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Artikel „Latendorf, Friedrich“ von Heinrich Klenz in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 51 (1906), S. 596–597, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Latendorf,_Friedrich&oldid=- (Version vom 9. Oktober 2024, 00:47 Uhr UTC)
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Latendorf: Johann Friedrich Theodor L., Germanist (Philolog), geboren am 6. November 1831 zu Neustrelitz, † am 1. Mai 1898 zu Schönberg in Mecklenburg-Strelitz. L. war der Sohn eines Kammer- und Consistorial-Pedellen in Neustrelitz. Nachdem er das dortige Gymnasium durchgemacht hatte, studirte er von Michaelis 1849 bis Ostern 1853 in Göttingen classische Philologie unter Ernst v. Leutsch und Friedrich Wilhelm Schneidewin. Darauf fand er als Hülfslehrer am Gymnasium seiner Vaterstadt Beschäftigung, von welchem er Ostern 1860 in gleicher Eigenschaft an das Gymnasium Fridericianum zu Schwerin übertrat. Hier wurde er Johannis desselben Jahres zum ordentlichen Lehrer und Michaelis 1869 zum Oberlehrer ernannt. Inzwischen verlieh ihm die philosophische Facultät der Universität Rostock die Doctorwürde. Ostern 1893 in den Ruhestand versetzt, siedelte er nach Schönberg über, wo er an der von seiner Tochter begründeten Mädchenschule noch bis an seinen Tod einigen Unterricht ertheilte.

Obgleich L. zum classischen Philologen vorgebildet war und hauptsächlich in den alten Sprachen unterrichtete, so bethätigte er sich doch in seinen zahlreichen Schriften, die allerdings meist von kleinerem Umfange sind, auf dem Gebiete der deutschen Philologie. Vor allem war er um die ältere Sprichwörterlitteratur bemüht und zeigte dabei ungewöhnliche Belesenheit, großen Scharfsinn und peinliche Genauigkeit. Hierher gehört zunächst das Werk: „Agricola’s Sprichwörter, ihr hochdeutscher Ursprung und ihr Einfluß auf die deutschen und niederländischen Sammler, nebst kritischen Bemerkungen über die Sprichwörter und Sprichwörtersammlungen der Gegenwart“ (1862), dem später „L. v. Passavant gegen Agricola’s Sprichwörter“ (1873) folgte. Dann ließ L. eine mit kritischem Nachwort begleitete Ausgabe von Michael Neander’s deutschen Sprichwörtern (1864) erscheinen. Sein Hauptwerk ist aber „Sebastian Franck’s erste namenlose Sprichwörtersammlung vom Jahre 1532 in getreuem Abdruck, mit Erläuterungen und cultur- und litterargeschichtlichen Beilagen“ (1876), welches die Parallelstellen aus Agricola sowie aus der unter Franck’s Namen 1541 veröffentlichten großen Sammlung enthält, und worin der Beweis geführt wird, daß schon jene erste von Egenolff in Frankfurt a. M. verlegte Sammlung Sebastian Franck zum Verfasser hat. Weiter gehören hierher: „Hundert Sprüche Luthers zum alten Testament in hochdeutscher, niederdeutscher und niederländischer Fassung aus den Originaldrucken ausgewählt [597] und mit erläuternden Zusätzen begleitet“ (1883), und: „Lessing’s Name und der öffentliche Mißbrauch desselben im neuen deutschen Reich. Ein urkundlicher Nachweis in Verbindung mit der Beseitigung zahlreicher, seit einem Menschenalter wiederkehrender Fehler und Irrthümer über Sprüche der Reformatiomszeit“ (1886). – An zweiter Stelle sind Latendorf’s Körnerschriften zu nennen: „Aus Theodor Körner’s Nachlaß. Lieder- und Liebesgrüße an Antonie Adamberger. Zum erstenmal vollständig und getreu nach der eigenhändigen Sammlung des Dichters herausgegeben“ (1884, 2. Aufl. 1885); „Th. Körner’s sieben Burschenlieder aus Freiberg, Leipzig und Wien. Zum ersten Male in urkundlicher Treue nach der eigenen Handschrift des Dichters herausgegeben“ (1886); „Theodor Körner in Mecklenburg“ (1890); „Friedrich Försters Urkunden-Fälschungen zur Geschichte des Jahres 1813 mit besonderer Berücksichtigung auf Th. Körners Leben und Dichten“ (1891). – Drittens sind zwei Reuterschriften zu erwähnen: „Zur Erinnerung an Fritz Reuter. Verschollene Gedichte Reuters nebst volksthümlichen und wissenschaftlichen Reuter-Studien“ (1879), und: „Karl Horn, der Stifter der Deutschen Burschenschaft, und Heinrich Gesellius, die Lieblingslehrer Fritz Reuters. Biographische Mittheilungen nebst ungedruckten Briefen und Dichtungen Reuters“ (1881). – Daß L. ein großer Kenner des Niederdeutschen war, davon zeugen die drei Schriften: „Zur Kritik und Erklärung des Reineke Vos“ (1865), „Zu Lauremberg’s Scherzgedichten. Ein kritischer Beitrag zu Lappenberg’s Ausgabe“ (1875), und „Niederdeutsch und Neudeutsch. Offener Brief an Edmund Hoefer“ (1879). – Endlich rühren, von einer großen Anzahl Beiträge zu verschiedenen Zeitschriften und Zeitungen abgesehen, noch folgende Veröffentlichungen aus Latendorf’s Feder her: „Sebastiani Franci de Pythagora disputatio illustrata“ (1868); „Lehrer und Abiturienten des Fridericianums in Schwerin von 1834 bis 1874. Ein Beitrag zur Statistik und Culturgeschichte aus Mecklenburg“ (1875); „Publicistische Wahrheitsliebe. Erfahrungen und Mittheilungen aus dem neuen Reiche. Nebst einem antisocialistischen und antipapistischen Anhang“ [mit eingestreuten Gedichten] (1877); „Drei Kaiserreden des Jubeljahres [11. Juni 1878 bis dahin 1879]. Im öffentlichen Auftrage gehalten zu Schwerin in Mecklenburg“ (1879); „Acht Lutherfragen aus alter und neuer Zeit, nebst Beiträgen zu ihrer Lösung“ (1883); „Aus der Zeit für die Zeit. Vaterländische Dichtungen aus Mecklenburg“ (1883). Das zuletzt genannte Buch besteht aus unbedeutenden Gelegenheitsgedichten, wie überhaupt die Dichtkunst des so verdienten Folkloristen schwache Seite war.