ADB:Miller, Johann Peter (evangelischer Theologe)

Empfohlene Zitierweise:

Artikel „Miller, Johann Peter“ von Julius August Wagenmann in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 21 (1885), S. 749–750, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Miller,_Johann_Peter_(evangelischer_Theologe)&oldid=- (Version vom 22. Dezember 2024, 11:07 Uhr UTC)
Allgemeine Deutsche Biographie
>>>enthalten in<<<
[[ADB:{{{VERWEIS}}}|{{{VERWEIS}}}]]
Band 21 (1885), S. 749–750 (Quelle).
[[| bei Wikisource]]
Johann Peter Miller (Theologe, 1725) in der Wikipedia
Johann Peter Miller in Wikidata
GND-Nummer 117577979
Rohdaten, Werke, Deutsche Biographie, weitere Angebote
fertig
Fertig! Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle Korrektur gelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
Kopiervorlage  
* {{ADB|21|749|750|Miller, Johann Peter|Julius August Wagenmann|ADB:Miller, Johann Peter (evangelischer Theologe)}}    

{{Normdaten|TYP=p|GND=117577979}}    

Miller: Johann Peter M., lutherischer Theolog und Pädagog des 18. Jahrhunderts, geb. den 26. April 1725 zu Leipheim bei Ulm, † den 29. Mai 1789 in Göttingen. – Nachdem er den ersten Unterricht von seinem Vater Johann Michael Miller[WS 1], Prediger in Leipheim, später in Ulm († 1747, s. Weyermann, Neue Nachrichten von Ulmischen Gel. S. 332) erhalten, besuchte er das Ulmer Gymnasium, an welchem damals sein gleichnamiger Onkel J. P. Miller (geb. 1705, † 1781), ein ausgezeichneter Philolog, Historiker und Pädagog die Stelle eines Subrectors bekleidete. Nach Vollendung der Gymnasialstudien bezog er, 20 Jahre alt, die Universität Helmstädt, wo er 1745–1747 Philologie, Philosophie und Theologie studirte und besonders an den Theologen J. L. von Mosheim sich anschloß. Mit diesem ging er 1747 als Hauslehrer seiner jüngeren Kinder nach Göttingen, wurde hier 1748 Magister, 1751 als Rector an die Schule zu Helmstädt, 1756 aber in gleicher Eigenschaft an das Gymnasium zu Halle berufen. Nachdem er hier 10 Jahre lang im Segen gewirkt, folgte er 1766 einem Ruf als ordentlicher Professor der Theologie an die Universität Göttingen, wo er (unter Ablehnung eines an ihn ergangenen ehrenvollen Rufes zum Oberconsistorialrath und Director des Grauen Klosters in Berlin) 23 Jahre lang mit großem Beifall und Erfolg wirkte, bis er am 26. Mai 1789 auf dem Katheder inmitten seiner Schüler vom Schlage getroffen wurde, der seinem Leben nach wenig Tagen ein Ende machte. Seine Vorlesungen umfaßten Dogmatik, Moral, Polemik, Pastoraltheologie, Einleitung in die theologische Litteratur, theilweise auch Erklärung des Neuen Testamentes; auch leitete er katechetische Uebungen der Studirenden im Göttinger Waisenhaus, um dessen Verwaltung er sich als geübter Pädagog und aufrichtiger Kinder- und Armenfreund große Verdienste erwarb. Auch seine fruchtbare und umfassende litterarische Thätigkeit bewegte sich meist auf denselben Gebieten. – Als pädagogischer Schriftsteller machte er sich verdient durch seine „Chrestomathia latina“, die in den Jahren 1755–80 sechs Auflagen erlebte; ferner durch seine gern gelesenen „Historisch-moralischen Schilderungen“, 1753–64, 2. Aufl. 1781–89 in 5 Theilen; durch seine „Erbaulichen Erzählungen der biblischen Geschichten“, 1759–85 in 4 Auflagen erschienen und ins Schwedische und Finnische übersetzt; endlich durch seine „Grundsätze der Erziehungskunst“, Göttingen 1769 und 1771, wie er denn auch zu den Ersten gehörte, welche Vorlesungen über Pädagogik an einer deutschen