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Artikel „Orelli, Johann Kaspar von“ von Otto Hunziker in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 24 (1887), S. 411–416, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Orelli,_Johann_Caspar&oldid=- (Version vom 21. November 2024, 22:04 Uhr UTC)
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Orelli: Johann Kaspar v. O. von Zürich, wurde am 13. Febr. 1787 geboren. Sein Vater, David O., war von 1790 an Landvogt in Wädensweil, wohin die Familie nach dessen Ernennung übersiedelte und bis nach der helvetischen Staatsumwälzung 1798 blieb, ein sehr gutmüthiger und gebildeter Mann; größern Einfluß auf die Entwickelung des Sohnes hatte die Mutter, Regula, geb. Escher, eine Frau von ungemein lebhaftem Geiste, in der schönen Litteratur ziemlich bewandert, voll tiefen Gemüthes, mit Lavater befreundet, der Johann Kaspars Taufpathe wurde; sie selbst übernahm einen Theil des Unterrichts ihrer Kinder und leitete dieselben zur Lectüre an. Schon frühe wandte sich der Knabe gelehrter Bildung zu; im 11. Jahre las er unter Leitung eines Hauslehrers Sallust. Zu Anfang 1799 kehrte die Familie nach Zürich zurück; Kaspar, der nunmehr die höheren Schulen besuchte, konnte bereits 1806 als Geistlicher ordinirt werden. An die Ordination schloß sich – in Gesellschaft eines Jugendfreundes – ein längerer Aufenthalt im Waadtland; einen Monat verweilten die Jünglinge in Iverdon, von Pestalozzi und seinen hervorragendsten Mitarbeitern, namentlich Niederer, in zuvorkommendster Weise aufgenommen und in das Studium der Pestalozzi’schen Gedanken- und Erziehungswelt eingeführt. Die bedrängten ökonomischen Familienverhältnisse Orelli’s bewirkten, daß derselbe nach seiner Rückkehr auf den Wunsch, eine deutsche Hochschule zu besuchen, Verzicht leistete, und die Stelle eines reformirten Predigers in Bergamo annahm, welche er mehr als sechs Jahre lang, 1807–1814, bekleidete.

[412] Schon in Zürich hatte sein lebhafter Geist, angeregt von den Philologen Bremi und J. J. Hottinger, seinem Vetter Konrad O. und dem gelehrten Chorherrn Nüscheler, wie von dem Aesthetiker Joh. Horner, sich auf vielseitige litterarische Studien verlegt, die seinen Geist über den Umfang des von der Schule dargebotenen Wissens bereicherten; mit Leichtigkeit hatte er Französisch, Italienisch, Spanisch gelernt, und „war auf dem Wege, gleichsam eine lebende Litteratur zu werden“; einige Uebersetzungen Pindar’scher Oden veröffentlichte er in der „Isis“. In der Luft Italiens reifte nun sein Geist zu vertieftem Eindringen in die südlichen Classiker alter und neuerer Zeit. „In den italienischen Dichtern“, schrieb er 1808 an seine Eltern, „ist mir eine Welt der höchsten Schönheit aufgegangen, die des Menschen Geist durch Kunst, Phantasie und Ton hervorzubringen vermag“. Bald gestaltete sich in ihm der Plan, die Geschichte der italienischen Litteratur von ihrem Beginn bis auf unsere Zeiten in deutscher Sprache zu schreiben. 1810 erschienen von ihm „Beiträge zur Geschichte der italienischen Poesie“ (2 Hefte). Ganz besonderes Interesse erregte ihm Dante, „der nach meiner Ansicht nach Christus, Johannes, Paulus und Platon die hellsten, kühnsten Blicke in die Tiefen des Unendlichen warf“; 1812 hatte er eine neue kritische Recension der „divina commedia“ sammt Commentar im Manuscript vollendet und im nämlichen Jahre gab er die Biographie Vittorinos von Feltre als eines Vorläufers der idealen Pädagogik heraus. Aber auch den Alten wandte er einen Theil seiner Muße zu. „Ich empfinde ein himmlisches Vergnügen, wenn ich Platons Symposion lese, und, ich darf sagen, studire wie ich selten etwas studirt habe“. Seine erste größere Leistung auf diesem Gebiet war die Herausgabe der vervollständigten Rede des Isokrates über den Vermögensaustausch, der er sechs philologische Briefe beigab, welche kritische Ausführungen über schwierige Stellen antiker Schriftsteller und eine Besprechung Dantes enthalten (1814). Bescheiden nannte er sich in dem Vorwort dieser Schrift, die ihn mit Ehren in die gelehrte Welt einführte, noch einen „Dilettanten“.

