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Artikel „Kuffner, Christoph“ von Adalbert Horawitz in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 17 (1883), S. 302–304, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Kuffner,_Christoph&oldid=- (Version vom 4. Dezember 2024, 08:33 Uhr UTC)
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Band 17 (1883), S. 302–304 (Quelle).
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Kuffner: Christoph K., Dichter (geb. zu Wien am 28. Juni 1780, † daselbst am 7. Nov. 1846), erhielt von seinem Vater, einem Wiener Advokaten, der, wie es scheint, einer niederösterreichischen Bauernfamilie entstammte, eine sehr sorgfältige Erziehung. Besonders die lateinischen Classiker las er gerne und eingehend, daneben zeigte sich aber eine so entschiedene Liebe zur Musik, die er unter Wranitzky betrieb, daß ihn diese Neigung dem großen Dreigestirne unserer Musiker Haydn, Mozart, Beethoven bekannt machte. Die Leistungen des sanften Knaben im Gesange und Violinspiele in Verbindung mit seinem überaus liebenswürdigen und gewinnenden Wesen machten auf Vater Haydn einen solchen Eindruck, daß er ihn sogar adoptiren wollte. Charakteristisch für K. ist es, daß sein großer Fleiß sich zwischen Musik und dem Studium seiner Lieblinge Vergil und Horaz theilte, daß er kein Freund der lärmenden Spiele und von unverlierbarer Gutmüthigkeit war. 1803 wurde K. Beamter beim Hofkriegsrath und nach pflichtgetreuer Beamtencarriere, in der er auch das in jenen Zeiten so peinliche Censuramt übernehmen mußte, Hofsecretär im Geheimen Staats- und Conferenzrath, als der er 1846 starb. K. producirte früh; mit 13 Jahren schon dichtete er, werthvoller als diese Producte waren die in denselben Jahren unternommenen Uebersetzungen. Aber sein ganzes Leben hindurch war K. von außerordentlicher – wie mir scheint allzugroßer – Productivität in allen Dichtungsarten. Am schwächsten ist er in der Erzählung. Allerdings er hat [303] nicht weniger als 73 Novellen und Erzählungen und 156 vermischte Aufsätze geschrieben, aber die Stoffe, die er behandelte, sind meist ungenießbar, häufig kleinlich und banal. Freilich wäre es eine arge Ungerechtigkeit, dies K. allein zuzuschreiben, vieles, das dem Leser heute geschmacklos erscheint, ist Signatur der Francisceischen Periode, in der die Stoffe aus dem kleinlichsten Privatleben genommen wurden, um nur jeder politischen Verfänglichkeit auszuweichen. Vielfach begegnet man übrigens Reminiscenzen an Lohenstein und Hoffmannswaldau, aber auch Anklängen an die romantische Schule. In der Anlage zeigt sich Kuffner’s Talent als Epiker nicht ausreichend, er kommt immer wieder in den dramatischen Dialog oder bedient sich der Briefform. Doch fehlt es auch in dieser seiner schwächsten Leistung nicht an Gelungenem, Witzigen, wenngleich er als Erzähler jedenfalls seine österreichischen Strebegenossen nicht überragt. Auch seine Lyrik leidet an der Beschränkung in der Wahl der Stoffe, man lebte ja damals in Oesterreich wie auf einer abgeschiedenen Insel. Dennoch taucht auch hier und da aus dem Idyllischen, Weichen ein Können auf, das erweist, daß die großen Weltbegebenheiten nicht ohne Eindruck auf den Dichter blieben, er schafft seiner Entrüstung gegen Napoleon Ausdruck, rühmt der Alliirten Thaten, prophezeit Preußens große Zukunft, verherrlicht Kaiser Joseph, den Bezwinger der Höllenmacht Aberglaube, läßt Thusnelda eine Heroide an Hermann schreiben. Einige seiner stets warmempfundenen lyrischen Ergüsse sind von wahrhaftem Reize, sie klingen wie eine Melodie; begreiflich deshalb, daß Aßmayer, Abbé Stadler, ja sogar Schubert Kuffner’s Lieder componirten; Haydn wie Beethoven von ihm Texte für Oratorien verlangten, die Beiden für musikalische Bearbeitung in hohem Grade geeignet erschienen, deren Composition aber durch den Tod beider