ihren Frauen; Ernst und Christ. Benda, Czechtitzky, Fleck, Lanz, Lippert, Mattausch, Reinwald, Rüthling, Weidemann, Zimmerle, Walther, Cordemann und Leist; Mad. Baranius, Mad. Brückner, Mad. Hellmuth und Tochter, Mad. Unzelmann; Mlles. Altfilist, Amberg, Cordemann, Gerard, Weichleben und Werner. – 1784 errichtete D. im gräflich reußischen Garten in der Kochstraße ein Sommertheater, aber auch diese neue Einnahmequelle enthob ihn nicht aller Sorgen. Diese zu beseitigen war erst dem König Friedrich Wilhelm II. bestimmt, der nach seiner Thronbesteigung Doebelin’s Theater zum königlichen Nationaltheater erhob, dem Prinzipal das Schauspielhaus auf dem Gendarmenmarkt einräumte und ihm 6000 Thlr. jährlichen Zuschuß nebst sonstigen Vortheilen gewährte. 1787 setzte der Fürst eine Verwaltung ein, bestehend aus Engel, Rammler und dem geh. Ober-Finanzrath v. Beyer; D. blieb Regisseur und begab sich erst am 1. Aug. 1789 gegen eine baare Entschädigung [287] von 14000 Thlrn. und Zusicherung einer jährlichen Pension von 1200 Thlrn., die nach seinem Tod zur Hälfte auf seine Tochter überging, aller weiteren Rechte auf seine Schöpfung. 4 Jahre später starb er im 67. Jahre seines Lebens. – Als Schauspieler hat er bei seinen Zeitgenossen vielen Beifall gefunden. Er spielte mit Vorliebe tragische Partien, in denen ihm jedoch manche Beurtheiler ein zu pathetisches oder auch zu forcirt leidenschaftliches Auftreten vorwerfen. Prologe und Epiloge hat D. in großer Anzahl verfertigt.

Vgl. über D. und seine Gesellschaft außer den bereits genannten Quellen noch Plümicke, Theatergesch. von Berlin. 1781. Blümner, Geschichte des Theaters in Leipzig, 1818. Peiba, Gallerie von Teutschen Schauspielern etc., 1783. Bertram, Ueber die königl. Schauspielgesellschaft aus Berlin, an einen Freund, 1771. J. H. F. Müller’s Abschied von der k. k. Hof- und Nationalbühne, Wien 1802. S. 115 ff. 122–125. Beitrag zu einem Theaterhandbuch f. d. J. 1799. Berlin. Auch die zeitgenössischen Journale, u. a. Schmid’s Parterre (wozu die „Beiträge zum Parterre, nebst einigen Anmerkungen über die D.’sche Schauspieler-Gesellschaft“ einzusehen sind). Schmid’s Theaterchronik; Litteratur- und Theaterztg. u. dgl. m. Einen interessanten Brief Doebelin’s findet man in der Zeitschrift Der Bär, 1875. S. 90 ff.; ebend. S. 236 f.[2] Briefe Bertrams an Meyer über D.

Jedenfalls bedeutender in Beziehung auf die Darstellung als D., war seine Tochter erster Ehe Caroline Maximiliane, geb. 1758 zu Köln, † 1828 zu Berlin, die 1762 in Kinderrollen bei Ackermann in Zürich, 1775 in Berlin als Erixene („Die feindlichen Brüder“) debütirte und frühzeitig, obgleich von ihren Eltern vernachlässigt, ein schönes Talent entwickelte, das sie zum Liebling des Publicums machte. Eine zunehmende Beleibtheit und wenig klangvolles Organ bestimmten sie noch im jugendlichen Alter, aus dem Liebhaberinnenfach in das der Alten überzugehen. Coquette alte Jungfern, Betschwestern, zänkische Weiber etc. gab sie mit seltener Vollendung, doch mehr wo es sich um komische, als da wo es sich um ernste Charaktere handelte. Allerdings übertrieb sie manchen humoristischen Zug, vom Beifall dazu verleitet. Ein Augenleiden entzog leider die Künstlerin gegen 7 Jahre der Bühne und erst am 16. April 1812 konnte sie wieder als Jacobe Schmalheim (Aussteuer) vor das Publicum treten. Nachdem sie am 13. Juli 1812 ihr Jubiläum gefeiert hatte, zog sie sich 1815 gänzlich vom Theater zurück und starb völlig erblindet 70 Jahre alt.