1814 wurde O. als Lehrer an die bündnerische Kantonsschule in Chur berufen; er verließ Italien für immer, ohne daß ihm vergönnt gewesen wäre, Florenz oder Rom zu sehen. Es wurde ihm der Unterricht in neueren Sprachen und Geschichte übertragen. „Ich gebe“, schreibt er 1818, „dreißig Stunden in der Schule und sechs nebenbei, außer Correcturen die Hülle und Fülle“. Das hinderte ihn nicht, seine litterarische Thätigkeit fortzusetzen. Noch stand die Beschäftigung mit den Italienern im Vordergrund: es erschienen von ihm kleinere Aufsätze in den „Zürcherischen Beiträgen“ von Hottinger, Stolz und Horner (1815/16), eine Uebersetzung von Foscolos Jacopo Ortis (1816), ein italienisches Lesebuch (1817); doch hatten auch die übrigen Fächer seines Lehramts einigen Antheil an dieser Thätigkeit. Besonders aber war es die Jubelfeier der Reformation (1819), die ihn zu zwei Volksschriften („bündnerisches Reformationsbüchlein“ und „kurze geschichtliche Darstellung der Reformation in der Schweiz und Bünden“) veranlaßte. Ebenso wurden die classischen Studien weiter geführt; in die „Zürcherischen Beiträge“ schrieb er über Euripides, in die „philologischen Beiträge aus der Schweiz“ von Bremi und Döderlein über die Pädagogik des Aristoteles und Aeschylos’ Agamemnon (1819). In ungewöhnlicher Weise wußte er sich dabei durch seine persönliche Wirksamkeit die Achtung des Landes – Bünden schenkte ihm 1816 das Bürgerrecht – und die Liebe seiner Kollegen und Schüler zu erwerben: als er 1819 einem Rufe seiner Vaterstadt folgte, begleiteten sie ihn bis über die Grenze des Kantons nach Ragaz und das Abschiedsfest legte von ihrer begeisterten Verehrung und Anhänglichkeit schmerzliches und erhebendes Zeugniß ab.

[413] Die Wahl Orelli’s nach Zürich (als Professor der Eloquenz und Hermeneutik am dortigen Karolinum), von der studirenden Jugend Zürichs als bahnbrechende That mit allgemeiner Begeisterung begrüßt, führte ihn auf die Höhe seines Wirkens. Mehr und mehr traten nunmehr Arbeiten auf dem Gebiete der altclassischen Litteratur in den Vordergrund; aber auch die andern Studien reiften weiterhin Früchte. Zudem der freigesinnte Theologe, der ideale Politiker, der warmfühlende Patriot, der Freund der Jugend und Volksbildung, der begeisternde Lehrer – sie alle fanden in Orelli’s Wirken und litterarischer Bethätigung ihren Ausdruck; darin liegt eben wol noch mehr als in dem was er als Gelehrter geleistet, Orelli’s Bedeutung, daß er nicht bloß ein Gelehrter war, dem Arbeitskraft und Gedächtniß, Scharfsinn und anspruchsloses Streben nach Wahrheit in ungewöhnlicher Weise eigen gewesen sind, sondern daß in ihm ebenso reich das rein Menschliche und ein auch in der Welt der Gegenwart wirkender Bürgersinn waltete. Nur in kurzen Zügen sei uns gestattet, dieser Vielseitigkeit seines Wesens nachzugehen.