Universität gehalten haben. – Unter seinen theologischen Schriften sind es besonders seine Arbeiten auf dem Gebiete der Moral, durch die er sich einen Namen gemacht hat: und zwar zuerst seine Fortsetzung von Mosheim’s Sittenlehre der h. Schrift, Theil 6–9, 1762–70; dann sein Auszug aus allen neun Theilen der Mosheim’schen Sittenlehre, 1763 und 77, auch ins Schwedische, Dänische, Holländische übersetzt; seine „Einleitung in die Moral“, 1772, „Lehrbuch der Moral“, 1774 und viele kleinere Abhandlungen über verschiedene ethische Fragen und Begriffe. Im Vergleich mit Mosheim hat er mehr gelehrtes Beiwerk, steht aber an Originalität wie an Formvollendung hinter ihm zurück. Aber auch Lehrbücher der Dogmatik, der Polemik, Anweisungen zur Wohlredenheit, zur Katechisirkunst, zur theologischen Bücherkunde, Kirchengeschichtliches, Schriften über Armenwesen und Mission („De eo, quod circa curam pauperum observandum est“, 1749, „De missionibus pie sapienterque regundis“, 1787) hat der fleißige und vielseitig interessirte Mann geschrieben, hat eine Sammlung von kleineren Schriften und Reden Mosheim’s besorgt, hat mit seinem Collegen Leß ein Gesangbuch herausgegeben (1779) und Beiträge zu verschiedenen Zeitschriften geliefert. [750] Miller’s theologischer Standpunkt ist der einer moderirten, toleranten, theilweise schon stark zum Latitudinarismus und Rationalismus sich neigenden Orthodoxie; er selbst will orthodox sein in der Ethik wie in der Dogmatik (vgl. seine Schrift „De orthodoxia cum dogmatica tum ethica conjugenda“, 1766); aber er erklärt offen, auch ein heterodoxer Theolog könne dennoch ein guter gläubiger Christ sein; denn der Sinn des Evangeliums sei sanftmüthig und nachsichtig; die dogmatische Lehrform könne nicht unveränderlich sein, jedes Menschenalter fordere ein neues System. Ja er ging in seiner Toleranz und Humanität soweit, daß er in seiner Moral die häufige Anwendung der Todesstrafe nicht billigte, in seiner Dogmatik aber sich offen zu der Ansicht bekannte, daß tugendhafte Heiden, wie Sokrates, Epictet, Antonin etc. „wohl schwerlich ewig verdammt sein können“. Aber nicht blos in der Wissenschaft, sondern auch in seinem Leben bethätigte er seinen milden und duldsamen, liberalen und liebenswürdigen Sinn (vgl. seine Rede „De theologo amabili“ 1768), war überall zum Rathen, Helfen und Wohlthun bereit, ein treuer und uneigennütziger College (wie er denn z. B. selbst kinderlos, eine ihm zugedachte Gehaltserhöhung einem kinderreichen Collegen zuwandte, seine Honorarien der Wittwenkasse schenkte etc.), ein echter Studentenvater und „Candidatenmakler“, wie man ihn nannte, freigebig gegen Arme und Armenanstalten, denen er auch testamentarisch einen Theil seines Vermögens zuwandte.

Vgl. über sein Leben Weyermann, Nachrichten von Ulmischen Gelehrten, Ulm 1798, S. 404 ff.; Hirsching, Hist.-lit. Handbuch V, 17 ff.; H. Döring, Gel. Theol. II, 536 ff.; Meusel’s Lexikon IX, 178 ff.; Pütter-Salfeld, Göttinger Gel.-Geschichte II, 118 ff.; III, 61 (wo auch ein vollständiges Verzeichniß seiner 63 Schriften und Programme). Ueber seinen theologischen Standpunkt vgl. Gaß, Gesch. der prot. Dogmatik IV, 183; G. Frank, Gesch. der prot. Theol. III, 119; über seine Moral Wuttke, Ethik I, 238; über seine Verdienste um die Pastoraltheologie Palmer in der theol. Real.-Enc. XI, 178 ff.


Anmerkungen (Wikisource)

  1. Gemeint ist Johann Martin Miller (1693–1747). Johann Michael Miller (1722–1774) war ein älterer Bruder des hier behandelten Johann Peter Miller.