ADB:Oppenhoff, Friedrich
Ribbentrop, Göschen und Savigny waren seine Lehrer für das Römische Recht); seit 1838 Assessor, erhielt 1841 eine etatsmäßige Assessorstelle beim Landgericht in Aachen; wurde 1844 als Assessor an den Appellationsgerichtshof zu Köln berufen und in demselben Jahre zum Staatsprocurator in Aachen ernannt. Seine außergewöhnliche Begabung, sein durchdringender Verstand und eine staunenswerthe Arbeitsfähigkeit machten ihn alsbald bemerklich. Im J. 1848 erging an ihn als einen der hervorragendsten rheinischen Juristen der Ruf, an gesetzgeberischen Arbeiten in Hannover theilzunehmen, wo unter dem Einfluß der neuzeitlichen Ideen eine durchgreifende Umgestaltung der ganzen Proceßgesetzgebung nach dem Vorbild des in der Rheinprovinz in Geltung gebliebenen französischen Proceßrechts beschlossen worden war. Im Civilproceß sollten Mündlichkeit und Unmittelbarkeit, in Strafsachen an Stelle des Untersuchungsprocesses Anklageproceß mit Oeffentlichkeit und Mündlichkeit, und Geschworenengericht zur Durchführung kommen. O. unterzog sich mit dem größten Eifer der bedeutungsvollen Aufgabe, die mit seiner Beiordnung zu der hannöverschen Justizcommission, der außer ihm die hannöverschen Ministerialräthe Bacmeister, Schmidt und Leonhardt (der spätere preußische Justizminister), und als Leiter der Ministerialvorstand v. Düring angehörten, für ihn als den Vertreter der den außerrheinischen Juristen damals fremden, später zu allgemeiner Anerkennung in Deutschland gelangten modernen Rechtsgedanken gegeben war. Er arbeitete den Entwurf einer Strafproceßordnung aus, der mit einigen Aenderungen von der Commission und demnächst von den Ständen angenommen und zum Gesetz erhoben wurde. Gleichzeitig war er an den Vorarbeiten für die Civilproceßordnung betheiligt, deren Beendigung er jedoch nicht abwartete; für die Ausgestaltung dieses wegen seiner Vorbildlichkeit für die spätere Reichscivilproceßordnung bemerkenswerthen gesetzgeberischen Werkes waren seine grundlegenden Arbeiten und seine Thätigkeit im Schoße der Commission von wesentlicher Bedeutung. Nach Ablauf des ihm von der preußischen Justizverwaltang ertheilten einjährigen Urlaubs kehrte O. in seine frühere amtliche Wirksamkeit zurück, indem er das Angebot zum definitiven Uebertritt in den hannöverschen Staatsdienst aus Liebe zur Heimath ausschlug. Er wurde alsdann 1850 zum Oberprocurator in Trier ernannt, 1853 zum Oberstaatsanwalt beim Obertribunal in Berlin. In dieser Stellung bei dem höchsten Preußischen Gerichtshof, dem gerade damals, nach dem Inkrafttreten des Preußischen Strafgesetzbuchs und der Preußischen Strafproceßgesetze vom 2. und 14. Mai 1852, die wichtige Aufgabe, eine dem Geiste dieser Gesetze entsprechende Gerichtspraxis heranzubilden, oblag, entfaltete O. 22 Jahre hindurch eine bedeutende, erfolgreiche Wirksamkeit, mit welcher eine fruchtbare litterarische Thätigkeit auf strafrechtlichem Gebiet Hand in Hand ging. Seiner unerschöpflichen Arbeitskraft verdankt die Strafrechtswissenschaft eine Reihe von Werken, die den Bedürfnissen der Praxis in vorzüglicher Weise dienend [709] und die Praxis besser mit der Wissenschaft in Berührung bringend, großen Einfluß auf die Rechtsprechung in Preußen und demnächst auch im Deutschen Reiche gewannen, und zugleich dazu beitrugen, der Rechtsprechung, durch ausgiebigste Verwerthung der Gerichtserkenntnisse für die Wissenschaft, den ihr gebührenden Rang in der Litteratur und einen größeren Antheil an der Rechtsentwicklung zu geben. Im J. 1856 gab O. den Commentar zum Preußischen Strafgesetzbuch heraus, der alsbald das Leitbuch für die Praxis wurde und bis 1870 sechs Auflagen erreichte. 1860 erschien sein Commentar zu den Preußischen Gesetzen über das mündliche und öffentliche Verfahren in Strafsachen. Um dieselbe Zeit begann er die Herausgabe der Urtheilssammlung: „Rechtsprechung des Preußischen Obertribunals in Strafsachen“, und eröffnete damit eine fortlaufende reiche Quelle zur Erläuterung des materiellen wie des formellen Strafrechts. 1871 folgte dem Commentar zum Preußischen Strafgesetzbuch der für die Deutsche Strafrechtspflege hochbedeutsame, vornehmlich durch klare und scharfe Formulirung der Begriffe ausgezeichnete „Commentar zum Reichsstrafgesetzbuch“. In allen diesen Arbeiten ist O. durch die Uebersichtlichkeit der Anlage und die gedrängte Behandlung des Stoffes vorbildlich geworden.