Die warme Begeisterung für das classische Alterthum, die er in sich trug, ergriff unwiderstehlich das Gemüth seiner Zuhörer. „In seiner Erscheinung lag eine so freundliche Majestät, ein solcher Zauber“ – so erzählt ein Nekrolog – „daß sie alle knabenhaften Gelüste weit von sich ferne hielten; wehe dem Schüler, der den geliebten Orelli zu beleidigen gewagt hätte, er wäre mit der Verachtung aller Kameraden gestraft worden! – der Vortrag Orelli’s hatte eine hinreißende Gewalt; sobald er das Katheder bestiegen und das Buch geöffnet, gerieth Alles bei ihm in Leben und Bewegung; die prachtvolle metallene Stimme, die Würde der Sprache, die Lebhaftigkeit der Gesticulation, die kurzen sententiösen, oft witzigen und sarkastischen Bemerkungen dazwischen – alles dieses übte auf den Zuhörer einen Zauber aus, der unwiderstehlich war“. Dazu kam, daß Orelli für die Bestrebungen der Jugend Sinn hatte (1820: „Stimmen über das Turnwesen, gesammelt von J. C. v. O.“), daß ihm die Zeit um tüchtige Schüler durch Privatverkehr zu fördern, nie zu theuer war, daß sie ihn für die Wissenschaft leben und weben sahen. Als in Folge der Bewegung, welche die Berufung von Dr. Strauß 1839 hervorgerufen, Orelli selbst Alles zu wanken schien, sagte die Dankschrift der Studirenden auf die Anrede die er damals an sie gehalten: „Empfangen Sie unsern innigsten Dank, es spricht zugleich das Vaterland, die Wissenschaft, sowie sie in uns lebendig geworden. Nicht weil Sie für Herrn Professor Strauß ihre Stimme gegeben, – denn darüber wären auch die Studirenden nicht einig – sondern weil sie ihn rein um der Wissenschaft willen berufen, empfangen Sie ihn! Denn es hat den Jüngling gefreut, daß Sie ihm freie Wahrheit bieten wollen, und fast noch mehr, daß Sie ihm selbst zugetraut haben, ebenfalls frei zu sein, so daß er zu prüfen und auch zu verwerfen vermöge“.

In der politischen Stagnation der Restaurationszeit war es der Aufstand der Griechen, durch den die freisinnigen Gebildeten des westlichen Europa fast zum ersten Mal die Gelegenheit erhielten sich für Bethätigung ihrer Gesinnungen zu sammeln; O. schloß sich mit Wärme diesen Bestrebungen an und suchte auch litterarisch für die Sache des neu aufstrebenden Hellas zu wirken (1823 „Sammlung der Verfassungsurkunden des befreiten Griechenland“ ; „Ad. Corais politische Ermahnungen an die Hellenen“ von O. übersetzt). Dieser Eifer erwarb ihm das hellenische Bürgerrecht. – Auch in die Helvetische Gesellschaft, die ebendamals (neben der schweizer. Gemeinnützigen Ges.) der Sprechsaal für die freiheitlichen Ideen im schweizerischen Vaterlande wurde, ließ sich O. 1821 aufnehmen; 1822 redete er in derselben „über den geistigen Bildungstrieb der Schweiz in der Gegenwart“, 1824 hielt er als ihr Präsident die Eröffnungsrede, an die [414] sich eine kurze Biographie des Lälius Socinus [WS 1]anschloß (s. Verhandlungen der helv. G.).

