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Artikel „Mieg, Johann Kasimir“ von Friedrich Wiegand in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 52 (1906), S. 397–398, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Mieg,_Johann_Kasimir&oldid=- (Version vom 26. Dezember 2024, 04:43 Uhr UTC)
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Mieg: Johann Kasimir M., der Enkel von Johann Friedrich M. und zweite Sohn von Ludwig Christian M., wurde am 6. October 1712 zu Heidelberg geboren, studirte zu Heidelberg, Zürich und Bern, hörte nach dem theologischen Examen noch Kirchmeyer und Christian Wolff in Marburg und beschloß seine Studien in Halle. Da er auch von mütterlicher Seite her – sein andrer Großvater war der Theologe Reinhold Pauli in Marburg – einer Professorenfamilie entstammte, so sah er sich überall, wohin er kam, von Verwandten und Freunden seines Hauses wissenschaftlich gefördert und bequem weiter empfohlen. Kein Wunder, daß dem Einundzwanzigjährigen schon 1733 ein Extraordinariat für Philosophie in Herborn erblühte, das sich trotz großen Widerstandes schon binnen Jahresfrist in ein Ordinariat verwandelte. M., der zu unruhiger Vielseitigkeit neigte, hatte natürlich, der Familientradition folgend, sich das Hebräische als sein Specialfach ausersehen. Dieser Disciplin galten die beiden ersten Arbeiten in Herborn, die Dissertation „Constitutiones servorum tam in genere quam Hebraeorum in specie“ und das ausführlichere Werk „Constitutiones servi Hebraei ex scriptura et Rabbinorum monumentis collectae nec non cum ceterarum gentium consuetudinibus hinc inde collatae 1735“, eine gelehrte Untersuchung über Entstehung und Beurtheilnng des Sklavenwesens im jüdischen und heidnischen Alterthum wie unter den Christen. Indessen erwiesen sich die in Marburg empfangenen philosophischen Eindrücke sehr bald stärker als die philologischen Traditionen. M. ist dadurch interessant, daß er als erster dem Wolffianismus unter den reformirten Pfarrern Bahn zu brechen suchte. In dieser Absicht schrieb er rasch hinter einander die drei Dissertationen „Prologus meditationum de differentia eruditionis scholasticae et aulicae sive prima scientiarum elementa“ 1736; „Demonstratio philosophica hominem objectum scientiae nostrae inprimis practicae sistens“ 1737; „Demonstratio secunda genuinam speculationum et intellectus humani notionem exhibens“ 1738. Dabei konnte er, nervös und übereifrig wie er war, es nicht unterlassen, in der Dissertation von 1737, die dem Meister selbst gewidmet ist, zugleich dessen Gegner Joachim Lange in Halle einen höhnischen Hieb zu versetzen. M. hat diese unnütze Schärfe später wieder bereut, denn auch der philosophischen Fahne blieb er nicht dauernd treu. Eigene Krankheit und traurige Erfahrungen in der Familie brachten den körperlich [398] zarten, seelisch empfindsamen und wie es scheint geistig überreizten Gelehrten in allerlei Skrupel. In dieser Verfassung trat er pietistischen Freunden näher, in deren Mitte sich seine Lebensauffassung allmählich wandelte und auch seine Neigungen wechselten. Aus dem Philosophen der Wolff’schen Schule wurde ein praktischer Theologe, der es als eine glückliche Fügung begrüßte, daß er durch einen Ruf als Pfarrer nach Lingen der wissenschaftlichen Sorgen überhoben wurde. Er führte sich hier 1743 mit einer Rede „De primaeva theologiae christianae perfectione et antiqua ejus simplicitate“ und mit einer Predigt über Ps. 115, 1 ein. Nur mit gemischten Gefühlen sah er jetzt auf die Zeit zurück, da er sich mit den „klugen Fabeln“ abgegeben hatte; er wollte fernerhin der Philosophie nur eine formelle Bedeutung für den Christen zugestehen und nach Möglichkeit vor ihrem Mißbrauch warnen. Mieg’s schriftstellerische Arbeit wächst fortan aus dem christlichen Freundschaftsverkehr wie aus der praktisch-kirchlichen Arbeit hervor. So fallen in die Lingener Zeit eine „Commentatio theologico-practica de veritate in praecordiis objecta εὐαρεστίας divinae ad Ps. 51, 8“ (1749) und die „Primae lineae de ministerio verbi in spiritu et veritate. 2 Partes“ (1751/52). Auch gab er 1751 „Drei Predigten des holländischen Pfarrers Dav. Brüning über die Fragen 20–23 des Heidelberger Katechismus“ mit Anmerkungen heraus und fühlte sich verpflichtet, zur selben Zeit in einem gedruckten Wochenblatt „seinen kurzen Glaubensgrund nach seiner dermaligen Verfassung“ zu erkennen zu geben an der Hand einer Paraphrase von Ps. 130, 4. 5 und Phil. 3. So hatte M. im pietistischen Christenthum seine Ruhe und einen harmonischen Ausgleich seiner widerspruchsvollen Natur gefunden, als er 1757 abermals einen Ruf nach Herborn erhielt, diesmal als Professor der Theologie und erster Pfarrer. In Herborn ist er dann auch am 28. September 1764 an der Schwindsucht gestorben.

Joh. Christoph Strodtmann, Das neue gelehrte Europa, II (1753), 291–306. – Strieder, Grundlage zu einer hessischen Gelehrten- und Schriftstellergeschichte, IX (1794), 49.