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Artikel „Lips, Johann Heinrich“ von Georg von Wyß in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 18 (1883), S. 738–739, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Lips,_Johann_Heinrich&oldid=- (Version vom 23. November 2024, 09:52 Uhr UTC)
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Lips: Johann Heinrich L., Kupferstecher in Zürich, geb. am 29. April 1758; † am 5. Mai 1817. – L. war der zweite Sohn eines Dorfwundarztes in Kloten unweit Zürich und zum väterlichen Berufe bestimmt, als die Vermittelung des ihm im Alter nahe stehenden und befreundeten Pfarrvicars in Kloten, Leonhard Brennwald, und Lavater’s ihm die ersehnte künstlerische Laufbahn eröffnete. Brennwald ertheilte dem Freunde Unterricht im Latein, in Geschichte und Mythologie und gewann für ihn 1773 die Aufmerksamkeit und Gunst Lavater’s. Dieser aber, der in L. das außergewöhnliche Talent sofort erkannte, suchte ihn erst in Lehre zu einem Meister zu bringen und beschäftigte ihn, als dies nicht gelang, für seine Physiognomik unter Aussetzung eines Jahrgehaltes, der Lips’ Vater vermochte, in die Berufswahl des Sohnes einzuwilligen. Rasch machte nun L., noch im väterlichen Hause weilend, von Lavater und andern Gönnern hier besucht, so entschiedene Fortschritte in Arbeiten mit dem Grabstichel und der Radirnadel, daß Lavater schon 1776 in den „Physiognomischen Fragmenten“ ein nach Zeichnung von Schmoll durch radirtes Porträt des jungen Künstlers selbst mit einer Lobrede auf denselben herausgab, die L. die größte Zukunft verhieß. Wirksamer noch, als dies Lob, war, daß J. Caspar Füßli (Bd. VIII, S. 258 oben) sich Lips’ annahm und ihn durch den befolgten Rath wesentlich förderte, durch fleißiges Zeichnen nach den ihm übergebenen Blättern von La Fage und Testa sich gründlich zu üben. In der „Geschichte der besten Künstler in der Schweiz“ sprach 1779 auch Füßli aufs Rühmlichste von L. und fügte ein zweites Porträt desselben diesem Werke bei. Zur weiteren Ausbildung ging hierauf L. 1780 nach Mannheim, wo er bereits bei einer Preisausschreibung der Akademie den zweiten Preis gewann, und 1781 nach Düsseldorf. Hier wurde ihm für eine Zeichnung: „Antiochus und Stratonice“, der erste Preis der dasigen Akademie und das Diplom eines Mitgliedes derselben zu Theil und in ihrem Auftrage führte er den Stich eines Gemäldes der Düsseldorfer Gallerie: „Der h. Sebastian“ von van Dyck, aus. Das Honorar dafür gewährte ihm die Mittel zu einem Aufenthalte in Rom. Er traf im Herbste 1782 in der ewigen Stadt ein und widmete nun daselbst dem Studium nach den Antiken und nach Raphael dritthalb glückliche Jahre, wobei er aber auch, veranlaßt durch J. Ph. Hackert, nach einem Gemälde in dessen Sammlung ein großes Blatt in Kupferstich: „Das Bachanal“ von Poussin, ausführte. Nach einem Besuche von Neapel, Pompeji, Herkulanum und einer Besteigung des Vesuv langte L. Mitte 1785 wieder in der Heimath an, nahm hier auch Versuche im Malen in Oel wieder auf und fertigte ein Bildniß Lavaters und dessen Sohnes mit solchem Erfolge an, daß ihm Manche riethen, sich der Malerei zu widmen, und als Anton Graff (Bd. IX, S. 565), dessen Urtheil entscheiden sollte, dieser Meinung beitrat, zog L. im Herbste 1786 wieder nach Rom, um sich zum Maler auszubilden. [739] Fleißig malte er nun in Oel, versuchte sich auch in der von Reiffenstein eben aufgebrachten Enkaustik, theils nach Gemälden, theils in eigenen Erfindungen. Allein er fand