Schon 1820 wurde O. zum Mitglied des zürcherischen Erziehungsrathes gewählt. Seiner Initiative verdankte der 1825 gegründete Privatverein für ökonomische Verbesserung der Elementarschule im Kanton Zürich Entstehung und Gedeihen. Zu Ende der zwanziger Jahre bethätigte er sich aufs lebhafteste an den Berathungen der Erziehungsbehörde über den Entwurf eines neuen Schulgesetzes. Da kam in Folge der französischen Julirevolution 1830 die politische Bewegung im Kanton Zürich durch die Volksversammlung von Uster (22. Nov. 1830) zum Durchbruch, die das bisherige Regierungssystem stürzte. Nach einigem Schwanken gelangte O. zu der Ueberzeugung, daß die culturfeindlichen Elemente, die ihm bei der Volksbewegung Bedenken erregt, zurückgehalten werden können, daß die Wortführer der Bewegung im Gegentheil offenes Ohr und warmes Herz für die wahre Bildung des Volkes und die Pflege der Wissenschaft haben, ja daß sein höchster Lieblingsgedanke, die Begründung einer schweizerischen Hochschule durch sie thatkräftige Unterstützung und Verwirklichung finden dürfte, und so schloß er sich von 1831 an mit seiner ganzen Begeisterung und Thatkraft der neuen Richtung an. Wie Th. Scherr bei der Neugestaltung des Schulwesens (Schulgesetz von 1832) für die Ordnung des Volksschulwesens die leitende Persönlichkeit war, so O. bezüglich der höhern Schulen; aus dem Ruinenbau des Carolinums ging im wesentlichen nach seinen und seines Freundes L. Usteri Ideen (1831 „Orelli’s und Usteri’s pädagogische Ansichten“), die neue Organisation der Kantonsschule mit getrennter und ebenbürtiger humanistischer und realistischer Bildungsanstalt hervor und im gleichen Jahre 1833 ward die Hochschule Zürich eröffnet. Das waren nach seinem eigenen Ausdrucke „selige Momente des Schaffens“.

In religiöser Beziehung war O. wesentlich Humanist, Vertreter der religiösen Aufklärung, für sich und Andere wahr, gelegentlich, wo er mystische oder hierarchische Bestrebungen wahrzunehmen glaubte, mit Schärfe entgegentretend (1830: „Bemerkungen über das pädagogische Memorial von Nägeli“; „Freimüthige Ansichten über den Entwurf einer neuen Synodalordnung“), aber mit vollem Sinn für das Ideale der Religion, fähig, auch andern Ueberzeugungen mit Pietät gerecht zu werden (wie dies namentlich seine Ausgabe von Lavaters ausgewählten Schriften 1841–44 zeigt), niemals frivol. Obgleich er auf der Kanzel sich nicht auf die Dauer heimisch gefühlt, blieb ihm doch die theologische Wissenschaft stets ein Gegenstand regen Interesses; auch seine amtliche Stellung in Zürich hing zum Theil mit derselben zusammen, und gern wählte er zum Inhalt seiner Programme für das Carolinum Publicationen aus dem Gebiete der Patristik und Fragen der neutestamentlichen Einleitungswissenschaft. 1821 gab er mit dem Vorkämpfer des schweizerischen Rationalismus, Prof. Schultheß, eine Vertheidigungsschrift der freieren Auffassungsweise heraus („Rationalismus und Supranaturalismus“). Dieselbe Gesinnung führte ihn auch dazu, mit Energie für die Berufung des Dr. Strauß auf den dogmatischen Lehrstuhl der Zürcher Hochschule mitzuwirken, deren Folge der Aufstand vom 6. September 1839 und der Sturz der liberalen Regierung war, mit welchem auch das staatspädagogische Wirken Orelli’s seinen Abschluß fand. Doch ging zu seiner unsäglichen Freude die Hochschule unerschüttert aus diesen Wirren hervor.

