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Artikel „Lisco, Friedrich Gustav“ von Otto von Ranke in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 18 (1883), S. 757–759, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Lisco,_Friedrich_Gustav&oldid=- (Version vom 25. Dezember 2024, 17:40 Uhr UTC)
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Lisco: Friedrich Gustav L., Sohn des zweiten Dompredigers, späteren Pfarrers an der Katharinenkirche und königl. Superintendent Lisco († 1821) in Brandenburg a. H., ist am 12. Febr. 1791 daselbst geboren. Er besuchte das unter der Leitung des Rector Barth, eines Schülers Gedike’s aufblühende Gymnasium seiner Vaterstadt; 1809 bezog L. die Universität Frankfurt a. O. Hier hörte er David Schulz, Middeldorpf, Spieker, Schneider-Saxa, Bredow, Solger. Als im Herbst 1811 die Universität Frankfurt nach Breslau verlegt wurde, ging L. nach Berlin, um hier seine theologischen, philologischen und philosophischen Studien zu vollenden. Er hörte Schleiermacher, de Wette, Böckh, Fichte. Namentlich Fichte hatte einen tiefergehenden Einfluß auf L., und dies um so mehr, als Fichte denselben eines persönlichen Verkehrs würdigte. L. fühlte sich durch die Uebersiedelung nach Berlin in eine ganz andere Luft versetzt. Er selbst schreibt darüber (Zur Kirchen-Geschichte Berlins S. 233 u. ff.): Als die Theologie Studirenden von der nach Breslau verlegten Universität hierher kamen, fanden sie die Commilitonen ihrer Fakultät als Schüler zu Fichte’s und Schleiermacher’s Füßen sitzend und es war ein wunderbares Erregtwerden und Ahnen, welches die ergriff, die von Muzel’s und David Schulz’s Hörsälen in die Schleiermacher’s und de Wette’s sich versetzt sahen. Fichte vollendete früh, der gewaltige Mann echt deutscher Art“. 1812 verließ L. die Universität; er erhielt alsbald eine Anstellung als Lehrer der Plahmann’schen Erziehungsanstalt. Vom October 1813 bis dahin 1814 war er Lehrer am kgl. Friedrich-Wilhelms-Gymnasium. Während dieser Zeit bestand er seine beiden theologischen Examina. Am 25. Septbr. 1814 wurde er zum Prediger an der Hofgerichtskirche in Berlin ordinirt, verwaltete seit Michaelis 1818 die dritte Predigerstelle an St. [758] Marien; wurde am 20. Mai 1820 in dies Amt, welches er mit der Predigerstelle am Hofgericht verbinden durfte, förmlich eingeführt. Von dem Magistrat von Berlin gewählt, wurde er am 11. Juli 1824 vom Propst Dr. Neander als Pfarrer an St. Gertraud eingeführt. Diese Pfarrstelle hat L. 42 Jahre bis zu seinem Tode innegehabt. Die beiden letzten Jahre seines Lebens war ihm das Ephoralamt für die Diöcese Berlin-Cöln (Stadt) übertragen. Durch Fichte’s Persönlichkeit mächtig angeregt, mit ganzem Eifer sich in Luther’s und Herder’s Schriften versenkend, war L. bei Uebernahme seines Pfarramts von dem nach den Befreiungskriegen durch die Zeit gehenden Zuge nach Belebung und Vertiefung der Frömmigkeit getragen. Er gehörte zu den ersten Predigern, welche in Berlin statt des bisher üblichen Rationalismus in einfacher Sprache mit der Gewalt, welche die eigene Herzensüberzeugung gewährt, die alten Bibelwahrheiten freudig verkündeten. Hatten seine Predigten daher schon in St. Marien sich eines großen Zuhörerkreises erfreut, so blieb bald in der allerdings nicht großen St. Gertraudkirche (auch Spittelkirche genannt. Am Ende der Leipzigerstraße gelegen, Ende der 70er Jahre abgerissen) bald kein Platz frei. Eine sehr treue Gemeinde aus der ganzen Stadt sammelte sich Sonntag für Sonntag um seine Kanzel. Auch durch den Confirmandenunterricht und in der Seelsorge übte L. auf weite Kreise Berlins großen Einfluß aus. Der 1828 erbetene Druck einiger seiner Predigten führte L. zu schriftstellerischer Thätigkeit. Eine nicht geringe Zahl erbaulicher, populär-theologischer, katechetischer, hymnologischer Arbeiten ist von ihm ausgegangen und hat innerhalb und außerhalb Deutschlands einen großen Leserkreis gefunden. Wir heben aus der großen Zahl folgende hervor: „Predigten über die Gleichnisse Jesu“, Berlin 1828/30; „Die Offenbarungen Gottes in Geschichte und Lehre nach dem alten und neuen Testamente“, 1830 (ins Französische übersetzt); „Die Parabeln Jesu, exegetisch-homiletisch bearbeitet“ (ins Schwedische und Dänische übersetzt); „Die Bibel oder die heilige Schrift des alten und neuen Testaments, mit Erklärungen, Einleitungen, Aufsätzen, Registern und Inhaltsverzeichnissen“. Die erste Ausgabe des neuen Testaments erschien 1834, das Ganze in 208 Bogen 1853 vollendet (ins Schwedische und Dänische übersetzt). „Das christl. Kirchenjahr. Ein homiletisches Hülfsbuch