ADB:Pagenstecher, Alexander (Politiker)

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Artikel „Pagenstecher, Heinrich Karl Alexander“ von Heinrich Alexander Pagenstecher in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 25 (1887), S. 67–69, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Pagenstecher,_Alexander_(Politiker)&oldid=- (Version vom 25. November 2024, 14:12 Uhr UTC)
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Pagenstecher: Heinrich Karl Alexander P., Arzt, Abgeordneter zum deutschen Parlament und zur zweiten badischen Kammer, geb. 11. Juli 1799 zu Herborn, † zu Heidelberg am 20. März 1869, einziges Kind von Ernst Gerhard P. (Strieder, Grundl. z. e. hessischen Gelehrten- und Schriftsteller-Geschichte X, p. 235), welcher, als letzter, eine Professur an der Akademie Herborn erhalten, sich mit Henriette Dorothea, jüngster Tochter des Superintendenten Otterbein in Burbach vermählt hatte und am 2. Juni 1818 als Bibliothekar in Wiesbaden starb. – Bei Unvollkommenheit der Schule verdankte P., was an Bildung er später hervorragend besaß, im Keime dem Vater, in der Ausführung seinem eignen regen Sinne, der Pietät gegen Bildung jeder Art, dem, daß in keinem Alter er versäumte, aus Arbeit und Genuß zurückzukehren zu emsiger Forschung. – Mit 16 Jahren in Heidelberg Student der Medicin, erhielt er für die Schrift „de metastasi“ die goldene Medaille und promovirte am 2. October 1819. Zufälligkeiten führten ihn unter die Teutonen oder Schwarzen. Erhabene [68] Ideen, lautere Sitten fesselten ihn, mehr einzelne überlegene Männer, besonders K. Follen; alles praktisch demagogische stieß ihn ab. Daß er Sand’s Brief an seine Mutter einer Zeitung in Speyer übergab, und Briefe an Burschenschaftler in Freiburg brachten ihn in Untersuchungshaft. Zu seinen Acten sagte Goethe: „diese jungen Leute sind einzeln ganz brav und gut; ihr Zusammenhang, ihre Freundschaft ist es die sie ruinirt.“ – Dem jungen Doctor förderte Paris die medicinische Einsicht durch Lehrer, welche ihr Fach ohne gelehrte Vertiefung energisch handhabten; Italien erhob ihm über das Gewöhnnliche die ästhetische Ausbildung. Er bestand 1820 das nassauische Staatsexamen, in der alten Gelehrtenfamilie der erste Arzt, kam 1821 als Medicinalassistent nach dem Städtchen Nassau und vermählte sich am 27. Februar 1823 mit Julie Jung aus Elberfeld. Das Anerbieten eines Lehrstuhls in Dorpat, zwar abgelehnt, entschied zur Uebersiedelung in einen größeren Wirkungskreis, nach Elberfeld, wozu P. 1824 das preußische Staatsexamen ablegte. – Er mußte seine Existenz neu aufbauen. Viele Jahre nährte, trotz Ueberanstrengung und der Gattin entsagender Sorge, die Arbeit nicht die Familie. Aber die Thätigkeit in allen Schichten des Volks ließ ihn mit Elberfeld verwachsen, die Muße gestattete ihm Vertiefung der Studien und schriftstellerische Arbeiten. Er ward endlich der angesehenste Arzt des Wupperthals. 1842 gründete er den ärztlichen Verein des Regierungsbezirks Düsseldorf, 1847 die Wittwenkasse. Diese Epoche krönten das Doctorjubiläum, die Einführung der älteren Söhne in die Praxis, die silberne Hochzeit, welche ein Fest der Stadt war. – Am selben Tage brachte die Nachricht von der Revolution in Paris neue, politische Aufgaben, denen sein patriotisches Herz sich nicht entziehen wollte. Er leitete einige Versammlungen und als der zum Vorparlament abgeordnete A. v. d. Heydt verlangte, daß P. ihm mitgegeben werde, nahm er das an. Im Fünfzigerausschuß, der Abtheilung für das Auswärtige präsidirend, verlebte er hoffnungsreiche Wochen. Zum Parlamente wurde er für Elberfeld und Barmen einstimmig gewählt auf das Programm der Einheit Deutschlands unter Preußens Führung. Er gehörte in Frankfurt zur Casinopartei und saß im volkswirthschaftlichen Ausschuß. Unschöpferische Unklarheit einerseits, Conventkünste im Bunde mit mordlustigem Pöbel der Gallerie und der Gasse andrerseits lähmten die Arbeit hingebender Vaterlandsfreunde. Bei der Unmöglichkeit, die preußische Spitze zu erreichen, brachte P. mit Lette