Es gehörte eine ungewöhnliche Lust an wissenschaftlicher Arbeit und eine Arbeitskraft wie sie wenige Sterbliche kennen, dazu, neben diesem vielseitigen geistigen Wirken für die Gegenwart – zu dem noch von 1831 an bis zu seinem Tode seine Thätigkeit als Oberbibliothekar der Stadtbibliothek hinzutrat – auf dem Gebiete der Wissenschaft Leistungen hervorzubringen, die einen bleibenden [415] Werth besitzen; und doch sind es vor allem diese letztern, die Orelli’s Namen auf die Nachwelt überliefern. Noch hatte auch in Zürich der Zauber der italienischen Litteratur für O. seine Kraft nicht verloren; Beweis davon sind abgesehen von den Cronichette d’Italia (1822), die Ausgaben der philosophischen Gedichte von Tommaso Campanella[WS 2] (1838), von Tasso’s befreitem Jerusalem (1838) und der Satiren des Ariost (1842). Aber seine Hauptkraft wandte er der altclassischen Philologie zu. Da ist es vor Allem seine große Ausgabe Ciceros in 8 Bänden, welche durch das genaue diplomatische Verfahren, das er in ihr anwandte, seinen wissenschaftlichen Ruf begründete (M. T. Ciceronis opera quae supersunt omnia. Turici 1826–1838). „Die Grundsätze, nach welchen er verfuhr, waren folgende: Erstens wollte er bei den einzelnen Schriften jedesmal die beste kritische Ausgabe zu Grunde legen. Zweitens nahm er sich vor, da wo die gewählte Ausgabe nicht genüge, den Handschriften und ältesten Ausgaben, nur selten den Conjecturen der Bearbeiter, am seltensten seinen eigenen Vermuthungen zu folgen. Drittens ging überhaupt sein Streben vorzugsweise dahin, den auf Handschriften und die ältesten Ausgaben gegründeten Urtext herzustellen. Viertens suchte er die abweichenden Ansichten der hervorragendsten früheren Commentatoren anzugeben. Fünftens setzte er sich vor, von allen übrigen Lesarten und Conjecturen nur diejenigen zu erwähnen, welche entweder um ihrer Wahrscheinlichkeit willen sich empfahlen oder wegen darüber angeregter Erörterungen merkwürdig waren, oder, wenn auch offenbar unrichtig, doch Veranlassung zu glaubwürdigen Verbesserungen gaben oder wenigstens den Beifall eines ausgezeichneten Kritikers fanden“. Die entsprechende Knappheit der textkritischen Beigaben, verbunden mit umsichtiger Auswahl des zum fachlichen Verständniß nothwendigen, bildet auch einen Hauptvorzug der Orellischen Schulausgaben, soweit sie überhaupt mit Anmerkungen versehen sind. Der ersten Ausgabe Ciceros folgte 1845 eine theilweise durchgeführte zweite, in der O. mehr auf die Handschriften als auf die Editionen zurückging, sowie zahlreiche Ausgaben einzelner Werke Ciceros, auch für die Hand des Schülers. Während er noch an Cicero arbeitete, fand er Zeit, in zwei Bänden eine nach sachlichen Gesichtspunkten geordnete „Inscriptionum latinarum amplissima collectio“ (Turici 1828) zu veröffentlichen; auch die „Inscriptiones Helveticae“ gab er gesammelt heraus (1826, 1844). – Der zweite Schriftsteller, für dessen Verständniß er Hervorragendes geleistet, ist sein Lieblingsdichter Horaz (Qu. Hor. Flaccus rec. J. C. O. Turici 2 vol.; ed. major 1837–1838, 2. Aufl. 1843, 3. Aufl. 1850, 1852; ed. minor 1838; 2. Aufl. 1843–44, 3. Aufl. 1851–52). Ihm folgte auf dem Fuße nach die von Baiter, (Orelli’s Schüler, der schon bei den letzten Bänden Ciceros mitgearbeitet), O. und Winkelmann besorgte Herausgabe des Plato (Platonis opera omnia, Turici 1839–1841) mit anschließenden Textausgaben für den Schulgebrauch, und endlich, wieder unter Mitarbeit Baiter’s, Tacitus (C. Corn. Taciti opera quae supersunt rec. atque interpretatus est J. C. O. Turici 1846–48 2 vol.), mit Textausgabe für den Schulgebrauch. Neben diesen Hauptwerken seien nur erwähnt die Ausgaben der Theogonie des Hesiod (1836), der Elegeia des Theognis (1840), der Fabeln des Babrius (1845); des Sallustius (Schulausgabe 1840), des Vellejus Paterculus (1835), der Fabeln des Phädrus (1831, 1832), der Briefe des Plinius (1832, 1833, 1838), der eclogae poetarum Latinorum (Schulausgabe 1822, 1833). Schon 1827 ward O. von der Hochschule Basel zum Doctor der Philosophie ernannt; eine Reihe von Ehrenbezeugungen gelehrter Corporationen folgten; so wurde er zum correspondirenden Mitglied der Akademieen der Wissenschaften von München (1834), Berlin (1836) und Wien (1848) erwählt. Es war O. vergönnt, noch fast ein Jahrzehnt über das für sein öffentliches Wirken so verhängnißvolle [416] Jahr 1839 seine Wirksamkeit als Lehrer an Hochschule und Gymnasium, wie seine wissenschaftliche Thätigkeit fortzusetzen. Die geistige Kraft blieb ihm treu; die physische nahm allmählich ab. O. erfreute sich eines glücklichen Familienlebens; der Tod seines einzigen Sohnes 1836 gab seiner Gesundheit den ersten Stoß, 1844 zwangen ihn Schwindelanfälle, für einen Theil seiner Unterrichtsverpflichtungen am Gymnasium sich durch einen Vicar Erleichterung zu verschaffen. 1847 bildete sich ein Halsübel bei ihm aus, das zwar über den Sommer 1848 nachzulassen schien, mit dem Eintritt der rauhen Jahreszeit aber unter heftigen Stickanfällen zurückkehrte; am 6. Januar 1849 entschlummerte er sanft. Gattin und Tochter überlebten ihn. Die Leichenfeier zeigte, daß seine Vaterstadt den Verlust fühlte, der sie durch den Heimgang Orelli’s betroffen; in tief ergreifender Weise gab ein Schüler Orelli’s (H. Schweizer), Namens der Hochschule den Gefühlen des Schmerzes, wie des Dankes für das, was O. seinen Mitbürgern und der Wissenschaft gewesen, Ausdruck („Worte am Grabe J. C. v. Orelli’s, Zürich 1849). Mehrere eingehende Nekrologe folgten: in der „Eidgenössischen Zeitung“ 1849, Nr. 8 u. 9 (von J. B. Spyri), in der „Neuen Zürcher Zeitung“ als Extrabeilage von Nr. 28 (H. Schweizer); in der „Neuen illustrirten Zeitschrift für die Schweiz“; im Schweizerischen Beobachter („Erinnerung an J. C. v. O.“ von Ludwig von Sinner, auch separat). Die Bibliothèque universelle de Genève brachte in den Heften des Juni bis August 1849 aus der Feder von J. Adert einen „essai sur la vie et les travaux de Jean Gaspard d’Orelli“, der auch im Separatabdruck (Genf 1849, 83 Seiten) erschienen ist; die biographischen Angaben sind nicht immer genau; dagegen ist ein annähernd vollständiges Verzeichniß der Publicationen Orelli’s beigegeben. Sehr sorgfältig gearbeitet ist das „Leben Joh. Caspar Orelli’s“ im Neujahrsblatt der Stadtbibliothek Zürich 1851 (Verfasser: Orelli’s jüngerer Bruder, Prof. Konrad O.). Kurze Biographien: Galerie Suisse (von Secretan) Tome III, les contemporains, Lausanne 1880, p. 268 bis 283; Hunziker, Geschichte der schweiz. Volksschule, Bd. III 1882, S. 18 bis 24; Galerie berühmter Schweizer, herausgegeben von Hartmann. Baden 1868–71. Nr. 79. Eine O. allseitig und in seinen gelehrten Arbeiten fachmännisch beurtheilende Biographie wird von einem Schüler Orelli’s vorbereitet.

Fünf und zwanzig Jahre nach Orelli’s Tod wurde seine Marmorbüste in der Aula des Eidgen. Polytechnikums und der Hochschule in Zürich feierlich aufgestellt; dabei war es dem Manne, der einst an Orelli’s Grabe gesprochen, vergönnt, auch der gegenwärtigen Generation das Bild seines Lehrers mit ungeminderter Gluth der Begeisterung zu zeichnen. (H. Schweizer-Sidler, Gedächtnißrede auf J. C. O., Zürich 1874.)


Anmerkungen (Wikisource)

  1. Lelio Sozzini, (1525–1562), unitarischer Theologe und Mitbegründer des Sozinianismus.
  2. Tommaso Campanella (1568–1639), italienischer Philosoph, Dominikaner, Dichter und Politiker.