Wenig bedeutend für die Kunst waren Doebelin’s Söhne Karl Konrad Kasimir (vgl. zu seiner und der Charakteristik seiner Gesellschaft u. a. Schmid’s Denkwürdigkeiten I. 1875) und Friedrich. Dagegen hat einen Anspruch genannt zu werden der Sohn des ersteren und der ihrer Zeit bekannten Sängerin geb. Feige: Konrad Karl Theodor Ernst, Theaterdirector und Schauspieler, geb. 17. Nov. 1799 zu Neubrandenburg, † 13. Dec. 1856 zu Coburg. Schon als Kind betrat D. bei der Gesellschaft seines Vaters die Bühne, kam aber später, von seinen Eltern für den Handelsstand bestimmt, auf die Winkelmann’sche Handelsschule in Magdeburg, wo er mehrere Jahre verblieb, 1817 aber zu seinen Eltern zurückkehrte und bei deren Gesellschaft in Posen die Bühne wieder betrat. Nach dem Tod seines Vaters, mit dem er Deutschland, Holland, Polen und Ungarn bereist hatte, übernahm er 1822 die Direction der Truppe, die bald darauf in den Hoftheatern zu Dessau und Cöthen aufging. Nur kurze Zeit Leiter dieser neuen Bühnen, engagirte er sich 1823–1824 bei der Pichler’schen Gesellschaft in Bremen, gastirte von hier aus an den Theatern von Hannover, Leipzig, Magdeburg und Königsberg i. Pr., bis er 1826 an der neubegründeten Hofbühne zu Coburg-Gotha als Mitglied und Regisseur angestellt wurde. 1838 lebenslänglich engagirt, ließ er sich 1852 pensioniren und starb [288] 4 Jahre darauf. In komischen Rollen war D. ein ganz vortrefflicher Darsteller, der bei der Natur in die Schule gegangen war und nicht übertrieb. Mit Glück von ihm gespielte Rollen sind: Friedrich II., Werdenbach (Mißverständnisse), Bartolo (Barbier von Sevilla), Astuccio (Concert am Hof), Schelle (Schleichhändler), Reinhold (Müller und sein Kind) u. a. – Vgl. Alvensleben, Biogr. Taschenbuch 1836, S. 28 ff. – Die Gattin Doebelin’s war Augusta, eine tüchtige Schauspielerin, geb. 9. August 1803 zu Berlin, die Tochter des königl. Kriegsrathes Lange, † 23. Januar 1842 zu Coburg. Begabt, feingebildet, angeregt durch die Darstellungen auf der Hofbühne, hatte Auguste ihren ersten Versuch auf dem bekannten Dilettantentheater Urania gemacht. Aufgemuntert von solchen die ihr schauspielerisches Talent erkannten, nahm sie 15 Jahre alt ein Engagement bei der in Frankfurt a. O. anwesenden (Karl) Doebelin’schen Schauspielgesellschaft, gastirte in den zwanziger Jahren in Bremen, Erfurt, Halle, Hannover, Magdeburg, Warschau und Posen und engagirte sich nach kurzer Thätigkeit in Cöthen und Dessau bei dem Hoftheater zu Coburg, wo sie sich im Sommer 1838 mit dem vorigen vermählte. Geschätzt und geliebt in ihrem Wirkungskreis, bemüht den Anforderungen der Kunst gerecht zu werden, starb sie 1842. Ihre letzte Rolle war die Herzogin Marlborough (Scribe’s Glas Wasser) am 8. Juli 1841.

[Zusätze und Berichtigungen]

  1. S. 285. Z. 1 v. u. l.: 1767 (st. 1772). [Bd. 7, S. 795]
  2. S. 287. Z. 18 v. o. l.: Der Bär, 1874, S. 90 ff. und 1875, S. 235 f. [Bd. 7, S. 795]