ADB:Möller, Sebastian Heinrich

Empfohlene Zitierweise:

Artikel „Möller, Sebastian Heinrich“ von Albert Schumann in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 22 (1885), S. 149–151, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:M%C3%B6ller,_Sebastian_Heinrich&oldid=- (Version vom 2. November 2024, 18:15 Uhr UTC)
Allgemeine Deutsche Biographie
>>>enthalten in<<<
[[ADB:{{{VERWEIS}}}|{{{VERWEIS}}}]]
Band 22 (1885), S. 149–151 (Quelle).
[[| bei Wikisource]]
Sebastian Heinrich Möller in der Wikipedia
Sebastian Heinrich Möller in Wikidata
GND-Nummer 100990827
Datensatz, Rohdaten, Werke, Deutsche Biographie, weitere Angebote
fertig
Fertig! Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle Korrektur gelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
Kopiervorlage  
* {{ADB|22|149|151|Möller, Sebastian Heinrich|Albert Schumann|ADB:Möller, Sebastian Heinrich}}    

{{Normdaten|TYP=p|GND=100990827}}    

Möller: Sebastian Heinrich M., evangelischer Theolog, geb. den 8. April 1752 zu Gotha, war der Sohn eines Hofkutschers in Diensten Herzog Friedrich III. [150] und zeigte schon auf dem Gymnasium seiner Vaterstadt, das damals von den Rectoren Johann Heinrich Stuß (s. d. Art.) und Johann Gottfried Geißler (s. Bd. VIII S. 528) geleitet wurde, eine ausgesprochene Neigung für die alten Sprachen, wie er denn im Lateinischen durch fleißige Lectüre der Classiker und häufige stilistische Uebungen frühzeitig eine nicht gewöhnliche Fertigkeit erlangte. Manche wissenschaftliche Anregung mochte er daneben seinen Mitschülern Johann Friedrich Blumenbach (s. Bd. II S. 748 ff.). Johann Friedrich Salomon Kaltwasser (s. Bd. XV S. 49 f.) und Johann Heinrich Voigt (s. d.) zu verdanken haben. Auf der Jenaer Hochschule, die er seit 1770 besuchte, widmete er sich zwar vornehmlich der Theologie als seinem künftigen Lebensberufe, vernachlässigte aber auch die Alterthumsstudien nicht. Von den theologischen Fächern liebte er vorzugsweise die Exegese, namentlich diejenige des Neuen Testamentes, und der Scharfsinn, welchen er bei solchen Uebungen offenbarte, erregte die Aufmerksamkeit seiner Lehrer, ohne daß es jedoch dem Einflusse derselben gelungen wäre, ihn für die akademische Laufbahn zu gewinnen. Denn obwol ihn eine erst später überwundene Aengstlichkeit auf der Universität vom Betreten der Kanzel zurückschreckte, erschien ihm doch gerade das stille Wirken eines Landpfarrers als das wünschenswertheste Ziel seines Strebens. – Als er 1773 nach Gotha heimgekehrt war, trat er nach trefflich bestandenem Examen in die Reihe der Predigtamtscandidaten ein und gründete nun zur Gewinnung seines Unterhaltes eine sogenannte Candidatenschule, d. h. eine Vorbereitungsanstalt für das Gymnasium, welches zu jener Zeit nur vier Klassen (Tertia bis Selecta) umfaßte. Mit großem praktischen Geschick unterzog er sich dieser Aufgabe: er verstand es seine Zöglinge zu Fleiß und Eifer anzuregen und sie vor allem für die classischen Sprachen zu begeistern. Eine Anzahl vorzüglicher Männer, wie Johann Jakob Grabner (s. Bd. IX S. 538 f.) und Friedrich v. Schlichtegroll (s. d.), ist aus seiner Schule hervorgegangen. Da dieses pädagogische Talent ihn auf den Lehrerberuf hinzuweisen schien, so fehlte es nicht an Versuchen, ihn bei der erziehenden Thätigkeit festzuhalten; aber zum zweiten Male widerstand er im Hinblick auf das ihm vorschwebende Ziel. Er trat demselben näher, als er 1780 zum