Meister unterblieb; einer der vielen Unfälle, die K. trafen und die Anerkennung seiner Leistungen verkümmerten. Am bedeutendsten ist Kuffner’s dichterisches Talent im Drama hervorgetreten. Was er hier geschaffen, kann man nicht so sehr aus den Triumphen, welche Schauspieler in seinen Stücken errangen und aus der Aufführung im Burgtheater ermessen, sondern vielmehr aus dem edlen und mächtigen Eindruck, den vieles, wie z. B. sein Catilina, noch jetzt macht. Es ist kräftige Charakteristik, weiter historischer Hintergrund, lebensvolle dramatische Bewegung und fast durchweg edle Sprache zu rühmen. Geschickt hat der Dichter seine großen historischen und archäologischen Kenntnisse benutzt, man könnte seinen Catilina in dieser Hinsicht mit Freytag’s Fabiern vergleichen. Es ist stark pulsirendes Leben, das der Dichter vorführt, seine Gestalten sind keine Schemen, sie sprechen würdig, ein Zug antiker Hoheit geht durch das Ganze. – Andere Dramen sind schwächer, auch im Ausdrucke, aber es fehlt keinem an frischem Leben. Bleibenden Werth haben Kuffner’s gelehrte Schriften. Durch eine Reihe von Werken hat K. in der banausischen Zeit Oesterreichs auf die unverlierbare Bedeutung und Herrlichkeit des classischen Alterthums mit solcher Wärme und Begeisterung hingewiesen, wie Wenige vor und nach ihm. In seiner schönen Arbeit „Perikles der Olympier“ zeigt sich K. als Vorläufer von Curtius und Hamerling; bekannter als diese Studien ist sein „Artemidor“, ein Werk in sechs Bänden (Brünn 1822), das auch ins Holländische übersetzt ward. Hellas und Rom erscheinen ihm darin auch jetzt noch als die Sternbilder der Schönheit und Größe. „Mit Wunden der Gegenwart bedeckt, begrüßt des Leidenden Sehnsucht Euer Geisterreich! Eure Zauber einmal empfunden, wirken fort und fort!“ – Artemidor ist entstanden durch die Anregung von Barthelemy’s Anacharsis, es ist ein Seitenstück von Böttger’s Sabine. Treffend bemerkt K., die Schätze der alten Litteratur würden weder durch anatomirende Philologen und trockene Gedächtnißgelehrte, noch durch prunkende Schöngeister lebendig gemacht, er versucht es nun durch eine Darstellung, die gewissermaßen [304] ein Vorläufer des jetzigen Geschichtsromans ist, aber freilich durch die Gelehrsamkeit des Verfassers überwuchert, ganz vom ursprünglichen Plane abweicht und schließlich zu einer römischen Litteraturgeschichte wird. Seine beste Leistung kann ich darin nicht finden, diese ist die epochemachende und noch jetzt gelobte Uebersetzung von Plautus (1807). – Denn lange vor Ritschl’s unsterblichen Bemühungen um die römische Comödie gab er hierin neben einer die „Bücher- und Pöbel-Sprache“ gleichmäßig meidenden Uebertragung eine Abhandlung über das Lesen der alten Comödie und eine Biographie des Plautus; die Arbeit zeichnet sich, in großer Bescheidenheit einherschreitend durch Treue und Gewissenhaftigkeit vor den damaligen Versionen aus. Kuffner’s Werke wurden auch in England bekannt und gerühmt (cf. New Quarterly Review), während sie in Oesterreich eigentlich nie ein großes Publikum gefunden; wer die besseren unter seinen vielen Schriften liest, wird aber sagen müssen, daß er mit Unrecht vergessen ward und gewiß eher in einer Litteraturgeschichte Oesterreichs mit Anerkennung genannt zu werden verdient, als Saphir, Nestroy und so manche andere. Einer, der ihn gekannt (Strälen), spendet aber auch dem Charakter Kuffner’s alles Lob, er sagt, „die sittliche Richtung Kuffner’s, seine liebenswürdige Persönlichkeit müssen wir hervorheben. Es wird die Aufgabe des Biographen Kuffner’s sein, zu erzählen, wie sein Herz wohlwollend und mild Jeden anzog, der sich ihm näherte, wie er jüngere Talente förderte und berieth, wie er gerade und ehrlich war und sich stets als Ehrenmann erwies“.

Mein Aufsatz in der „Heimat“, Wien 1882. Kuffner’s Werke, Wien, 20 Bde. cf. Koberstein, L. G. IV.