ADB:Pahl, Johann Gottfried von

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Artikel „Pahl, Johann Gottfried v.“ von Wilhelm Heyd in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 25 (1887), S. 69–71, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Pahl,_Johann_Gottfried_von&oldid=- (Version vom 22. November 2024, 04:35 Uhr UTC)
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Band 25 (1887), S. 69–71 (Quelle).
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Pahl: Johann Gottfried v. P. wurde geboren am 12. Juni 1768 in Aalen, einer der kleinsten schwäbischen Reichsstädte, als Sohn eines Lebküchners und Kaufmanns. Am Geburtsort selbst nur nothdürftig für die Hochschule vorbereitet ging er nach Altdorf, um dort protestantische Theologie zu studiren, allein das Versiegen seiner Mittel zwang ihn vor der Zeit die Hörsäle zu verlassen und auf Pfarrvicariaten ein spärliches Auskommen zu suchen, die Lücken seiner Kenntnisse aber durch Privatfleiß auszufüllen. Die religiösen Anschauungen der Aufklärungszeit und die politischen Ideen, mit welchen die französische Revolution die Welt erfüllte, sagten seinem hellen Kopfe zu und gaben den Grundton ab für seine ersten litterarischen Hervorbringungen. Angeregt durch seinen Jugendfreund, den Philosophen Jakob Salat und den Rektor Gräter in Hall entschloß er sich nämlich früh zu schriftstellerischer Thätigkeit. Von seiner abgelegenen Dorfpfarrei Neubronn (N-W. von Aalen) aus schleuderte er die Pfeile seiner Satyre einerseits gegen die unnatürlichen Vorrechte des Adels und die heillose Maitressenwirthschaft im benachbarten Herzogthum Württemberg, andererseits griff er durch das Buch „Leben und Thaten des Paters Simpertus“ (1799) die [70] Obscuranten an, wie sie damals in den Hochstiften Ellwangen und Augsburg sich breit machten; denn auch im katholischen Lager hatte P. persönliche Verbindungen mit freier denkenden Männern wie Sailer, Weber, Zimmer in Dillingen angeknüpft und ihre Bedrücker waren auch die Zielscheibe seiner Geschosse. Das Hereinbrechen der französischen Heere unter Moreau (1796), welches über seinen Wohnsitz und über dessen Umgegend schweres Ungemach brachte, gab ihm Veranlassung, in den „Materialien zur Geschichte des Kriegs in Schwaben“ Alles zu sammeln, was er in seinem Kreise erlebte und in Erfahrung bringen konnte. Diese als Vorarbeit für einen Geschichtschreiber der Revolutionskriege schätzbare Stoffsammlung setzte P. später, als wieder Franzosen mit den Oesterreichern kämpfend den schwäbischen Boden betraten, in seinen „Denkwürdigkeiten zur Geschichte von Schwaben während der beiden Feldzüge von 1799 und 1800“ fort. Da er aber die Kriege dieser Jahre überhaupt in ihrem ganzen Verlauf auch außerhalb Schwabens mit Aufmerksamkeit verfolgte, stellte er sich außerdem die Aufgabe, ein größeres Geschichtsbild von denselben nach Art der Posselt’schen Annalen zu entwerfen („Geschichte des französischen Revolutionskriegs“, 3 Bde., 1799–1801). So wurde immer mehr die Zeitgeschichte das Feld seiner schriftstellerischen Thätigkeit. Nebenher gingen jedoch publicistische Arbeiten, wie der „Patriotische Appel“, zu welchem P. durch den Friedenscongreß von Luneville und die ihm folgenden Regensburger Verhandlungen angeregt wurde. Ihm, dem Pfarrer und Amtmann eines ritterschaftlichen Dorfes, eingekeilt zwischen anderen reichsunmittelbaren Herrschaften, reichsstädtischen Gebieten, geistlichen Fürstenthümern mußte die Zerrissenheit des deutschen Reichs in ihrer ganzen Tragikomik täglich vors Auge treten. So galt denn jener Aufruf der Neuorganisation des Reichs, um zu retten, was noch zu retten war, die Glieder des Reichskörpers fester an einander zu schließen und seine Kräfte zu concentriren. In demselben Jahr (1801), in welchem dieser vielbeachtete Reichsverfassungsentwurf erschien, gründete P. eine Wochenzeitung, in welcher er die Begebenheiten der Zeit in übersichtlicher Darstellung zusammenzufassen und durch politische und staatsrechtliche Erörterungen, statistische Zusammenstellungen und historische Rückblicke zu erläutern suchte, – die „Nationalchronik (später blos Chronik) der Teutschen“. Da abgesehen von dem belehrenden Inhalt ein aufgeklärter Geist, ein gemäßigt-liberaler Standpunkt und deutsch-nationale Gesinnung in dem Blatte walteten, sammelte sich um dasselbe bald ein Kreis gebildeter Leser vorzüglich im südlichen Deutschland, auf dem linken Rheinufer und in der Schweiz. Das Blatt hatte während der wenigen Jahre seines Bestehens Ereignisse zu besprechen wie den Zusammenbruch des deutschen Reichs, die Gründung des Rheinbundes, die Niederlagen Preußens – lauter Stoffe von höchstem publicistischem Interesse; das