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Artikel „Osann, Friedrich Gotthilf“ von Richard Hoche in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 24 (1887), S. 459–461, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Osann,_Friedrich&oldid=- (Version vom 24. November 2024, 15:12 Uhr UTC)
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Osann: Friedrich Gotthilf O., Philologe, 1794–1858. Er wurde in Weimar als der Sohn des herz. Reg.-Rathes Friedr. Heinr. O. am 22. August 1794 geboren; seine Mutter war eine geborene Hufeland, eine Schwester des berühmten Berliner Arztes. Den ersten Unterricht erhielt er durch Hauslehrer, zeitweilig in Berlin im Hause des Oheims mit den Kindern desselben durch deren Lehrer Luden, den späteren Jenenser Professor der Geschichte; später besuchte er das Gymnasium in Weimar, wo u. A. Franz Passow, Heinrich Voß und Johannes Schulze seine Lehrer waren. Vornehmlich scheint aber der Director Ch. Ludw. Lenz auf ihn gewirkt zu haben; seiner Anregung verdankte er namentlich die Hinführung zu Plautus, in den er sich schon als Schüler einarbeitete. Ostern 1813 bezog O. die Landesuniversität in Jena, um ausschließlich Philologie zu studiren; sein Wunsch, am Kampfe gegen Napoleon theilnehmen zu können, ging nicht in Erfüllung. Er trat zwar in eine in Jena gebildete freiwillige Reiterabtheilung und erhielt einige militärische Ausbildung, kam aber nicht ins Feld. Ostern 1814 ging er nach Berlin, um F. A. Wolf und Boeckh zu hören, fand bei diesen freundliche Aufnahme und wohlwollende Förderung und namentlich [460] auch im Hufeland’schen Hause den bildendsten und anregendsten Verkehr. Die 1815 durch Angelo Mai gemachte Entdeckung des Ambrosianischen Plautus-Palimpsestes gab seinen während der ganzen Universitätszeit mit besonderer Liebe fortgesetzten Plautusstudien neue Nahrung; als er 1816 zur Erwerbung der Doctorwürde in Berlin eine Dissertation veröffentlichte: „Analecta critica poësis Romanorum scenicae reliquias illustrantia“, machte er in einer Appendix zu derselben die Entdeckung Mai’s in Deutschland zuerst bekannt. Auf Grund dieser Aufsehen erregenden Schrift erwarb er noch in demselben Jahre in Berlin die venia legendi, begann aber eine akademische Lehrthätigkeit damals noch nicht. Die Wiederverheirathung seiner Mutter mit dem Geheimen Staatsrathe Christian Gottl. v. Voigt setzte O. in die Lage, noch einige Jahre ausschließlich seiner wissenschaftlichen Ausbildung und Vorbereitung für ein akademisches Amt leben zu können; er nahm zunächst einen längeren Aufenthalt in Dresden, um sich durch das Studium der dortigen Kunstsammlungen für eine größere Reise vorzubereiten, und trat diese sodann im Herbst 1817 an; er durchreiste Deutschland, Frankreich, England, Italien, blieb in Paris und Rom je ein Halbjahr, überall an die hervorragendsten Männer empfohlen und von diesen freundlich aufgenommen und in seinen Studien unterstützt. Auf Boeckh’s Anregung sammelte er auf der Reise eifrig Beiträge zu dem damals vorbereiteten „Corpus inscriptionum graecarum“, auch lateinische Inschriften wurden mit großer Mühe und vielen Kosten beschafft. 1819 kehrte er zurück und ging nach kurzem Aufenthalte in Weimar wieder nach Berlin, um dort die Ergebnisse seiner Reise der Akademie der Wissenschaften vorzulegen; aus nicht hinreichend aufgeklärten Gründen lehnte diese seine Betheiligung an der Herausgabe des Corpus inscr. gr. ab und veranlaßte O. hierdurch, seine Sammlungen selbständig zu veröffentlichen; in zehn Heften erschien die „Sylloge inscriptionum antiquarum graecarum et latinarum“ in den Jahren 1822–34, allerdings durch die späteren Publicationen der Akademie – seit 1828 – bald überholt. – Die akademische Lehrthätigkeit begann O. in Berlin sogleich nach seiner Rückkehr, 1819, und hatte schon als Privatdocent guten Erfolg; bereits Ostern 1821 wurde er als besoldeter außerordentlicher Professor nach Jena berufen. Als er im Frühjahr 1825 von einer neuen wissenschaftlichen Reise nach Paris zurückkehrte, lernte ihn der großherzoglich hessische Minister v. Grolmann kennen und veranlaßte seine Berufung als ordentlicher Professor der Philologie nach Gießen. Dieses neue Amt, welches er bis an sein Lebensende beibehalten hat, trat er im Herbst 1825 an; er war der erste eigens für Philologie berufene Gießener Professor, während bis dahin sowohl die philologischen Vorlesungen, wie die Leitung des Seminars nur nebenbei von Professoren der Theologie besorgt worden waren. Am Seminar blieben zunächst auch noch zwei theologische Professoren betheiligt; erst 1827 wurde O. nach dem freiwilligen Rückkritte dieser Collegen zum Director des Seminars ernannt. Die philologischen Studien nahmen durch sein Verdienst in Gießen einen früher nicht für möglich gehaltenen Aufschwung, vornehmlich durch seine Leitung des Seminars, in welcher der Schwerpunkt seiner Thätigkeit lag; durch eine völlig neue Organisation, Anstellung einer zweiten Lehrkraft, Einrichtung von Preisen u. s. w., wurde das Seminar allmählich dem anderer Universitäten ebenbürtig gemacht. Freilich blieben die Verhältnisse in Gießen immer eng und die Masse der Vorlesungen, welche O. als alleiniger Professor der Philologie über die verschiedensten Zweige seiner Wissenschaft zu halten hatte, und ebenso die zahlreichen Verpflichtungen, welche ihm als professor eloquentiae et poeseos oblagen, verhinderten eine Concentration seiner wissenschaftlichen Thätigkeit; in angenehmen häuslichen Verhältnissen lebend – seit 1827 war er mit einer Tochter des Archivrath Klunk in Darmstadt verheirathet – griff er wenig [461] in die wissenschaftlichen Kämpfe seiner Zeit ein, zumal auch der Mißerfolg seiner Sylloge ihn etwas zurückhaltend gemacht hatte. Auch eine vorbereitete Plautus-Ausgabe blieb liegen, seitdem Ritschl diesen Schriftsteller in die Hand genommen hatte. Dagegen ist die Zahl seiner Abhandlungen, welche er in den 33 Jahren seiner Gießener Zeit über die mannigfachsten philologischen Aufgaben und über die verschiedensten alten Schriftsteller veröffentlichte, eine überaus große. Sein werthvollstes größeres Werk dürften die „Beiträge zur griechischen und römischen Litteratur-Geschichte“ sein, welche 1834 und 1839 in zwei Bänden erschienen. – Ein hervorragendes Verdienst hat er sich durch seine Lehrthätigkeit in Gießen erworben, die ihm ein dauerndes Andenken sichert; es war nicht zu viel gesagt, wenn man ihn als den Begründer eines hessischen Gymnasiallehrerstandes rühmte. Er starb nach kurzer Krankheit in Gießen am 30. November 1858.

W. Wiegand, Professor Dr. Friedrich Osann, im Leben wie im Wirken das Bild eines Humanisten. Gießen 1859. Hierin auch S. 38–46 ein Verzeichniß der Schriften Osann’s. – Bursian, Gesch. d. Philol. S. 821.