nach einiger Zeit die Räthe heimathlicher Freunde, die anderer Ansicht als Graff gewesen waren, richtig, legte die Palette wieder bei Seite und griff mit neuer Liebe zum Grabstichel. Mit immer größerer Meisterschaft führte er denselben, so daß 1789 Goethe, dessen Umgang er in Rom zu großer Förderung genossen hatte, seine Berufung als Professor an die Zeichenakademie in Weimar bewirkte, wohin L. nach kurzem Besuche in der Heimath übersiedelte. Bis 1794 blieb er in Weimar in den angenehmsten Verhältnissen, als Kränklichkeit ihn befiel und veranlaßte, Ruhe und Erholung in dem ihm zusagenderen Klima in der Schweiz zu suchen. Hier erwachte in ihm der Entschluß, sich bleibend in Zürich niederzulassen; er gründete nun eigenen Hausstand und brachte seine übrigen Jahre in der Heimath in einer ungemein fruchtbaren und schönen künstlerischen Thätigkeit zu. Denn neben größeren Arbeiten nach berühmten Originalen oder in selbst componirten Blättern ging nun eine ganz ungemeine Zahl von Stichen mannigfaltigster Art, Porträts, Illustrationen zu litterarischsn Werken u. a. m. aus seinen Händen hervor, zumal Verleger im In- und Auslande, besonders nach Chodowiecki’s Tode (1801), sich unausgesetzt an ihn wendeten. Schon 1808 zählte das von ihm sorgfältig geführte chronologische Verzeichniß seiner Kupferstiche 1257, kurz vor seinem Ende 1447 Nummern. Zu den größeren Blättern gehören neben den schon genannten nach van Dyck und Poussin ein in Rom entstandenes: „Marius“ nach Drouais, eine auf Grundlage dortiger Studien 1802 vollendete „Madonna“ nach Raphael, ganz vorzüglich aber zwei Stiche für das Musée francais: „Die Köchin" nach Gerhard Douw und eine „Anbetung der Hirten“ nach Carracci. Unter anderen Arbeiten verschiedenartigsten Inhaltes sind die Illustrationen zu Lavater’s Messiade und Goethe’s und Wieland’s Werken, Stiche nach Cornelius’ Scenen zu den Nibelungen, der „Abschied des Niklaus von Flüe von seiner Familie“ nach Volmar und Blätter eigener Composition in Aquatinta: „Jesus und die Kinder“ und die „Vier Jahreszeiten“, sowie ein vielverbreitetes Gedenkblatt auf Lavater zu nennen. Unter den Porträts: das in Mannheim 1780 für Lavater’s Physiognomik gestochene Bildniß des Thomas Morus nach Holbein, die Bildnisse von Goethe und Wieland, dasjenige Lavater’s nach Tischbein, die Porträts von Kant, Reinhold, der zürcherischen Bürgermeister Kilchsperger und David Wyß d. Aelt., des Canonicus Rahn u. a. m. Auch eine von dem Zürcher Ingenieur Feer 1796 aufgenommene Karte des sanctgallischen Reinthals wurde von L. gestochen. Richtigkeit der Zeichnung, Classicität der Formen, Kraft und Reinheit des ausdrucksvollen Vortrags zeichnen alle Arbeiten des auch als Mensch hochachtbaren Künstlers aus (viele derselben sind nur mit: H. (statt J. H.) Lips bezeichnet). – Ein jüngerer Kunstgenosse des genannten war der ebenfalls rühmlich bekannte zürcherische Kupferstecher Johann Jakob Lips, geb. 1791, † 1833. Derselbe stammte aus einem in Birmenstorf bei Zürich angesessenen Geschlechte dieses Namens.

J. C. Lavater, Physiogn. Fragmente, 2. Theil, S, 222 (1776). – J. C. Füßli, Geschichte der besten Künstler in der Schweiz. Anhang S. 204 (1779). – Meusel, Bibliothek der redenden und bildenden Künste, 1. Th. S. 304 (1806); Derselbe, Archiv f. Künstler und Kunstl., 2. Th. (1808). – J. Rud. Füßli, Allgem. Künstlerlexikon, 2. Th. S. 711 (1809). – Neujahrsbl. der Künstlergesellschaft auf das Jahr 1818 (mit des greisen L. Bildniß, gestochen von dem jüngeren Lips).