Oppenhoff: Friedrich Christian O., bedeutender Jurist, geboren zu Recklinghausen i. W. am 28. December 1811, † am 14. December 1875 als Oberstaatsanwalt beim Obertribunal in Berlin, Ehrendoctor der Universität Bonn (1868); O. entstammt einer rheinischen Juristenfamilie (der Vater Karl Joseph O., Landgerichtspräsident in Cleve, † 1843, der Großvater Theodor Oppenhoff, kurkölnischer Procurator und Notar in Bonn, † 1804), besuchte das Gymnasium in Cleve, die Universitäten Göttingen, Bonn und Berlin (Oppenhoff’s Wirksamkeit beschränkte sich aber nicht auf das strafrechtliche Gebiet; seine Stellung beim Obertribunal gab ihm Gelegenheit, auch in Civilsachen, soweit rheinisches und gemeines Recht in Betracht kam, thätig zu sein; seine Conclusionen in Civilsachen, von denen einige, nachher weiter ausgearbeitet, zur Veröffentlichung kamen (Brassert, Zeitschr. für Bergrecht XII, 18 ff., Striethorst Archiv 38, S. 16 ff.), waren Meisterstücke der Behandlung grundlegender Rechtsfragen. – Die sechziger Jahre riefen ihn von neuem zu gesetzgeberischem Wirken, als die Frage der endlichen Durchführung einer einheitlichen, auf moderner Grundlage beruhenden Justizgesetzgebung in allen deutschen Staaten auf Erfüllung drängte; von 1861–1864 war er als Mitglied der Preußischen Justizcommission mit Pape und Kühne unter dem Vorsitz des Obertribunalspräsidenten Bornemann mit der Ausarbeitung einer Civilproceßordnung betraut. Das Ergebniß der Arbeiten, der im J. 1864 mit Motiven veröffentlichte, infolge der kriegerischen und politischen Ereignisse der Jahre 1864 und 1866 jedoch nicht weiter verfolgte „Preußische Entwurf“, der sich noch mehr als die im J. 1848/1849 von O. mitinspirirte hannöversche Proceßordnung an das französische Civilproceßrecht anschloß, dessen Grundprincipien aber folgerichtiger als dieses selbst und mit großer Feinheit durchführte, bildete beim Ausbau der Reichscivilproceßordnung ein werthvolles, neben der in erster Linie zu Grunde gelegten hannöverschen Proceßordnung vielfach berücksichtigtes Material. Die Justizgesetzgebung vollendet zu sehen, war ihm nicht vergönnt, da er 1875 im 64. Lebensjahre aus regster Schaffensthätigkeit durch den Tod abgerufen wurde, nachdem er seit 1865 im Nebenamte ständiges Mitglied der Justizprüfungscommission, und kurze Zeit auch parlamentarisch, als Reichstagsabgeordneter für Neuß-Grevenbroich (1870), thätig gewesen war.
O. wirkte nicht nur durch seine amtliche und litterarische Thätigkeit, sondern auch durch seine achtunggebietende und dabei ungewöhnlich anregende Persönlichkeit; ein Mann von überragendem Geist und vielseitiger Bildung, das Muster eines Beamten durch Rechtlichkeit und Uneigennützigkeit des Strebens, sowie peinlichste Gewissenhaftigkeit, dabei von heiterster Laune und liebenswürdigem Humor.
Unter den vielfachen Anregungen, die die Rechtsprechung von ihm empfangen hat, geht die bedeutendste auf den Commentar zum deutschen Strafgesetzbuch zurück. Die großen Schätze dieses Werkes sollten nach Oppenhoff’s [710] Tode der Allgemeinheit nicht verloren gehen; in der Person von Oppenhoff’s jüngerem Bruder, Theodor Franz O., damals Oberprocurator in Aachen, erstand für die weiteren Auflagen von der 5. ab ein Bearbeiter, der es verstand, das Werk im Geiste des Verfassers fortzuführen und dauernd auf der Höhe seines Werthes und Einflusses zu erhalten.
Theodor Franz Oppenhoff, geboren am 7. Januar 1820 zu Mülheim a. Rh., † in Aachen am 2. December 1899 (Gymnasium Cleve, Universitäten Bonn und Berlin), Assessor und Staatsprocurator in Aachen, von 1868 ab Oberprocurator, von 1883 ab Landgerichtspräsident daselbst, gleich seinem Bruder Ehrendoctor der Universität Bonn, war ein hervorragender Jurist und hochangesehener Beamter, der innerhalb des im Vergleich zu der Wirksamkeit des Bruders engeren Kreises, in dem sein Leben sich bewegte, wegen seiner vortrefflichen Geistes- und Herzenseigenschaften allenthalben die größte Werthschätzung und Verehrung genoß; er ist in der Rechtslitteratur nicht nur als Bearbeiter des Strafgesetzbuchcommentars, von dem er 9 Auflagen, die 5. bis 13., herausgab, sondern auch als Verfasser zweier namhafter Werke, des „Commentars zu den Gesetzen über die Ressortverhältnisse zwischen den Gerichten und den Verwaltungsbehörden in Preußen“ (Berlin 1883, in einer zweiten Auflage 1904 bearbeitet von Joseph Oppenhoff, Landrichter in Cleve), und des „Commentars zum Preußischen Berggesetz“ (Berlin 1870) bekannt.