Pfarrsubstituten in Gierstedt ernannt wurde. Noch im gleichen Jahre verheirathete er sich mit der Tochter des dortigen Pfarrers und folgte diesem 1784 im Amte nach. Seitdem harrte er 43 Jahre treu auf seinem Posten aus, obgleich es nicht an Bemühungen fehlte, ihn aus dem stillen Orte fortzulocken. Als Kanzelredner befliß er sich eines klaren, aber nicht banalen Vortrages: gern wählte er ein Thema, das schon an und für sich die Aufmerksamkeit der Zuhörer fesseln konnte und wußte seine Predigten durch das Hereinziehen von Zeitereignissen zu eigentlichen Casualreden zu machen. Freundlich und wohlwollend im Umgange, dabei von heiterer Laune und treffendem Witze, erwarb er sich die Liebe der Gemeindeglieder, so daß alle seinen am 13. August 1827 erfolgten Tod als einen schmerzlichen Verlust empfanden. Neben seinem Amte beschäftigte ihn hauptsächlich seine Lieblingswissenschaft, die Exegese. In ihr war er auch schriftstellerisch thätig, und gleich die erste ohne Namen herausgegebene derartige Schrift, die „Kritik des Commentars über das Neue Testament von Herrn Dr. Paulus“ (Jena 1804), blieb von den fachmännischen Kreisen nicht unbeachtet. Wachler’s „Theologische Annalen“ bezeichneten das Buch als „eine schätzbare Schrift, über die sich Herr Dr. Paulus gewiß selbst freuen werde“, und die „Neue allgemeine deutsche Bibliothek“ sah in dem ungenannten Verfasser „einen scharfsinnigen Gelehrten, der dem Herrn Dr. Paulus an classischen philologischen Kenntnissen überlegen sei“. Erst nach längerer Pause folgte wieder eine exegetische Arbeit, durch welche sich M. abermals als ein gründlicher Ausleger des Neuen Testamentes erwies: die „Neuen Ansichten schwieriger Stellen aus den vier Evangelisten“ (1819). [151] Daneben lieferte er exegetische Beiträge in Augusti’s „Theologische Blätter“ und „Theologische Monatschrift“ und in Wachler’s „Theologische Annalen“, sowie Recensionen theologischer Werke in die „Jenaische Allgemeine Literatur-Zeitung“ (1804–1815). Andere Arbeiten kamen nicht über die handschriftliche Aufzeichnung hinaus: so eine Uebersetzung des Neuen Testamentes in vier Quartbänden, Summarien zu biblischen Vorlesungen in der Kirche, eine Anzahl Epigramme und eine Sammlung litterarischer Notizen, welche, bereits in den achtziger Jahren begonnen, nichts Geringeres bezweckte als die Zusammenstellung eines Conversationslexikons, ein Gedanke, der erst lange nachher von anderer Seite ausgeführt worden ist. – Neben der Wissenschaft war ihm auch das Unterrichten theuer geblieben. Friedr. Sickler (s. d.) und sein Neffe Joh. Chr. Wilh. Augusti (s. Bd. I S. 685 f.), die Söhne benachbarter Pfarrherren, waren seine Schüler, der Letztere auch im Hebräischen. Hervorragende Männer, wie Joh. Benj. Koppe (s. Bd. XVI S. 692 f.), Löffler (s. Bd. XIX S. 106 f.), Bretschneider (s. Bd. III S. 319 f.) und Friedr. Jacobs (s. Bd. XIII S. 599 ff.), suchten seinen Umgang und schätzten den „Weisen von Gierstedt“, der neben der Wissenschaft auch mit der Hobelbank zu hantieren verstand und, obgleich zu einer höheren Stellung befähigt, doch in dem bescheidenen Wirkungskreise eines einfachen Dorfpfarrers das schönste Glück seines Lebens fand.

J. H. Gelbke, Kirchen- und Schulenverfassung d. Herzogthums Gotha, 2. Thl., 1. Bd., Gotha 1796, S. 225. – Meusel, G. T. – Intelligenzblatt d. Jen. Allgem. Lit.-Zeitung, 1827, Nr. 54, Sp. 430 u. 1828 Nr. 4, Sp. 26 f. – N. Nekr., 5. Jahrg., 1827, S. 764–769.