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Artikel „Mielck, Wilhelm“ von Edward Schröder in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 52 (1906), S. 398–400, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Mielck,_Wilhelm&oldid=- (Version vom 18. April 2024, 18:59 Uhr UTC)
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Mielck: Wilhelm Hildemar M., Apotheker und Kenner der niederdeutschen Sprache, wurde geboren zu Hamburg am 17. October 1840 und ist dort gestorben am 16. März 1896. Er entstammte einer evangelischen Familie Holsteins, in der seit drei Jahrhunderten die Pflege des historischen Sinnes lebendig war und das Plattdeutsche als Familiensprache festgehalten wurde. Der Großvater und Urgroßvater waren Pastoren, der Vater war als Apotheker nach Hamburg übergesiedelt. Seinem Berufe wandte sich auch der Sohn zu, nachdem er vier Jahre die Realschule des Johanneums besucht hatte. Die Lehrzeit verbrachte er in der Vaterstadt, ein erstes Gehilfenjahr in der väterlichen Officin. Nach einer weiteren vierjährigen Thätigkeit in Rußland bezog er 1866 die Universität Göttingen, vertauschte dies für zwei Semester mit Heidelberg und brachte dann an der Georgia Augusta mit dem Apothekerexamen und der Promotion sein Studium rühmlich zum Abschluß. Im November 1875 übernahm er vom Vater, nachdem er ihm siebenthalb Jahre zur Seite gestanden hatte, selbständig die väterliche Apotheke, die er zu hohem Flor brachte. Unablässig um seine fachwissenschaftliche Fortbildung bemüht, hat er die Pharmacie als Praktiker und Gelehrter nicht unrühmlich bereichert: besonders werden seine Leistungen für die Therapie der Hautkrankheiten geschätzt. Daneben war seine Thätigkeit den öffentlichen Angelegenheiten und gemeinnützigen Bestrebungen, den Bildungssinteressen und insbesondere der Pflege der historischen Erinnerungen seiner Vaterstadt andauernd zugewandt. [399] Seit 1885 gehörte er dem Vorstand des Vereins für Hamburgische Geschichte an, der ihm die wichtigsten und folgereichsten Anregungen verdankt; vor allem geht die Gründung eines historischen Museums auf ihn zurück, von dem er selbst wesentliche Theile zusammengebracht, geordnet und aufgestellt hat. Für diese historischen und auch für seine sprachlichen Interessen hoffte er mehr freie Zeit zu finden, seitdem er zu Anfang 1895 sich in der Leitung seiner Apotheke entlastet hatte. Aber wenig mehr als ein Jahr darauf raffte ein Gehirnschlag den Fünfundfünfzigjährigen hinweg.

So ist von den Studien, die er von Jugend auf in allen Mußestunden mit besonderer Liebe getrieben hatte, von den niederdeutschen Sprachstudien nicht eben viel ans Licht getreten. Schon der zwanzigjährige Apothekergehilfe hatte sich redlich mit der Grammatik des Stormarisch-Hamburgischen Dialekts abgequält und ein paar Capitel einer Darstellung dieser Mundart höchst ernsthaft ausgearbeitet; der Student der Pharmacie holte sich in germanistischen Vorlesungen zu Göttingen und Heidelberg besseres Rüstzeug, als es das private Studium der Werke Jacob Grimm’s dem Autodidakten hatte bieten können, und der Hamburger Apotheker wurde eines der eifrigsten Mitglieder eines germanistischen Kränzchens, aus dem am 25. September 1874 der „Verein für niederdeutsche Sprachforschung“ hervorging, nicht zum wenigsten durch den treibenden Eifer Mielck’s, dem der deutsche Philologe Christoph Walther und der hanseatische Historiker Karl Koppmann zur Seite standen. M. schrieb damals eine kleine programmatische Schrift „Ueber Dialektforschung im Niederdeutschen“, die im Niederdeutschen Jahrbuch, Bd. 21, S. 13–16, wieder abgedruckt ist. Bei der endgiltigen Constituirung des Vereins übernahm er 1875 das Amt des Cassirers und die Redaction des „Correspondenzblattes“, zu dem er selbst die Idee angegeben hatte. Durch zwanzig Jahre hat er, bis zu seinem Tode, beide Aemter musterhaft ausgefüllt; er hat die meiste Arbeit für den Verein gethan, als dessen Seele er eigentlich allen erschien, die bei den Jahresversammlungen die Bekanntschaft des grundtüchtigen und ehrlich bescheidenen Mannes machen durften. Daß das „Correspondenzblatt“, obwol als ein Sprechsaal für alle Freunde der niederdeutschen Sprache von vornherein gedacht, nicht zum bloßen Spielplatz der Dilettanten wurde, das ist in erster Linie Mielck’s Verdienst, der ganz ohne Prätension, mit der Miene des Dilettanten, doch bei allen seinen zahlreichen Beiträgen und in allen Anregungen und Rundfragen, die er ergehen ließ, den sichern Takt des Gelehrten, ja des Philologen zeigte. Diese seine eigene Beisteuer bestand einmal darin, daß er der Sammlung und der Discussion bestimmte Gebiete und Objecte wies, und dann in kleinen und größeren Gaben, die stets reifliches Nachdenken und nicht selten eine respectable Gelehrsamkeit verriethen. Das gilt insbesondere auch für seine Arbeiten zur Volksliederkunde, wie die Untersuchung über die zahlreichen Versionen und das Verbreitungsgebiet des sog. „Verwunderungsliedes“ (Bd. II, Nr. 1). Er war ein ausgezeichneter Kenner des Volks- und Kinderliedes, besonders auf niederdeutschem Boden; so verdanken wir ihm auch die Ausgabe der „Niederdeutschen Liederbücher von Uhland und de Bouck“, die als Heft 1 einer geplanten größeren Sammlung „Niederdeutsche Volkslieder“ 1883 herauskam. Ein weiteres Specialgebiet war der technische Wortschatz der verschiedensten Gewerbs- und Berufszweige. Die Anregung zur Sammlung des heimischen Sprachgebrauchs unter diesem Gesichtspunkt, die M. und sein Redactionscollege Koppmann nachdrücklich ausgehen ließen, hat leider nicht allzuviel Erfolg gehabt. Mielck’s eigne Musterarbeit, „Die niederdeutsche Sprache des Tischlergewerks in Hamburg und Holstein“ (Niederdeutsches Jahrbuch I, 72–92) wurde kaum wieder erreicht. [400] Ganz besonders aber war es die technische und volksthümliche Sprache des eigenstens Berufes, der er nachging: er erstrebte eine Geschichte der pharmaceutischen und botanischen Terminologie und gab reichliche Proben seines Wissens und seiner Studien, die hier auf die handschriftlichen Arzneibücher des Mittelalters zurückgriffen, sowol im „Correspondenzblatt“ wie im „Jahrbuch“ (Bd. 2 und 4). Mielck’s früher Tod hat auch diese Arbeiten, zu denen er eine ausgezeichnete Verbindung alles nöthigen Wissens und dazu Akribie und strenge Gewissenhaftigkeit mitbrachte, Stückwerk bleiben lassen.

Chr. Walther im Jahrbuch d. Vereins für niederdeutsche Sprachforschung, Bd. 21, S. 1–12 (wo auch auf einen Nachruf im Internationalen Pharmaceutischen Generalanzeiger 1896 verwiesen wird.