ADB:Marcus, Adalbert Friedrich

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Artikel „Marcus, Adalbert Friedrich“ von August Hirsch in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 20 (1884), S. 306–307, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Marcus,_Adalbert_Friedrich&oldid=- (Version vom 21. November 2024, 21:19 Uhr UTC)
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Marcus: Adalbert Friedrich M., Arzt, einer jüdischen Familie entsprossen, ist 1753 in Arolsen geboren. Er hatte in Göttingen, besonders unter Baldinger’s Leitung Medicin studirt, war daselbst 1775 promovirt worden, hatte zu seiner weiteren Ausbildung noch zwei Jahre (1776–78) in Würzburg verweilt und sich sodann in Bamberg habilitirt, wo er zum Leibarzte des Fürstbischofs Franz Ludwig und zum Director und Lehrer an dem daselbst neu errichteten Krankenhause ernannt wurde. Nach dem Tode des Fürsten (1795) wurde er Lehrer an der landärztlichen Schule, 1803, nachdem Bamberg an die [307] bairische Krone gekommen war, Director der Medicinal- und Krankenanstalten in Franken und Lehrer an der neu begründeten Chirurgenschule daselbst, 1808 Vorstand des Medicinal-Comités und Director der ärztlichen Unterrichtsanstalt und in dieser Stellung ist er bis zu seinem am 26. April 1816 erfolgten Tode geblieben. – In Marcus’ wissenschaftlichem Leben und Wirken spiegelt sich die ganze, viel bewegte Entwickelungsepoche der deutschen Medicin in jener Zeit ab. – Er war einer der ersten und eifrigsten Anhänger des Brownianismus, als dessen einflußreicher Evangelist er praktisch und litterarisch (wie namentlich in einer Schrift „Prüfung des Brown’schen Systems der Heilkunde durch Erfahrungen am Krankenbette“, 4 Bde. 1797–99) thätig gewesen ist. – Später wandte er sich der Röschlaub’schen Erregungstheorie zu, welche er vorzugsweise in seinem „Magazin für specielle Therapie, Klinik und Staatsarzneikunde“, 5 Stcke. 1802–6 vertrat. Inzwischen war er mit Schelling und Steffens bekannt geworden, welche nach Bamberg gekommen waren, um in dem von ihm geleiteten Krankenhause die Erfolge der Brown’schen Heilungsmethode am Krankenbette zu studiren. Dies gab M. Veranlassung, sich mit der Naturphilosophie zu beschäftigen und so wurde er einige Jahre später Anhänger dieser Theorie, in deren Geiste die von ihm in Verbindung mit Schelling herausgegebenen „Jahrbücher der Medicin als Wissenschaft“, 3 Bde. 1806–8 gehalten sind. Schließlich wandte er seine Aufmerksamkeit den Schriften von Bichat zu und trat nun, gewissermaßen ein Vorläufer von Broussais, in seinem „Entwurf einer speciellen Pathologie und Therapie“, 3 Thle. 1807–12 und in einigen später veröffentlichten monographischen Bearbeitungen einzelner Krankheiten („Ueber den jetzt herrschenden Typhus“, 1813, ferner „Der Keuchhusten. Ueber seine Erkenntniß, Natur und Behandlung“, 1816 u. a.) mit der Lehre von der entzündlichen Natur fast aller Krankheiten und der daraus abstrahirten antiphlogistischen Behandlungsmethode derselben auf, welche, wie bei Broussais, auch bei ihm zu einer Art Vampyrismus ausartete. – M. war ein genialer Kopf und für die Wissenschaft begeistert, aber es fehlte ihm an der besonnenen Kritik; von feuriger Einbildungskraft beherrscht, enthusiasmirte er sich für jede neue Idee, die ihm imponirend entgegentrat, so u. A. auch für den Mesmerismus, er schwankte von einer Theorie zur andern und brachte auf diesen Kreuz- und Querzügen ebenso viele glückliche Gedanken wie große Irrthümer zu Stande. – Als Mensch und Beamter erscheint M. in einem sehr günstigen Lichte; er war ein edler Charakter, ein pflichtgetreuer, gewissenhafter Beamter, als welcher er sich große Verdienste um die Regelung des Hebammenwesens, die Verwaltung der Spitäler, um Versorgungsanstalten für unheilbare Kranke und Geisteskranke, um die Einführung der Vaccination etc. erworben hat.

Ueber seine Schriften vgl. Engelmann, Biblioth. med.-chir. 1848. 357.