moralische Urtheil über die Gewalthaber durfte freilich nur mit äußerster Vorsicht gefaßt, das Festhalten an der Einheit der Nation nur schüchtern als Ideal hingestellt werden, wenn der Herausgeber sein Blatt nicht der schärfsten Censur, ja sich selbst persönlicher Verfolgung anheimfallen lassen wollte. P. kannte das aus Erfahrung. Hatte ihn früher sein Eifer gegen die „Obscuranten und Stabilitätsritter“ auf die Proscriptionsliste der österreichischen Polizei gebracht, so gerieth er jetzt bei der napoleonischen durch böswillige Denunciation in den Verdacht, Verfasser des Buchs „Teutschland in seiner tiefen Erniedrigung“ zu sein und erhielt die Einquartierung eines französischen Offiziers, der sein Treiben beobachtete und die Nationalchronik eifrig durchforschte, aber schließlich nichts von einem Aufrührer an P. entdecken konnte. Die Lage verschlimmerte sich noch dadurch, daß der Verlagsort der Chronik Gmünd und der Wohnsitz Pahl’s selbst zum würtembergischen Gebiet geschlagen wurde, dessen Herrscher ebenso dienstbeflissen gegen Napoleon als despotisch gegen seine Unterthanen war. Zusehends [71] mehrten sich nun die Censurstriche in der Chronik und als P. eines Tages Angesichts eines Kriegs zwischen Napoleon und Oesterreich letzteres als eine keineswegs gering zu schätzende Kriegsmacht schilderte, verschloß König Friedrich dem „im Fach der Politik herumirrenden Dorfpfarrer“ den Mund, indem er das weitere Erscheinen der Chronik verbot (Jan. 1809). So wieder auf das Bücherschreiben verwiesen fand P. für gut ein Werk über den „Krieg in Deutschland im Jahre 1809“ unter dem Pseudonym Alethinos in München erscheinen zu lassen, wandte aber dann mehrere Jahre hindurch der Zeitgeschichte den Rücken, um in der „Herda“ (4 Bde. 1811–1815) Bilder aus der deutschen Vergangenheit zu entwerfen. Als Napoleon geschlagen war und die Abrechnung mit Frankreich herankam, erhob auch P. seine Stimme für die Zurückforderung des Elsaßes (in Rottecks deutschen Blättern). Wie diese so wurden auch andere Hoffnungen der Patrioten nach den Befreiungskriegen nicht erfüllt. P. beklagte dies, aber er sah wenigstens die wesentlichsten Volksrechte gewährleistet Seitens der süddeutschen Staaten, deren Regierungen Repräsentativverfassungen eingeführt hatten und auf dem constitutionellen Weg ehrlich fortzuwandeln schienen. Um für seinen gemäßigten Liberalismus ein Organ zu schaffen, gab P. in den Jahren 1820–24 die „Neue Nationalchronik der Teutschen“ heraus, welche übrigens der alten weder in der Bedeutung des Stoffs noch in der Kraft der Sprache gleichkam. Erst im höheren Alter erhielt P. Gelegenheit seinen Standpunkt auch in parlamentarischer Thätigkeit zu erproben, indem die Ernennung zum Generalsuperintendenten des Jaxtkreises ihm im J. 1832 Sitz und Stimme in der zweiten Kammer des würtembergischen Landtags verschaffte, in welcher er als Altliberaler eine Mittelstellung zwischen den Parteien einnahm. Seiner theologischen Richtung nach war er Rationalist, jedoch duldsam gegen Andersdenkende und nur denen, welche die Volksaufklärung geflissentlich hindern wollten, muthig entgegentretend (vergl. sein Buch „über den Obscurantismus, welcher das teutsche Vaterland bedroht“ 1826). Vom rationalistischen Gesichtspunkte aus behandelte P. auch das Kirchenrecht, als das Aufrücken zu höheren Kirchenämtern in ihm das Bedürfniß weckte, sich auf diesem Gebiet heimisch zu machen und im Zusammenhang damit in einem Buche „das öffentliche Recht der evangelisch-lutherischen Kirche in Teutschland“ kritisch darzustellen. P. starb zu Stuttgart den 18. April 1839. Es war ihm noch vergönnt gewesen, vor Eintritt des Greisenalters die letzte Hand an seine „Geschichte von Württemberg“ (6 Bde. 1827–31) zu legen, welche durch ihre lichtvolle und gewandte Darstellung in vielen Familien sich einbürgerte, ohne jedoch auf tieferem Quellenstudium zu ruhen. Dagegen hinterließ er als unfertiges Manuscript die „Denkwürdigkeiten aus meinem Leben und meiner Zeit“, welche von seinem Sohn Wilhelm, Rector des Lyceums in Tübingen, herausgegeben wurden (1840). Sie schilderten immerhin die an Erlebnissen und Beziehungen reichere Hälfte seines Lebens (bis 1814) und wurden als werthvoller Zuwachs zu der deutschen Memoirenliteratur willkommen geheißen. Sein Bild stach Vockerodt nach einer Zeichnung von Fischer.

Außer den soeben erwähnten Denkwürdigkeiten vergl. die Lebensabrisse im Schwäb. Merkur vom 3–5. Juni 1839 und im Neuen Nekrolog der Deutschen. Jahrg. 17., (1839) Thl. 1, S. 383–391. – Gust. Bacherer, Salon deutscher Zeitgenossen, Thl. 1, 1838 S. 93–314. – Desselben Stellungen und Verhältnisse, Bd. 1, S. XLVIII–LXIV (wo sich Briefe Pahl’s an Salat finden).