beim Gebrauch der epistolischen und evangelischen Perikopen“; „Die Wunder Jesu Christi, exegetisch-homiletisch bearbeitet“, 1836; „Das Ceremonialgesetz des Alten Testamentes und Nachweis seiner Erfüllung im Neuen Testament“; „Erbauet Euch auf Euren allerheiligsten Glauben! Ein Andachtsbuch“, 1843; „Das christlich-apostolische Glaubensbekenntniß“; „Katechismus der christlichen Lehre und der Scheidelehren der evangelisch-protestantischen und römisch-katholischen Kirche“; „Das wohlthätige Berlin, geschichtlich-statistische Nachrichten über die Wohlthätigkeits-Uebung Berlins“, 32 Bogen, 1846; „Zur Kirchengeschichte Berlins, ein geschichtlich-statistischer Beitrag“, 1857. – Außerdem hat L. Predigten seines Amtsvorgängers Hermes wie Spener’s: Die Seligkeit der Kinder Gottes und desselben: Sprüche heiliger Schrift u. A. neu herausgegeben. Diese Editionen sollten allein der Erbauung der Gemeinde dienen. Aus eben diesem Grunde betheiligte sich L. an allen Bestrebungen, welche kirchliches Leben und praktisches Christenthum in die Berliner Gemeinden bringen wollten. Er betheiligte sich Jahrzehnte lang an der Leitung der preuß. Hauptbibelgesellschaft, der Berliner Missionsgesellschaft und an andern Vereinen. Bei Gelegenheit des Reformationsjubiläums 1839 wurde L. von der theologischen Facultät der Berliner Universität zum Doctor honoris causa ernannt. Der Wunsch, die Gemeindeglieder an den praktischen Arbeiten des kirchlichen Lebens activ theilnehmen zu sehen, ließ L. zuerst eine wesentlich andere Stellung, als seine bisherigen Gesinnungsgenossen, zu den kirchlichen Aufgaben seiner Zeit einnehmen. Mußten doch bald die tiefergehenden Gegensätze unter Männern hervortreten, welche Anfangs [759] dem Rationalismus und Indifferentismus gegenüber gemeinsam die Fahne des lebendigen Bibelglaubens hochgehalten hatten. Es ist hier nicht der Ort, die kirchlichen Kämpfe Berlins in den 30er und 40er Jahren dieses Jahrhunderts zu schildern. L. nahm an ihnen einen lebendigen Antheil. Mit innerem Selbsterleben hatte er sich der Einführung der Union im Jahre 1817 gefreut; an den Verhandlungen der bald darauf berufenen Provincialsynode hatte er sich lebhaft betheiligt; mit Schleiermacher hatte er sich 1824 gegen das sogenannte jus liturgicum des Landesherrn ausgesprochen, an der Ausarbeitung des Berliner Gesangbuchs von 1829 hatte er lebhaft theilgenommen und die Einführung desselben nicht unwesentlich gefördert, der Einführung synodaler Ordnungen für die Landeskirche hatte er mit Freude entgegengesehen und die Verzögerungen in dieser Angelegenheit beklagt. So nahm er, wiewohl für seine Person die Bibelgläubigkeit streng festhaltend, in den kirchlichen Streitigkeiten eine mehr vermittelnde Stellung ein. Wir können es daraus verstehen, wenn L. unter jene bekannte Erklärung vom 15. August 1845, in welcher eine Reihe von Geistlichen sich gegen Prof. Hengstenberg und die Evangelische Kirchenzeitung aussprachen, seinen Namen setzte. L. hat diese Erklärung niemals dahin verstanden wissen wollen, als ob er selbst gegen die evangelische Wahrheit und Kirchenlehre sich erklärte; Inhalt und Absicht der Erklärung lag ihm vielmehr auf dem Gebiet kirchenrechtlichen Handelns allein. „In der Mitte streitender Extreme“ – so hat er später behauptet – „wollte die Erklärung friedlich und helfend eintreten“. – So konnte die Erklärung damals freilich nicht aufgefaßt werden. Für L. hatte sie unerwartete Folgen. Trotz der wiederholten Versicherung, daß er auch fernerhin den Bibelglauben rein und lauter verkündigen wolle, daß er in „Worten der Liebe zur Verständigung an die Mitglieder der St. Gertraud-Kirchengemeinde und an meine Freunde“ sich ausdrücklich zu den einzelnen Heilswahrheiten der Bibel bekannte, wollte es ihm nicht mehr gelingen, die Gemeinde, welche eine reine Personalgemeinde gewesen war, wieder um seine Kanzel zu sammeln; so manche Beziehungen lösten sich, seine Wirksamkeit in Predigt und Seelsorge verringerte sich. Dazu traf L. Schlag auf Schlag in seiner Familie. 4 erwachsene Kinder mußte er vor sich ins Grab steigen sehen. Sein Alter ist daher keineswegs erfreulich gewesen. Am Tage der Schlacht bei Königgrätz erkrankte der 75jährige. Als die erste sichere Kunde von dem gewonnenen Siege eintraf, hatte er soeben vollendet (4. Juli 1866).

Außer den sämmtlichen Schriften D. Lisco’s, unter welchen Zur Kirchengeschichte Berlins; Zur Erklärung vom 15. August 1845; Worte der Liebe zur Verständigung; die St. Gertraud-Kirche zu Berlin, 1834 – schriftliche Mittheilungen des Sohnes Dr. theol. Lisco, Prediger an der Neuen Kirche in Berlin.