den Antrag auf eine provisorische Trias ein, welche ebenso vom Ausschuße durch Dahlmann empfohlen wurde. Gagerns kühner Griff, daß das Parlament die Executive selbst schaffen müsse, ein nicht gut zu machender Fehler, zwang, sich zur Wahl des Erzherzogs Johann zu bequemen, mit welcher eigentlich niemand zufrieden war, nicht einmal die Oesterreicher, weil sie nur ein Provisorium war. Zumal bei der Verhandlung über den Waffenstillstand von Malmoe sah P., daß es sich nicht mehr um Verfassung und Einheit, sondern darum handle, ob Fürstengewalt oder Umsturz siegen werde. Um nicht der Gefahr zu weichen, verließ er Frankfurt erst am 2. November. Elberfeld empfing ihn festlich; seine Rede zähmte auch die Herzen der Arbeiter. Doch war seine Zeit vorbei. Mit den politischen Freunden blieb er verbunden, lehnte aber ab, nach Gotha zu gehen. – Diejenigen, welche die Reichsverfassung aufs Aeußerste bekämpft hatten, schrieben sie nach der Verwerfung in Berlin auf die Fahne. Dies verworrene Verhältniß schuf, ungeschickte Maßregeln entwickelten den Elberfelder Aufstand vom Mai 1849. Vor Tausenden von Zuzüglern f1üchteten die Einwohner. Auf Bitten sich ermannender Bürgerwehrleute und der reuigen Landwehr erwirkte P. in Berlin, daß man der Stadt Zeit ließ. Er steckte einigen Führern Reisegeld zu, die Schaaren verliefen sich. – Noch einmal stieg P. in der Choleraepidemie von 1849–50 in die Hütten der Armuth, ohne [69] Zagen und Ermüden, bis ihn selbst und die Seinen die Seuche ergriff. Bedeutende Mittel brachte er 1850 für Schleswig-Holstein zusammen. – Als durch den Tod des ausgezeichneten Schwiegervaters 1852 ihm zufallendes Vermögen es gestattete, schuf er sich einen idyllischen Ruhesitz in Heidelberg, wo er, trotz schwerster Schicksalsschläge, in anspruchslosem Verkehre mit ausgezeichneten Freunden schöne Jahre verlebte. Widerstrebend, wurde er noch einmal zu politischer Thätigkeit herangezogen, zuerst als Vorsitzender der Durlacher Conferenzen, im erfolgreichen Kampfe gegen die beschlossene Kirchenordnung und das Concordat, dann 1863 als Abgeordneter zur zweiten Kammer für Weinheim-Ladenburg. Die Regierung war ihm sympathisch, die Kammern gaben ihm Freunde und Anregung. Aber einen Ersatz für die Hoffnungslosigkeit der deutschen Zustände gab ihm diese Thätigkeit ebenso wenig als Aemter in Gemeinde und Kreis, welche man dem beliebten Manne übertrug. – Der Abgeordnetentag und der Protestantentag in Frankfurt, unter seiner Theilnahme, die Jubelfeier der Schlacht bei Leipzig, bei welcher ihm die Festrede übertragen war, die neuen Schleswig-Holsteincomités nach dem Tode des Königs von Dänemark bezeichneten ein Erwachen des Volksgeistes, aus welchem P. den ersten Impuls zur Neugestaltung Deutschlands zu hoffen nicht aufhörte. Als Preußen sich zur Abrechnung mit Oesterreich bereit stellte, nach sorgfältiger Vorbereitung der Mittel, als P. einsah, wie nun nicht widerspruchsvolle Stimmungen, sondern die Thaten entscheiden würden, nicht einen Augenblick zweifelnd, wohin Verstand und Herz riefen, da war in anderen das noch nicht gereift und er sah, wie Bluntschli und Jolly in der ersten, so sich in der zweiten Kammer mit Hoffnungen und Sympathie vereinsamt. Der kurzen Nacht folgte der Tag der Entscheidung. Die Kammersitzung, welche dem Ministerium Mathy-Jolly die Grundlagen der neuen Militärverfassung gewährte, war die letzte, an welcher P. Theil nahm. Er meinte, daß man die Vollendung des norddeutschen Bundes zur deutschen Einheit mit Geduld erwarten müsse, sah mit Bekümmerniß den Liberalismus auf abschüssige Bahnen gerathen, erlebte nicht mehr, daß neue, größere, größte Kriegsthaten Preußens und Deutschlands auch diese politische Epoche zu höchster Befriedigung und höchstem Ruhme schlossen. Pagenstecher’s wichtigste medicinische Arbeiten sind: „Beiträge zur näheren Erforschung des Asthma thymicum (Behandlung mit Zincum hydrocyanicum).“ Heidelberger Annalen 7. Bd. 2. H. S. 256–294. 1831. „Die asiatische Cholera in Elberfeld vom Herbst 1849 bis zum Frühling 1850.“ Elberfeld 1851.