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Artikel „Lauremberg, Johann“ von Erich Schmidt in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 18 (1883), S. 58–59, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Lauremberg,_Johann&oldid=- (Version vom 21. November 2024, 19:45 Uhr UTC)
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Lauremberg: Johann L., Satiriker, geb. am 26. Februar 1590 zu Rostock, Sohn des hervorragenden Professors der Medicin Wilhelm L., Bruder des von A. Tscherning gefeierten Verfassers der Acerra philologica Peter L., bezog 1608 die Universität der Vaterstadt, bereiste 1612–1617 Holland, Frankreich, England und Italien, in Paris und Rheims auch medicinischen Studien nebenher obliegend, wirkte – schon 1613 für einen Lehrstuhl empfohlen – seit 1618 als Professor der Poesie in Rostock, veröffentlichte außer kleineren Editionen 1622 einen lexikographischen Antiquarius, der ihn in älteren Lateinern, besonders Plautus, wohlbewandert zeigte, auch eine Karte von Mecklenburg, ging dann zur Mathematik über, welches Fach er seit 1623 an der dänischen Ritterakademie Soroe, ein Vorgänger J. E. Schlegel’s, vertrat. Er heirathete. Spätere Bekümmernisse milderte die Huld Friedrichs III., den er in Soroe unterrichtet hatte. Er starb am 28. Februar 1658. Sein Sohn Sebastian erhielt 1662 die erledigte Professur. Lauremberg’s akademische und höfische Gedichte sind wenig charakteristisch. Lateinische Gelegenheitscarmina, einmal gar ein französisches. Sein vieractiger „Pompejus magnus“ ist ein Jugendexercitium nach antikem Muster. Einem griechischen Epithalamium „Κύπρις πλέουσα“ folgen 1634 steife hochdeutsche Hofkomödien mythologischen Inhalts (erschienen 1648 im „Triumphus nuptialis“); aber in die Harpyienscenen hat er, norddeutschen Traditionen des 16. Jahrhunderts getreu, ein komisches niederdeutsches Bauerngespräch geschoben und anderswo verdutzte Landleute in der Stadt gezeigt. Im Plattdeutschen wurzelte seine Kraft, die er auch in der akademisches Treiben theils bitter, theils launig geißelnden Satyra nicht voll bewähren konnte. Niedersächsischen Realismus und Conservatismus paart er mit klassischer Bildung, den Grobianismus des 16. Jahrhunderts mit humanistischem Geistreichthum. Im Dialect ging der derbe Mecklenburger den Gebrechen seiner Zeit zu Leibe; 1652 „Veer Scherzgedichte“ von Hans Willmsen L. Rost (Rostochiensis man ergänzte später falsch: Licentiat Rost). Dieselben erschienen alsbald auch dänisch, 1654 hochdeutsch durch C. C. Dedekind, oft aufgelegt, seit 1700 als „De veer olde beröhmede Sch.“ mehrmals mit J. Rachel’s lahmeren hochdeutschen Satiren vereinigt. Sie kämpfen robust, saftig, zielsicher gegen das französische „Allemode“ nach dem Wahlspruch „bi dem olden will ik bliven“ und würden nur zu altfränkisch, reactionär, ja poesiefeindlich erscheinen, gäbe ihnen nicht die Berührung mit den horazischen Sermonen und das in I und II fein benutzte Motiv der Seelenwanderung eine höhere Geltung. Die Composition ist nachlässig mit Absicht, der Abschluß meist kunstlos, etwa ein phlegmatisch unmuthiges „it mach gahn als it geit“, „darüm ik numehr swige“. Das erste Gedicht straft allgemeiner Wandel und Manieren der Menschen, das zweite mit wuchtigen Hieben und hanebüchenen Belegen die äußerlichen Narrheiten der Kleidermode, das dritte in der gleichen polternden und anekdotenhaften Art und unter Empfehlung schlagender Abwehr die innerlichen Narrheiten der Sprach- und Titelvermengung, das vierte die Modepoesie durch Vorführung eines alten Bettelpoeten und ein Gespräch mit zwei Reimaristarchen. Marinische Tropen werden so cynisch wie ergötzlich [59] parodirt. Die „Epitome der deutschen Prosodie“ – Opitzens? – schiert ihn nicht. Mögen seine Verse laufen, lang und kurz, wie magere Ferkel neben der fetten Sau, kleinere jambische Zeilen neben Alexandrinern – seine Art ist selbstbewußt conservativ und das Niederdeutsche – stolz schaut L. auf Reinke de Vos – schlägt durch seine kernige Beharrlichkeit den Proteus Hochdeutsch.

(Aeltere Litteratur s. Jördens 3, 149 ff.) – J. Grimm, Germania 2, 298 ff. Lappenberg 1861, Bibliothek des litterarischen Vereins, Bd. 58; sehr verdienstlich, aber nicht ohne philologische Fehler. Trefflich W. Braune, Hallenser Neudrucke, Heft 16 f., 1879 (Text und Wörterbuch). Jellinghaus, Jahrbuch des Vereins für niederdeutsche Sprachforschung, 1877, S. 91 ff.; zwei niederdeutsche Bauernscenen, vgl. o. Ebenda 1879 S. 186 f. ein paar Bemerkungen Sprenger’s zu Braune’s Ausgabe. Die Lappenbergsche veranlaßte das Köthener Programm von E. Müller 1870 und minder ergiebige kleine Arbeiten Latendorfs: Germania 19, 351 u. 21, 53 ff., „Zu L.’s Scherzgedichten“, Rostock 1875.